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Der MPP-Markt steht wie alle Schifffahrtssegmente vor einer Zäsur. Es geht um »IMO 2020«, Kundenorientierung und aufstrebende Akteure. Strukturbedingt haben die Operateure BBC, Zeamarine und dship jeweils eigene Einschätzungen zu Flotten- und Ladungsentwicklungen. Von Michael Meyer

Der vieldiskutierte Einschnitt durch die ab 2020 geltenden Abgasvorschriften macht natürlich auch vor der Mehrzweck- und Projektschifffahrt nicht Halt. In[ds_preview] dieser Branche dürften die meisten Akteure auf niedrigschwefeligen Kraftstoff setzen, um die strengeren Grenzwerte einzuhalten. Scrubber gelten als nicht unbedingt ausreichend rentabel für die betriebenen Schiffsgrößen, eine ausreichende Verfügbarkeit des dafür genutzten herkömmlichen Kraftstoffs auch in kleineren Häfen der Welt wird angezweifelt, LNG-Antriebe sind eine quasi nicht-betrachtete Option.

Hoffnung auf Verschrottung

Auch in dieser Branche kann niemand in die Technologieglaskugel schauen, aber eins ist den Augen vieler Beteiliger relativ klar: Die nicht mehr ganz junge MPP-Flotte dürfte ausgedünnt werden, wenn ältere Tonnage verschrottet oder anderweitig aus dem Markt genommen wird – mit entsprechenden Folgen für die Verfügbarkeit von Schiffen und damit für die Raten. So ist zumindest die Hoffnung.

Ein Blick auf die Zusammensetzung der weltweit betriebenen Flotte mit mindestens 100t kombinierter Krankapazität offenbart Potenzial. So macht der Hamburger Makler Toepfer Transport einen Anteil von 20,4% der Tonnage aus, der über 15 Jahre alt ist. Das sind rund 270 von 1.011 Schiffen. 7% der Tonnage sind laut dem Marktbericht sogar älter als 20 Jahre.

Das Orderbuch lag zuletzt bei lediglich 26 MPP-Frachtern, es macht damit nur 2,37% der fahrenden Flotte aus.

Weit unsicherer als der Modernisierungsbedarf ist ein mindestens ebenso viel diskutierter Faktor: die Entwicklung der Weltwirtschaft. Es geht um Handelsbarrieren, Projekt- und Industrieinvestitionen und den Ölpreis. Floriert die Wirtschaft, wird die MPP-Schifffahrt für den Auf- oder Ausbau von Industrien und Infrastrukturen benötigt, besagt die Faustregel. Zwar sei positiv zu bewerten, so die Toepfer-Analyse, dass sowohl Chinas Afrika-Initiative als auch der wieder anziehende Öl-/Gas-Markt die Nachfrage ankurbeln dürften und viele Indikatoren in eine gute Richtung zeigen.

Angesichts der regional- und weltpolitischen Unsicherheiten gibt es jedoch einen Schleier, den niemand zu lüften weiß. Also müssen sich die Carrier flexibel aufstellen, auch in Bezug auf Tramp- und Liniendienste. Ähnliches gilt für den Ladungsmarkt »Wind/Öl/Gas«, dem viele Beobachter erneut großes Potenzial bescheinigen und der für eine gewisse Flottenauslastung sorgen könnte. Angesichts der Entwicklung erwartet man bei Toepfer Transport allerdings auch höhere Preisvorstellungen der Werften.

Wie gehen die Betreiber diese Herausforderung an? Es gibt rund 100 Carrier, die Top 20 kontrollieren 60% der Tonnage bzw. 90% der Schiffe. Die HANSA hat beispielhaft mit einem »Großen«, einem nicht zuletzt durch Fusionen und Übernahmen aufstrebenden sowie einem relativ jungen Akteur gesprochen: BBC Chartering aus Leer, Zeamarine als »Summe« von Zea­born, Intermarine und Rickmers-Linie sowie dship. BBC ist weiter Marktführer. Zea­marine ist mittlerweile auf Rang 4 vorgerückt – in beiden Segmenten. Es wird sich zeigen, wie weit das Wachstum geht.

20 % Wachstum bei BBC

Bei BBC aus der Reedereigruppe Briese sieht man ein »gemischtes Bild« auf dem Frachtenmarkt. »Während die Buchungsvolumina aus Europa und Nordamerika sich eher schwach und verhalten entwickelt haben, haben sich insbesondere der asiatische und südamerikanische Markt nachfrageseitig stark entwickelt«, sagt CEO Svend Andersen. Im Augenblick sei es schwer, weiter als zwei bis drei Monate in die Zukunft zu sehen. Das Nachfragewachstum werde aus Asien dominiert, bleibe aber stark Spot­-orientiert.

