Die Ausschreibung und Zeichnung von Warentransport- und Seekaskorisiken sollen künftig auf einer elektronischen Plattform gebündelt werden.

Länger als 450 Jahre florierten die Geschäfte an der Hamburger Versicherungsbörse. Dort kamen alle wichtigen Player zusammen, wenn es um[ds_preview] die Deckung millionenschwerer Risiken im Transport- und Schifffahrtsbereich ging. Doch mit dem Vormarsch der elektronischen Kommunikation setzte der Niedergang ein. 2018 schließlich wurde der Präsenzhandel komplett eingestellt.

Dennoch hat die Versicherungsbörse am Seeplatz Hamburg eine Zukunft – nicht auf dem Parkett, sondern dafür als elektronischer Marktplatz. Davon sind mehr als 50 Versicherer, Assekuradeure und Makler überzeugt, die dem neuen Hamburger Versicherungsbörse e.V. angehören. Der eingetragene Verein hat im Mai das Erbe der altehrwürdigen Institution angetreten und will jetzt ihr Comeback vorantreiben. Die Idee eines zentralen Handelsplatzes für Transportversicherungen habe nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, unterstreicht Svenja Richartz, erste Vorsitzende des Vereins und Geschäftsführungsmitglied des Assekuradeurs Mund & Fester. »Die alte Börse hatte sich Regeln und Qualitätskriterien gesetzt, wie miteinander Geschäfte gemacht werden. Dasselbe kann man auch auf einer digitalen Plattform darstellen.«

Statt zahlreiche Versicherer einzeln abzuklappern und mit Dokumenten zu versorgen, sollen Makler die Waren- und Schiffsrisiken ihrer Kunden zentral über die Plattform ausschreiben und damit alle relevanten Marktteilnehmer erreichen können. Die Vereinbarungen mit Versicherungsgesellschaften und Assekuradeuren könnten durch Zeichnung einer »digitalen Deckungsnote« ebenfalls elektronisch abgeschlossen werden – ohne langes Taktieren und ohne Rückzieher, wie es in der Praxis allzu häufig vorkomme.

»Unsere Mitglieder erhoffen sich durch einen solchen Rahmen größere Verbindlichkeit im Geschäft«, erklärt Richartz. Zudem ließen sich Anfragen, Risikoinformationen und Angebote im Spezialgeschäft der Transportdeckungen stärker vereinheitlichen. »Das ist heute nicht standardisiert. Da wird noch sehr viel hin- und her kommuniziert«, sagt Christen Carstens, Warentransportexperte und Chief Underwriter bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) und zweiter Vorsitzendender der Versicherungsbörse. Auch andere Bestandteile der Versicherungsakte wie Besichtigungsberichte, Lagerlisten und die Übersicht von Warenrisiken ließen sich digital austauschen. Darüber hinaus könnte man eine Funktion zur automatischen Beauftragung von Dienstleistern wie Sachverständigen einbauen.

Noch steht das Konzept erst in ganz groben Zügen. Um die Details auszuarbeiten, hat sich der Verein mit der Hamburg School of Business Administration (HSBA) zusammengetan. Im Bereich Versicherungsmanagement der HSBA unter Leitung von Florian Elert sollen Studierende bis Mitte des Jahres konkrete Vorschläge erarbeiten. »Hier erhoffen wir uns eine fundierte Rückmeldung, ob wir mit unseren Ideen auf dem richtigen Weg sind und was für ein Preis- und Nutzungsmodell sich anbietet«, unterstreicht Jürgen Hahn, Dispacheur und ebenfalls Vorstandsmitglied.

Die Erkenntnisse sollen dann als Pflichtenheft für die erforderliche Software-Lösung dienen. Wobei für Hahn feststeht, dass »wir das Rad nicht neu erfinden müssen«. Auch Richartz ist überzeugt, dass sich der Entwicklungsaufwand in Grenzen halten lässt. »Es gibt schon viele etablierte IT-Bausteine im Markt, die man zusammenführen kann.« Dazu zähle die Branchen-Cloud-Lösung Single-Sign-on, welche Maklern nach einmaliger Anmeldung Zugang zu den Online-Services aller angeschlossenen Versicherer bietet.


Michael Hollmann