Mit der »Bibby WaveMaster Horizon« nehmen Siemens Gamesa und der Energiekonzern EnBW ein neues Schiff in Betrieb, das maßgeblich zur weiteren Kostensenkung von Offshore-Windstrom beitragen soll.

Der Windpark-Versorger, den die beiden Unternehmen gemeinsam für zehn Jahre von Bibby Marine Services gechartert haben, kommt bei der[ds_preview] Wartung des größten deutschen Windparks zum Einsatz. Das von Damen Shipyards Galati in Rumänien gebaute Schiff fährt künftig von Emden aus in die Nordsee zu den Windparks »Hohe See« und »Albatros«.

Das 90m lange ASV 9020 wurde von Damen entwickelt, um die spezifischen Bedürfnisse der Offshore-Industrie im Hinblick auf eine effiziente und kostengünstige Wartung von Windparks zu erfüllen. Es kombiniert Walk-to-work-Fähigkeiten mit einem innovativen Innenraum und Funktionen, die zusammen eine maximale Effizienz bei der Unterbringung und dem Einsatz mehrerer Wartungsteams gewährleisten. DP2-Fähigkeiten und ein innovativer Rumpf sorgen für ein großes Betriebsfenster.

Was das Schiff vor allem auszeichnet ist das Gangway-System von SMST. Die seegangkompensierende Überstiegsanlage ist je nach Tide und Andockhöhe der Windenergieanlage oder Offshore-Substation auf einer Höhe zwischen 9 und 28m verstellbar. An Bord der »Bibby WaveMaster Horizon« kann es je nach Wind und Wellenrichtung noch bei Wellenhöhen von bis zu 3m eingesetzt werden. Der Gangway Operator steuert die Anlage von einem Platz auf der Brücke.

Zusätzlich zur Außentreppe gibt es im Innern des Turms einen Aufzug für Material und Techniker. Die Gangway selbst ist mit 1,20 m etwas breiter als herkömmlichen Anlagen, so können auch Europaletten darüber verladen werden. Beim Vorgängerschiff »Bibby WaveMaster 1« waren die Gangway (Maximalhöhe 24,5 m) und der Aufzugturm noch separat, nun ist das System integriert. Beim Schwesterschiff »Bibby WaveMaster 1« hatte man auf einen Kran mit Active Heave Compensation (AHC) gesetzt, das neue Schiff hat einen 3D-motion-compensated-Kran von SMST mit 2 t Hubkapazität.

Neu ist auch die Herangehensweise beim Design von Schiff und Gangway, beides wurde von SMST erstmalig gemeinsam per Computersimulation aufeinander abgestimmt.

»Je weniger Einschränkung bei der Wartung, desto besser. Dafür haben wir dieses Schiff. Teuer sind nicht die Schäden, sondern Ausfallzeiten der Turbinen«, erklärt Stefan Kansy, Leiter Neubauprojekte bei EnBW. Während bei kleineren und älteren SOVs rund 50-60% der Zeit auf See arbeiten können, hofft man mit der »Bibby WaveMaster Horizon« ein größeres Wetterfenster von 80% der Einsatzzeit zu bekommen.

Zu diesem Ansatz gehört die verbreiterte Gangway, sodass per Lift auch Paletten und Material vom Schiff zum Transition Piece oder auf die Plattform gebracht werden können. Die Folge sind weniger Lifting Operations, was die Risiken bei der Verladung minimieren und die Zahl der Personenunfälle reduzieren soll. Dank dem »Stepless Approach« ist auf dem gesamten Arbeitsdeck alles auf einer Ebene angeordnet. Im Innern des Schiffs wurden zudem viele Türschwellen auf die minimal möglichen 8mm reduziert. Weniger geht nicht, damit die Türen noch wasserdicht verschlossen werden können.

Auch das Lager ist durchdacht. Um keine temperaturregulierten Container mehr an Deck stellen zu müssen, gibt es hier einen eigenen Raum, in dem Temperatur und Feuchtigkeit kontrolliert werden können.

Die Rumpfform, die »nah am Backstein« ist, führt zwar dazu, dass das Schiff im Fahrverhalten weniger punkten kann, dafür liegt es aber umso besser im Wasser. Angetrieben wird der Neubau von zwei Schottel-Ruderpropellern vom Typ SRP 1515 am Heck mit je 1.800 kW. Am Bug arbeiten zwei Schottel-Tunnelthruster (STT4) mit je 860 kW und ein absenkbarer und um 360° drehbarer Schottel SRP 550 (ebenfalls 860 kW). Die Energie liefern vier Hauptmaschinen, zwei vom Typ Caterpillar CAT C3516 mit je 2.275 kw und zwei CAT C32 mit je 951 kW. Genutzt wird MGO (DMA Low Sulphur), damit ist das Schiff nach Angaben von Siemens Gamesa IMO-Tier-II-compliant, ohne dass ein Katalysator gebraucht wird. Für eine zukünftige Tier-III-Compliance sind bereits Vorkehrungen getroffen, so ist an Bord Platz für Urea-Tanks und weiteres Equipment vorgesehen.

