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Der starke Aufwärtstrend bei den Prämien hält an. Mit der AGCS stutzt ein weiterer Versicherer seine Seekaskosparte.

Der rasante Anstieg der Versicherungsprämien für Seekasko-Deckungen nimmt seinen Lauf und dürfte so schnell nicht ins Stocken kommen. Bei[ds_preview] den Vertragserneuerungen zum 1. Januar drohen den Reedereien erneut beträchtliche Erhöhungen, nachdem die Risikokapazität vor allem in London und zunehmend auch in Asien stark geschrumpft ist.

Für den Emder Versicherungsmakler Heinrich Elbracht gleicht die Entwicklung der vergangenen 12 Monate einem »Erdbeben« mit Prämienerhöhungen von 50 bis 100% und sogar darüber hinaus. »Nach einem Jahrzehnt der Soft Markets mit Überkapazitäten und hohen Verlusten auf Seiten der Transportversicherer hat sich die Lage ins andere Extrem umgekehrt«, warnt der Assekuranzmakler in einem Rundschreiben. Mittlerweile hätten sich über 20 Versicherer nach jahrelangen Verlusten aus dem Seekaskogeschäft verabschiedet, »und weitere zeichnen nur noch sehr restriktiv.« Auch im asiatischen Markt, der sehr lange preiswert Risikokapazität zur Verfügung stellte, habe der Wind gedreht. Exemplarisch für die seien die jüngsten Erfahrungen mit einem nicht genannten asiatischen Versicherer, den man selbst mit einer Prämienerhöhung von 75% nicht zur Fortsetzung einer Deckung habe bewegen können.

Die deutschen und skandinavischen Versicherer, die traditionell hohe, »eher marktgerechte« Prämien verlangen, bauten ihre Kapazitäten dafür teilweise aus. Diese seien sich aber ihrer guten Marktposition bewusst und forderten bei mittelmäßig bis schlecht laufenden Flotten deutliche Erhöhungen. Aufgrund der verstärkten Schadensentwicklung – u.a. mit vielen großen Brandschäden in der Containerschifffahrt – dürfte sich die Durchhärtung des Seekaskomarktes fortsetzen. Es zeichne sich ab, dass sogar schadensfreie Flotten deutliche Prämienanhebungen schlucken müssten, so Elbracht.

Unter den Reedereien macht sich angesichts der Verteuerung beim Versicherungsschutz zunehmend Frust breit. Schließlich handelt es sich um den drittgrößten Kostenblock im Schiffsbetrieb, sodass die Steigerungen erheblich auf die Gesamtkosten durchschlagen. Problematisch ist das vor allem für Reedereien mit kleinerer Tonnage, die nicht annähernd im gleichen Umfang wie große Containerschiffe, Bulker und Tanker von steigenden Charterraten profitieren konnte. »Solche Prämienerhöhungen können wir nicht auffangen«, macht der Manager einer Reederei aus dem Emsland gegenüber der HANSA deutlich. Mit ihrer Preispolitik seien die Versicherer auf dem besten Wege, das zu erreichen, was die Krise der vergangenen zehn Jahre nur eingeschränkt vermocht habe: eine »Marktbereinigung« unter den Reedereien. Unterdessen zeigten sich Vertreter der Assekuranz auf einem Seminar des Emder Maklers Anfang November entschlossen, die Preisschraube so schnell nicht zu lockern. Drei bis vier Jahre müsse der feste Prämientrend schon anhalten, »damit sich das auch in den Büchern niederschlägt«, unterstrich Justus Heinrich, Leiter für Marine Hull Underwriting in Deutschland und Zentraleuropa bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) – dem Marktführer für Seekasko in Deutschland.

Nach einer Serie von schweren Jahren hätten die Versicherer erhebliche Verluste in der Sparte aufzuholen. Zudem, merkte Heinrich an, seien die schweren Schäden weltweit dieses Jahr wieder im Anstieg, sodass sich die positiven Auswirkungen der Prämienerhöhungen für Seekasko seit Ende 2018 noch in Grenzen halten. AGCS strebe in dem Segment wie in allen anderen eine kombinierte Schaden-Kosten-Quote von mindestens 95% an. Bedeutet: 5% der Prämieneinnahmen sollen nach Abzug von Schäden, Kosten und Provisionen als Überschuss verbleiben. »Davon sind wir auch heute noch rund 10% entfernt«, erklärte Heinrich. Preiserhöhungen reichen der AGCS dabei allein nicht aus, die Gesellschaft will sich obendrein aus dem Geschäftssegment zurückziehen. Wie der Konzern zwischenzeitlich bekanntgab, sollen die Zeichnungsaktivitäten für »Marine Hull« sowie für Haftpflichtdeckungen im Seebereich in Nordamerika und Asien zum 1. Februar 2020 eingestellt werden. Das dadurch betroffene Geschäft summiert sich laut AGCS-Sprecher Hugo Kidston auf ein jährliches Prämienvolumen von 50 Mio. € bzw. 6% der weltweiten Prämieneinnahmen in der »Marine«-Sparte für AGCS. Bezogen nur auf Seekasko liegt der Anteil deutlich höher. Künftig soll das Underwriting für Seekasko vollständig in den europäischen Hub-Niederlassungen in Hamburg, London und Paris gebündelt würden. »Die Neuausrichtung zielt darauf ab, die Profitabilität zu erhöhen«, so Kidston gegenüber der HANSA.

Auch an der Versicherungsbörse Lloyd’s of London – einem der wichtigsten Märkte für Seekaskodeckungen weltweit – stehen die Zeichen nach dem massenhaften Rückzug von Kapazität nicht auf einen Kurswechsel. 13 Syndikate haben sich inzwischen von Seekasko verabschiedet oder ihr Engagement massiv reduziert. »Für 2020 erwarten wir keine großen Veränderungen bei den Kapazitäten«, stellte Volker Eutebach, Business Development Manager in der Lloyd’s-Niederlassung in Frankfurt, auf dem Elbracht-Seminar in Emden klar. »Diejenigen, die rausgegangen sind, werden so schnell nicht ersetzt.« Eine Erholung der Ergebnisse in der Seekaskosparte lasse auch bei Lloyd’s noch auf sich warten, so Eutebach.


Michael Hollmann