Im Markt für Komponenten der Offshore-Wind-Industrie sind die Aktivitäten der Leeraner noch übersichtlich. »Der Grund liegt allerdings ganz simpel darin, dass die meisten Projekte derzeit im Nordseeraum erfolgen und zumeist mit Shortsea-Tonnage bedient werden. Diese ist in diesem Markt wesentlich ökonomischer einzusetzen als unsere Schwergutschiffe oder unsere MPP-Tonnage«, so Andersen. Wenn das Exportgeschäft mit diesen vergleichsweisen großen und schweren Offshore-Komponenten in Gang komme, werde es auch für die BBC-Flotte interessanter. Insgesamt nimmt Offshore lediglich einen niedrigen einstelligen Prozentbereich bei BBC ein, inklusive des Öl- und Gas-Geschäfts.

Als »Befrachter und kundenorientierter Dienstleister« konnte der Carrier in den ersten Monaten des Jahres rund 20% mehr Tonnagekapazität im Markt anbieten. Entsprechend sei auch das Wachstum des Geschäfts ausgefallen, bei einer leichten Steigerung der Tonnage-Produktivität.

Das Liner-Geschäft entwickelt sich laut Andersen »durchweg positiv«. Der CEO führt das auf die gute Marktentwicklung in Südamerika zurück sowie auf die 2018 gestartete Kooperation mit Seabord Marine für den Andino Service. Neue Liniendienste will man sich bei BBC offenhalten. Wo neue Kontrakte gewonnen werden, bilde dies oft die Grundlage dafür. So wird seit Mitte letzten Jahres ein Service vom Persischen Golf nach Neuseeland betrieben.

Zeamarine auf neuen Pfaden

Zeamarine, das neue Joint Venture von Zeaborn (Bremen) und Intermarine (Houston), ist mittlerweile offiziell an den Start gegangen, mit 85 Schiffen und 300 Mitarbeitern, davon rund 80 in Deutschland. Fusioniert wurden die operativen Einheiten der Rickmers Line, von Zeaborn Chartering und die Befrachtungsabteilung von Intermarine. Während hinter Zeaborn der Bremer Bauunternehmer Kurt Zech und seit der Rickmers-Übernahme als Minderheitsgesellschafter auch Bertram Rickmers stehen, ist bei Intermarine die US-Investmentgesellschaft New Mountain Capital der Hauptgesellschafter.

Zeamarine-CCO Dominik Stehle, erst kürzlich von der deugro-Gruppe gewechselt, sieht den Ladungszugang des neuen Carriers durch die Buchungsbüros in den Regionen Americas, Europa, Middle East und Asien gut aufgestellt: »Natürlich gibt es Märkte, wo der Zugang noch nicht so ist, wie wir ihn haben wollen, aber wir werden das schaffen.« Zeamarine will sich auf Regionen fokussieren, in denen man stark ist, »also Europa, Asien, Mittlerer Osten sowie Nord- und Südamerika«. Mit einer wachsenden Flotte müsse man sich allerdings auch neue Märkte anschauen.

Nach einem Frachtratenwachstum von 20% im Jahr 2018 gab es – »erwartungsgemäß« – einen verhaltenen Start im neuen Jahr, sagt Stehle. Er blickt dennoch nicht unzuversichtlich in die Zukunft: »Die US-Wirtschaft steht besser da als vor zwei Jahren. Im Öl/Gas-Markt gibt es viele Projekte. Das ist jedoch ein zweischneidiges Schwert: Wir gehen voll rüber, müssen aber mit schlecht zahlender Ladung wieder weg. Die Zeiten, in denen Amerika einen starken Export hatte, sind vorbei. Was momentan gut zahlt, sind Export-Ladungen aus Asien.« Bei Zeamarine sieht man aktuell viel Ladung für die LNG-Industrie, speziell in den USA, aber auch weltweit.

Den Windmarkt will der neue CCO nicht mehr an einem Trade festmachen. Die Produktion hat sich verlagert, mittlerweile wird auch in Asien produziert. Im Onshore-Bereich sind seiner Ansicht nach die USA ein Wachstumsmarkt. »In den nächsten zwei Jahren werden viele Projekte laufen, wir sprechen von Millionen von Frachttonnen. Asien sowie Nordamerika sind Wachstumsmärkte für Offshore-Wind«, sagt Stehle.