Dabei hätte das Schiff antriebsseitig noch innovativer werden können: In der Planungsphase wurde auch über Wasserstoff nachgedacht. Weil es aber keine Garantie für eine konstante und wettbewerbsfähige Versorgung über die Vertragslaufzeit gab, entschied man sich für einen vergleichsweise verbrauchsarmen diesel-elektrischen Antrieb.

Lange vor Ort

An Bord ist Raum für 60 Personen – 20 Besatzungsmitglieder und 40 Techniker und Site Manager. Jeder hat seine eigene Kabine mit Bad. Die Leute sollen es während der zwei Wochen Einsatzzeit auf dem Schiff so angenehm wie möglich haben. Sie werden vom Flugplatz am Service-Stützpunkt in Emden per Helikopter zum Windpark gebracht. Die unter britischer Flagge fahrende »Bibby WaveMaster Horizon« wird im Vierwochenrhythmus in Emden neu ausgerüstet.

An Steuerbord ist das Tochterboot »Mary Rose« aufgehängt, das von Mare Safety in Norwegen gebaut wurde. Im Innern der vom Rumpf entkoppelten Kabine finden zwei Besatzungsmitglieder und zehn Passagiere Platz (zwei mehr als beim Vorgänger). Zwei 350-PS-Motoren von Volvo Penta bringen das Boot auf Spitzengeschwindigkeiten von 42kn. Während vergleichbare Einheiten wie das von Tuco gebaute Tochterboot des Schwesterschiffs sich aus Gründen der Zulassung meist nicht weiter als 20sm vom Mutterschiff entfernen dürfen, sind mit der »Mary Rose« Fahrten bis zur Küste möglich. Die »Bibby WaveMaster Horizon« operiert in einem Windpark mindestens 100km vor der Küste. Die »Mary Rose« hat eine Zulassung für »60 nm from safe haven« und »120 nm range to shore«.

In der Nähe des Tochterboots liegt die Dieselbetankungsstation, um selbiges aufzutanken. Mit dem langen Schlauch können auch andere Boote im Wasser, die an die »Bibby WaveMaster Horizon« heranfahren, versorgt werden. Eine vergleichbare Vorrichtung gibt es auch für Frischwasser.

Kostenreduktion im Fokus

Auf einer Fläche von rund 42km2, 51sm nördlich von Borkum und rund 54sm nordwestlich von Helgoland liegt »Hohe See«, jeweils 57sm von beiden Küsten entfernt liegt auf einer Fläche von 11km2 »Albatros«. Der 610-MW-starke Doppelwindpark erzeugt für rund 710.000 Haushalte Strom. Insgesamt sind 87 Turbinen vom Typ Siemens SWT-7.0-154 mit je 7 MW in beiden Windparks zu betreuen. Die Anlagen mit 105m Nabenhöhe und 154m Rotordurchmesser stehen auf Monopiles in 40m Wassertiefe. Die Investitionskosten für den Bau des Windparks »Hohe See« betrugen 1,8Mrd. €, für »Albatros« noch einmal 0,4Mrd. € – EnBWs bisher größte Investitionsentscheidung überhaupt. Zur Finanzierung der Offshore-Windparks vom Bau bis zur Inbetriebnahme hat EnBW das kanadische Energieinfrastrukturunternehmen Enbridge als Beteiligungspartner gewonnen.

Marc Becker, Geschäftsführer Siemens Gamesa Renewable Energy, erklärt, mit dem neuen Schiff und immer leistungsstärkeren Windturbinen senke man weiter die Kosten für erneuerbare Energie. »Bereits heute ist sauberer Strom aus Windenergie wettbewerbsfähig mit konventioneller Stromerzeugung. Auch zukünftig sollten wir in Deutschland das Potenzial der Windenergie nutzen«, sagt Becker, denn: »Der deutsche Markt ist seit Jahren nicht existent, mit Ausnahme des aktuellen Projekts. 2020 bis 2022 steht der Markt hierzulande still.«

»Die Klimaschutzziele sind nur mit dem signifikanten Ausbau von Windkraft an Land und auf dem Meer zu erreichen. Die beiden Windparks EnBW Hohe See und Albatros sind aktuell das größte Offshore-Projekt in Deutschland. Wir wollen beide Parks bis Ende 2019 mit einer Rekord-Gesamtleistung von 609 MW in Betrieb nehmen«, fügt Stefan Kansy von EnBW hinzu. »Hinzu kommt unser Offshore-Windpark ›He Dreiht‹ mit 900 MW, den wir voraussichtlich ab 2025 bauen werden und der ohne Förderung auskommen wird. Erfahrungen, aus dem Betrieb mit der ›Bibby Wavemaster Horizon‹ fließen in die Planung für ›He Dreiht‹ ein.«


Felix Selzer