Die norddeutschen Länder, Wirtschaft und Verbände fordern schon länger eine

Anhebung der Ausbauziele für Offshore-Wind, nun bewegt sich etwas. Vor allem die Situation an Land erweist sich aber noch als Hemmschuh, schreibt Felix Selzer

Mindestens 20 GW bis 2030 und 35 GW bis 2035 will die Branche als neue Ausbauziele, der Bund bewegt sich nun offenbar[ds_preview] in diese Richtung. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist bisher festgelegt, dass der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2025 40 bis 45%, bis zum Jahr 2035 55 bis 60% und bis zum Jahr 2050 mindestens 80% betragen soll. Im Koalitionsvertrag 2018 haben sich CDU, CSU und SPD auf eine Erhöhung des Ziels für erneuerbare Energien im Strombereich geeinigt. Im Jahr 2030 sollen 65% des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen stammen. Im Jahr 2020 dürfte die installierte Leistung bei Offshore-Windenergie bei bis zu 7.700 MW liegen, schätzt das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Der Ausbaupfad gemäß EEG sieht für das Jahr 2030 einen Anstieg auf 15.000 MW vor – zu wenig, um die Zielvorgabe für 2030 zu umzusetzen. »Um das 65-%-Ziel im Jahr 2030 zu erreichen, wird derzeit im Rahmen der Arbeitsgruppe ›Akzeptanz‹ im Bundestag über den dabei notwendigen Beitrag der Offshore-Windenergie diskutiert. Eine Entscheidung dazu steht noch aus«, teilt das Ministerium auf Anfrage der HANSA mit. Kürzlich hatte auch Staatssekretär Thomas Bareiß eine Anhebung der Ausbauziele in Aussicht gestellt.

Ursprünglich hatte der Bund den Ausbau der Offshore-Windenergie gedeckelt, um die Kosten der Energiewende besser kontrollieren zu können. Nun dreht sich offenbar der Wind. So hätten die letzten Ausschreibungen über die Vergütungshöhe deutlich gemacht, dass die erforderliche Förderhöhe für die Offshore-Windenergie in den kommenden Jahren sinken werde. Auch im Bereich der Offshore-Netzanbindungen sehe man »deutliche Kostensenkungspotenziale«.

Flaschenhälse liegen an Land

Die Anhebung der Ausbauziele bei Wind auf See berge Chancen, bringe aber auch Herausforderungen mit sich, so das BMWi. So müssten alle Offshore-Windenergieparks rechtzeitig an das Stromnetz angeschlossen werden. Die Planung, die Genehmigung und der Bau der Offshore-Anbindungsleitungen sei ein zeitaufwendiger und sehr komplexer Prozess. Zum Beispiel sei bei einer Erhöhung der Ausbauziele darauf zu achten, dass die Offshore-Anbindungsleitungen und die nötigen landseitigen Netzverstärkungs- und Ausbaumaßnahmen rechtzeitig fertiggestellt würden. »Insgesamt sind bei der Erhöhung der Ausbaupfade die langen Vorlaufzeiten zu berücksichtigen, mit denen wir es bei der Windenergie auf See zu tun haben«, heißt es.

Mit dem NABEG 2.0 (Netzausbaubeschleunigungsgesetz) sollen nun Ausbau und Optimierung der Stromnetze beschleunigt werden. Leitungen entlang bestehender Trassen können durch den Verzicht auf Bundesfachplanung und Raumordnungsverfahren künftig schneller geplant werden. Es gibt zudem die Möglichkeit, Leerrohre für künftigen Bedarf einzuplanen. Für Zu- und Umbeseilungen bei bestehenden Masten oder Freileitungsmonitoring gilt künftig ein kurzes Anzeigeverfahren, wenn u.a. Grenzwerte für elektromagnetische Felder eingehalten werden. »Die Energieminister von Bund und Ländern haben zusammen mit der Bundesnetzagentur und den Übertragungsnetzbetreibern ambitionierte und realistische Zeitpläne für jedes Vorhaben beschlossen; mit diesem vorausschauenden Controlling können absehbare Verzögerungsrisiken früher erkannt und die entsprechenden Gegenmaßnahmen rechtzeitig beschlossen werden«, sagt das BMWi.

O.K. auch ohne Anschluss

Immer mehr an Gewicht gewinnt das Thema »Power to X« – die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe oder zur Speicherung überschüssiger Energie in Form von Wasserstoff. Auch der Maritime Koordinator der Bundesregierung legt einen Fokus darauf, unter anderem mit dem Förderprogramm »Maritime.Green.Propulsion«.

Hier habe der Gesetzgeber Ende letzten Jahres mit entsprechenden Änderungen im Rahmen des Energiesammelgesetzes beschlossen, dass Windparks auf See in Zukunft auch dann geplant und genehmigt werden könnten, wenn sie nicht an das landseitige Netz angeschlossen würden, erklärt das BMWi. Damit würden Investoren in Zukunft in die Lage versetzt, entsprechende Windparks zu planen, deren Strom zum Beispiel für die Erzeugung von Wasserstoff verwendet werde. Die Nutzung von Offshore-Strom sei für die heimische Produktion »grünen« Wasserstoffs eine Option. »Offshore hat vergleichsweise hohe Volllaststunden. Dies könnte zu einer hohen Auslastung des Elektrolyseurs beitragen und damit die Kosten senken. Ziel des BMWi ist es, die Fortsetzung der erfolgreichen Entwicklung der Windenergie auf See zu unterstützen und die Voraussetzungen zu schaffen, ihre Innovationspotenziale zu heben, etwa in der Sektorkopplung«, heißt es.

Letztlich gehe es darum, Windenergie auf See als einen zentralen Eckpfeiler bei der zukünftigen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu etablieren

Nach Angaben des Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) kommt der Ausbau der Windenergie im Jahr 2019 noch nicht auf Touren. Nach einer aktuellen Auswertung des Marktstammdatenregisters (MaStR) der Bundesnetzagentur (BNetzA) waren seit Januar 2019 bis Mitte Juni 42 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von 252 MW neu in Betrieb genommen worden. Die Anlagen gehören alle zum Nordseeprojekt »Merkur-Offshore«. Onshore tendiere der Ausbau aktuell gegen null. Bislang seien 2019 insgesamt lediglich 74 Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 240 MW neu in Betrieb genommen worden.

Schon im Jahr 2018 hatte sich IWR-Angaben zufolge der Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland verlangsamt. im vergangenen Jahr wurden demnach etwa 140 Offshore-WEA mit einer Leistung von rd. 970 MW neu ans Netz angeschlossen. Nach dem Anstieg im Jahr 2017 auf etwa 1.250 MW entspricht das einem Rückgang von etwa 20%. Insgesamt sind jetzt insgesamt etwa 1.300 Offshore-WEA mit einer Gesamtkapazität von mehr als 6.350 MW am Netz. Zusammen haben die Offshore-Windparks in Deutschland nach vorläufigen Daten der Übertragungsnetzbetreiber im Jahr 2018 rund 19Mrd. kWh Strom eingespeist, rund 10% mehr als im Vorjahr.
Felix Selzer