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An der deutschen Küste stehen weiterhin mehrere Standorte im Wettbewerb um den Bau des ersten deutschen LNG-Terminals. Die Genehmigungsverfahren werden allerorten vorbereitet oder laufen schon – die Spannung steigt.

Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade sind es, die an der Nordseeküste die Ersten beim LNG-Import sein wollen. Um letzteren Standort[ds_preview] ist es vergleichsweise ruhig, hinter den Kulissen werde aber umso intensiver an der Umsetzung des Vorhabens gearbeitet, erklärt Manfred Schubert, einer der Geschäftsführer der Projektgesellschaft Hanseatic Energy Hub (ehemals LNG Stade). Gesellschafter sind die Buss Group aus Hamburg und neben Schubert eine weitere Privatperson, ebenfalls aus dem Energiebereich.

»Wir setzen nicht jede Verhandlung in die Presse. Wir haben ein großes Team auf der technischen und der Verkaufsseite, das im Hintergrund arbeitet. Wir werden noch früh genug in die Presse kommen, nämlich dann, wenn wir das Genehmigungsverfahren beginnen«, sagt Schubert.

Geplant ist in Stade ein Onshore-Terminal mit einer Regasifizierungskapazität von jährlich 8Mrd. m3, das entspricht 10% des deutschen Gasmarktes. Zwei Lagertanks mit je 200.000m3 sollen gebaut werden, dazu eine Regasifizierungseinheit und der Anschluss ans Erdgasnetz. Zudem erklärt Schubert: »Wir wollen ein Mobilitätsterminal bauen. Die Häfen werden getrennt, wir werden einen Hafenneubau haben für Großschiffe zum Import und wir werden den vorhandenen Hafen umbauen, sodass wir Bunkerschiffe beladen können – ein Vorteil: wir brauchen keine seegängigen Schiffe, die nach Hamburg fahren.« Auch wegen der kurzen Distanz zu Hamburg und der in der Folge hohen Umschlagrate zwischen den Standorten sieht er einen deutlichen Kostenvorteil. »Wir rechnen uns aus, dass wir Marktführer im LNG-Bunkerbereich Hamburg werden«, sagt er. Flüssiggas wird in Stade bereits heute für den Chemiekonzern Dow Chemical umgeschlagen.

Für das »Scoping« zum Start des Genehmigungsverfahrens stellen die Stader derzeit die Unterlagen und Zusatzgutachten (Fauna, Flora, Sicherheit etc.) zusammen. »Wir werden bis Ende nächsten Jahres die kompletten Unterlagen für den Hafen und das Terminal einreichen. Einige Gutachten müssen über den Zeitraum von einem Jahr laufen – die haben wir schon alle losgetreten«, sagt Schubert. Er rechnet mit einem Jahr Genehmigungszeitraum, dann läge ein O.K. 2021 vor, Ende 2024 wäre Betriebsstart.

Wilhelmshaven setzt auf FSRU

In Wilhelmshaven soll ein schwimmendes Terminal in Form einer Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) mit etwa 263.000m³ Speicherkapazität zum Einsatz kommen. Die geplante jährliche Regasifizierungskapazität liegt bei 10Mrd. m3. Der Energieversorger Uniper hat dabei die Rolle des Projektinitiators, ihre Tochter LNG Terminal Wilhelmshaven (LTW) fungiert als Projektierungsgesellschaft und mögliche spätere Betreiberin des Terminals. Projektpartner Mitsui O.S.K. Lines (MOL) beabsichtigt, die FSRU zu erwerben, zu betreiben und zu finanzieren.

Aktuell arbeite LTW an den Genehmigungen, heißt es auf Anfrage der HANSA. Mitte November stellte Uniper/LTW das Projekt mit einer ersten Bürgerinformations- und Dialogveranstaltung der Öffentlichkeit vor. Die nächsten Schritte sehen eine weitere Informationsveranstaltung im ersten Quartal 2020 und die Einreichung aller notwendigen Genehmigungsunterlagen im 2. Quartal 2020 vor. Vorbehaltlich der Erteilung dieser Genehmigungen könnte die Anlage 2023 in Betrieb gehen.

Seit Mai 2019 erkundet LTW das Interesse der Marktteilnehmer. Der Open-Season-Prozess ist noch nicht abgeschlossen. »Nach wie vor wird mit interessierten Marktteilnehmern über die langfristige Buchung von Kapazitäten im Terminal gesprochen. Das Interesse ist sehr groß, über aktuelle Interessenten kann aus Wettbewerbsgründen leider keine Auskunft gegeben werden«, heißt es.

Die FSRU-Lösung kommt auch im litauischen Klaipeda zur Anwendung. Seit 2014 liegt dort die für diesen Zweck in Korea gebaute und von Höegh LNG gecharterte »Independence«. Der Name des Schiffs verrät es bereits: die FSRU soll Litauens Abhängigkeit vom russischen Pipelinegas reduzieren.