Das neue Joint Venture transportiert bereits jetzt viel Ladung für die Minen- und die Ölindustrie in Südamerika. Die Entscheidungen für diese Ladung werden überwiegend in Nordamerika getroffen. Hier zahle sich die neue Konstellation aus: »Durch Intermarine hat man ein starkes Setup dafür gekauft«, so Stehle weiter.

Die Aufstellung in neuer Konstellation ist stets zeit- und arbeitsintensiv. Das gilt auch für Zeamarine, wie er bestätigt: »Wir hatten eine Reihe von Übernahmen und Fusionen, da hat man natürlich mit Grundproblemen zu kämpfen.« Diese sollen allerdings schon zeitnah der Vergangenheit angehören. Zudem muss nicht zwangsläufig Schluss sein in der Entwicklung: »Wir haben keine Altlasten und uns stehen finanzielle Mittel zur Verfügung, die andere eventuell nicht haben. Was wir nicht ausschließen, ist weiteres Wachstum, wir warten auf geeignete Möglichkeiten.«

Das Ziel ist, über Flottenwachstum den Marktanteil zu erhöhen. Zeamarine will nach wie vor eine kritische Größe von 100 Schiffen erreichen. Als ein Mittel gilt den Verantwortlichen, mit mehrjährigen Charterverträgen jetzt dafür die Weichen zu stellen und zusätzlich den Anteil der eigenen Schiffe zu erhöhen.

Stehle erwartet, dass durch »IMO 2020« die Frachtraten signifikant steigen, weil das Ausscheiden älterer Tonnage ein verändertes Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach sich ziehen wird. »Dies hat momentan zur Folge, dass große COAs getendert werden. Das haben wir in den vergangenen Jahren eher wenig gesehen. Auf Basis großer COAs können wir uns vorstellen, weitere Linien aufzusetzen. Aber wir haben auch viele Schiffe im Tramp-Bereich, die wir beschäftigen müssen. Wir müssen also gut überlegen, wie wir unsere Tonnage in der Zukunft einsetzen werden.« Aktuell betreibt Zeamarine rund 20% der Tonnage im Liniendienst.

Mit dem Zukauf von Rickmers und Intermarine gebe es eine neue Konstellation, weil beide Firmen Linien betrieben hätten. »Wir können diese Dienste verbinden, etwa den Round-the-world-Dienst mit dem Zentral- und Südamerika-Dienst«, sagt Stehle und verweist auf das eigene Terminal im US-Hub Houston, durch das auch kleinere Parcels leichter beziehungsweise günstiger von Asien nach Südamerika verschifft werden können.

Besonders wichtig ist dem neuen CCO, das eigene Geschäft moderner zu strukturieren: »Entscheider und die Art, wie Dienstleistung eingekauft wird sowie Kundenanforderungen verändern sich stetig. Der Kunde muss im Zentrum unseres Handelns stehen. Aufgrund dieser Veränderungen wollen wir neue Dinge ausprobieren und zum Teil auch mit Traditionen brechen. Das sage ich auch, weil ich lange auf der anderen Seite saß.« Ohne Details preiszugeben sagt er, es gehe um Zusatzleistungen oder darum, wie man sich in gewissen Märkten präsentiere. »Da stelle ich vieles in Frage. Die Prozesse kann man vereinfachen, da sind uns andere Branchen voraus. Wenn unser Geschäftsmodell darauf basiert, dass der Markt besser wird, sind wir auf verlorenem Posten. Wir müssen in erster Linie auf uns selbst schauen und unseren Kunden ganz genau zuhören.«

Ersehnte Verstärkung bei dship

»Uneingeschränkt positiv« ist der Ausblick für die kommenden Monate und das Jahr 2020 beim 2014 gegründeten Carrier dship aus der Unternehmensgruppe von Thomas Press und seiner Familie. Global Vice President Lars Feller sieht einen »insgesamt stabilen Start« in das Jahr 2019. Man habe allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. »Bereits zum jetzigen Zeitpunkt entwickeln sich einige Projekte, an denen dship, so hoffen wir, partizipieren wird«, so Feller.Nach wie vor machen Windkomponenten einen bedeutenden Teil der transportierten Ladung aus. Tatsächlich habe man den Kundenstamm in diesem Segment in den letzten Monaten kontinuierlich ausbauen können. Auch für den weiteren Verlauf 2019 und 2020 erwartet er für diese Ladungsart einen anhaltenden Aufwärtstrend.

