Wie lassen sich Nutzung und Schutz der Meere auf nachhaltige Weise miteinander vereinbaren? Antworten will der »Ocean Technology Campus« liefern, der in Rostock entsteht. Herzstück wird ein Unterwassertestfeld sein.

Die Leistungsfähigkeit Deutschlands im Bereich der maritimen Technologien stärken und Forschungsergebnisse schnell in die Anwendung überführen, um die Balance zwischen[ds_preview] Nutzung und Schutz der Meere aktiv mitzugestalten: Das haben sich die Verantwortlichen des »Ocean Technology Campus« (OTC) in Rostock vorgenommen. Nachdem im Sommer der symbolische Startschuss für das Projekt gefallen ist, werden aktuell die planerischen und rechtlichen Voraussetzungen zur Umsetzung auf dem Gelände des Rostocker Fracht- und Fischereihafens geschaffen. Ziel ist es, dort ein produktives Umfeld zu schaffen. Spezialisierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen sollen voneinander profitieren und die Möglichkeit erhalten, im gemeinsamen Schulterschluss Unterwassertechnologien der nächsten Generation zu entwickeln.

Zu den Treibern des Projekts gehört das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, das bereits am Standort Rostock vertreten ist und schon bald mit einer interdisziplinären Forschergruppe auf dem Campus-Gelände einziehen wird. »Nutzung der Meere bedeutet immer auch einen Eingriff in die Natur, aber den kann man so oder so gestalten«, betont IGD-Standortleiter Uwe Freiherr von Lukas (s. nebenstehendes Interview). »Unser Anspruch ist, dass wir diese Verträglichkeit deutlich steigern, und da kann Forschung und Entwicklung einen großen Beitrag leisten.«

Herzstück des OTC wird ein Unterwassertestfeld in der Ostsee sein: Das »Digital Ocean Lab« (DOL) soll rund um das vor 16 Jahren für die Fischereiforschung erbaute künstliche Riff vor Nienhagen entstehen und auf einigen hundert Hektar mit mehreren Unterwassergärten verschiedene Anwendungsgebiete der Unterwassertechnik abdecken – von der Kabelortung über die Wartung von Offshore-Bauwerken oder die Pilotenausbildung von ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen bis hin zum Umgang mit Munitionsaltlasten. »Im DOL können Forschung und Industrie gleichermaßen ihre Entwicklungen unter realen Bedingungen strukturiert testen«, erläutert von Lukas. Der Bedarf an solchen Testmöglichkeiten sei immens. Zwar werde es eine Weile brauchen, die Gärten wie geplant komplett einzurichten: Erste Projekte sollen aber schon ab Frühjahr 2020 möglich sein.

Positionspapier zeigt Chancen

Eine Forschungsdisziplin allein stößt bei der Entwicklung von Meerestechnik schnell an ihre Grenzen: Bereits vor drei Jahren hat sich daher das Kompetenznetzwerk »Subsea@Fraunhofer« gegründet, das Erfahrungen und Kompetenzen im Bereich der Unterwassertechnik von insgesamt 13 Fraunhofer-Instituten und Einrichtungen bündelt. Mit an Bord sind Experten aus unterschiedlichen Bereichen, unter anderem aus IT, Elektronik, Robotik, Aquakultur, Material- und Ingenieurwissenschaften sowie Energie- und Sensortechnik. Aus dem Kreis dieses Netzwerks ist kürzlich das Positionspapier »Smart Ocean Technologies – Lösungen für eine verantwortungsvolle Nutzung der Meere« hervorgegangen. Darin werden unter anderem Potenziale für Industrie- und Forschungsprojekte aufgeführt: so zum Beispiel eine drahtlose Breitbandkommunikation über große Entfernungen, zuverlässig über lange Zeit im Wasser funktionierende Fahrzeuge oder flächendeckender Zugang zu Energie.

Darüber hinaus präsentiert das Papier verschiedene Handlungsempfehlungen wie eine intensivierte Forschung und Entwicklung im Bereich der Unterwassertechnik, den Ausbau von Test- und Erprobungsmöglichkeiten, eine europäische Partnerschaft für den Tiefseebergbau und die Einführung internationaler Standards für Unterwassermissionen. Das Fazit der Forscher: »Nehmen die deutsche Industrie und die deutsche Forschungslandschaft gemeinsam die Herausforderungen, die mit der zunehmenden Ozean-Nutzung einhergehen an, besteht die reale Chance, in diesem Wachstumsmarkt einen langfristigen Wettbewerbsvorteil erringen zu können.«
Anne-Kathrin Wehrmann