Brunsbüttel vor nächstem Schritt

In Brunsbüttel arbeitet German LNG Terminal, ein Joint Venture der niederländischen Gasunie LNG und Vopak LNG und der Marquard & Bahls-Tochter Oiltanking an der Realisierung eines Terminals. Es soll einen Durchsatz von 8 Mrd. m³ im Jahr ermöglichen, über zwei Tanks mit 240.000m3 und über zwei Jetties für 2Qmax- und LNG-Bunkerschiffe verfügen. Die Dienstleistungen umfassen das Be-und Entladen von LNG-Tankern, die Speicherung von LNG, die Regasifizierung, Einspeisung ins deutsche Gasnetz und die Distribution durch Tankkraftwagen und LNG-Kesselwagen. Im Hinblick auf den Bunkermarkt führt man die strategisch günstige Lage an der Elbe und der Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal in Feld.

»Wir sind kontinuierlich und intensiv im Gespräch mit den wesentlichen Beteiligten vor Ort aus Politik, lokaler und regionaler Wirtschaft sowie natürlich den Genehmigungsbehörden. Zudem haben wir im Februar dieses Jahres eine frühzeitige Bürgerbeteiligung durchgeführt, und zwar mit den Kritikern unseres Projektes. Dies ist auf großes Interesse bei der Bevölkerung gestoßen, die dem Projekt mehrheitlich positiv gegenübersteht«, sagt Sprecherin Katja Freitag. Der Bau soll, wenn die notwendigen Genehmigungen vorliegen, 2020 beginnen, sodass das Terminal Ende 2022 in Betrieb gehen könnte. Anfang des Jahres startete das Scoping. Weitere Schritte stünden in Kürze an, sagt Freitag.

Neben dem Abschluss von Kapazitätsverträgen mit dem Energiehandelsunternehmen Axpo im Mai und RWE im September 2018 startete Ende Oktober 2019 die Erkundung des Interesses von Marktteilnehmern. Freitag bestätigt ein »massives kommerzielles Interesse«. Zudem wurde der Präqualifizierungsprozess für einen Generalunternehmer abgeschlossen. »Auch in diesem Verfahren ist in den kommenden Wochen eine Entscheidung zu erwarten«, sagt Freitag.

Die Brunsbütteler müssen etwa 60km bis zum Anschluss an das Gasnetz überbrücken, in Wilhelmshaven müssen 30km durchquert werden. Hier sieht Schubert von Hanseatic Energy Hub Stade im Vorteil, weil man über eine eigene Trasse bis auf weniger als 2km an das Gasnetz herankommt.

Rostock pirscht sich vor

Ob das erste LNG-Terminal in Deutschland an der Nordsee gebaut wird, ist noch offen. Denn mit Rostock hatte sich im vergangenen Jahr überraschend ein Ostseestandort ins Gespräch gebracht. Hier soll ein stationäres mittelgroßes LNG-Terminal mit einer Umschlagkapazität von rund 300.000t pro Jahr für den Umschlag auf Lkw und für Maritime-Kunden wie Fähren und Bunker-Barges entstehen. Der Nettoinhalt des atmosphärischen Tanks beträgt den Plänen zufolge 35.000m3. An vier Lkw-Ladebuchten könnten bis zu 60 LNG-Tankwagen pro Tag beladen werden. Ein Netzanschluss ist nicht vorgesehen.

Rostock LNG ist ein Joint Venture des russischen Energiekonzerns Novatek und der belgischen Fluxys LNG. »Novatek sieht eine sehr gute Perspektiven für die Verwendung von LNG als Schiffskraftstoff und Ersatz für Heizöl und Diesel«, sagt Winfried Krüger-Sprengel, Geschäftsführer von Rostock LNG. Im April hat die Novatek-Erdgasverflüssigungsanlage Cryogas-Vysotsk die Produktion von LNG begonnen. Die Jahresproduktion dieses ersten mittelgroßen LNG-Projekts im Ostseeraum von 600.000t wird im Wesentlichen per Schiff an Kunden im Ostseeraum geliefert. Das verschaffe Rostock LNG den Vorteil kurzer Transportwege. Die anderen deutschen Projekte zielten aber ohnehin auf andere regionale Märkte, sagt Krüger-Sprengel zur Wettbewerbssituation. Ein vielfältiges des Angebots unterstütze die Entwicklung des LNG-Marktes. Das Terminal-Design ist festgelegt und der BImSchG-Genehmigungsantrag wurde Mitte 2019 gestellt, berichtet Krüger-Sprengel. »Die Baugenehmigung wird bis Mitte 2020 erwartet. Der Baubeginn ist für Mitte 2020 geplant. Das Terminal soll Anfang 2023 voll funktionsfähig sein.«

Noch ein Blick in die Nachbarschaft: In Swinoujscie baut Polskie LNG das LNG-Terminal »Lech Kaczynski« aus. Die Regasifizierungskapazität soll um 50% auf 7,5Mrd. m3 pro Jahr steigen. Dazu müssen die Umschlaganlagen mit EU-Förderung ausgebaut werden, es soll einen dritten Tank geben und eine Vorrichtung zur Verladung von LNG auf die Bahn.

Die Terminals in der Nachbarschaft sieht man bei den deutschen Planern nicht als Konkurrenz. »Das polnische Terminal ist wichtig für die Landesversorgung. Es ist politisch initiiert, um eine gewisse Unabhängigkeit von russischem Gas zu sichern«, sagt Ulrich Schilling von der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung (WHV). Letzteres ist auch nicht zuletzt in Deutschland einer der Treiber des gesteigerten politischen Interesses. Die Abhängigkeit vom russischen Gas ist groß, ebenso wie die Kritik am Pipeline-Projekt Nordstream 2.
Felix Selzer