Die positive Entwicklung schlägt sich in den dship-Planungen für die eigene Flotte nieder. Semi-Liner- und Trampbereich entwickeln sich »äußerst positiv«, heißt es. Dies sei vor allem dadurch bedingt, dass man in den letzten Jahren sowohl Direktkunden als auch Spediteure als Kunden habe gewinnen können. In Anbetracht der Projekte für die nächste Zeit ist die Erwartung bei Feller und seinem Team für die kommenden Monate ähnlich. »Unsere Schiffe sind so gut ausgelastet, dass wir bereits vor einigen Monaten mehrere Neubauten des F-500-Typs in China bestellt haben. Die ersten beiden Einheiten werden nun ausgeliefert und unsere Flotte bekommt die lang ersehnte Verstärkung«, sagt Feller. Zwei weitere Neubauten desselben Typs folgen im nächsten Jahr. »Ein Ausbau unserer Flotte – ganz gleich, ob durch weitere Neubauprojekte oder Secondhand-Tonnage – wird auch in Zukunft ein Thema bleiben«, bestätigt der Global Vice President.

Das Warten auf die Banken

Von den Plänen der Carrier könnten auch deutsche Schiffseigner profitieren. Einerseits zur Realisierung von Neubau- oder S&P-Projekten. Andererseits gibt es für diese Reeder nun einen weiteren potenziellen Charterer, was ihre Marktposition, so die Hoffnung, verbessert. So kooperiert dship etwa mit Reedereien wie HS Schiffahrt und Foroohari.

Mit Spannung wird in der Branche auf die Entwicklung der Kreditportfolios der schiffsfinanzierenden Banken geschaut, mit deren Schicksal die in Deutschland stark vertretene Branche der nicht-operativen Eigner von MPP-Schiffen verknüpft ist. Viele sorgen sich um die Zukunft ihrer Flotten. Die NordLB hatte jüngst offiziell bestätigt, sich aus der Schifffahrt zurückzuziehen. Werden ihre Schiffskredite an Investoren verkauft oder gar verscherbelt? Was machen die neuen Eigner der Kredite? Verkaufen sie zu Preisen unter Marktniveau und erzwingen sie damit quasi von außerhalb eine Verschiebung innerhalb der traditionellen Struktur der MPP-Schifffahrt? Diese Fragen sind bislang weitestgehend unbeantwortet.

Regionale Verbänder und der nationale deutsche Reederverband forderten bereits einen verantwortungsvollen Umgang von den Banken ein. Ob diese sich angesichts ihrer eigenen schwierigen Lage daran orientieren, ist keinesfalls sicher, es darf sogar bezweifelt werden.

Die Preise für gebrauchte Tonnage haben sich zuletzt nur wenig verändert. Kostete ein zehn Jahre alter 9.000-Tonner mit 120 oder 160t Krankapazität im Oktober 2018 noch 6,75Mio. $, waren es zu Jahresbeginn 7Mio. $. Das Preisniveau für den klassischen F-Typ (12.500tdw – 240/360t Krankapazität) lag laut Toepfer Transport bei 7,75Mio. $, nach 6,75Mio. $ im Herbst des Vorjahres. Der Preis für einen 30.000-Tonner blieb stabil bei 12Mio. $. Insgesamt seien die Preise noch immer auf niedrigem Niveau, allerdings erwartet man steigende Preise durch weniger Zulauf und größere Nachfrage.

Es herrscht Unruhe in der deutschen MPP-Schifffahrt, sowohl auf Operator- als auch auf Eigner-Seite. Die Insolvenz der Reederei Hansa Heavy Lift hat dazu ebenfalls beigetragen. Eigner und US-Finanzinvestor Oaktree hatte die Reißleine gezogen und kein Kapital mehr zur Verfügung gestellt. Dabei hätte es auch andere Optionen gegeben. Nach Informationen der HANSA hatte das HHL-Management dem Eigner vorgeschlagen, die verschuldeten Schiffe von den Banken zu kaufen, um Kreditkosten zu sparen. Die Amerikaner lehnten allerdings ab. Man fand schließlich einen anderen Interessenten, mit der Commerzbank soll man sich einig gewesen sein. Es scheiterte allerdings an der Frage, wer die ausstehenden Bunkerschulden begleicht.

Oaktree hätte sogar zugestimmt, HHL abzugeben, indem die Schiffe verkauft und neu finanziert worden wären. Auch eine Auflösung der Reederei und eine Eingliederung des Operations-Geschäfts bei anderen Carriern galt als ernstzunehmende Option. Ein Großteil der HHL-Flotte, insgesamt zehn Schiffe, ist nach langen Verhandlungen mittlerweile bei der niederländischen Spliethoff-Gruppe gelandet.