Eine Posse ist es sicher nicht, was sich in diesen Wochen im angespannten Verhältnis zwischen deutschen Behörden und deutschen Schiffbauern[ds_preview] abspielt. Dafür ist das Vergabeverfahren für Neubauten in der deutschen Flotte zu bedeutend. Trotz aller Spezialisierung auf Nischenmärkte: Öffentliche Aufträge bleiben wichtig.
Nach und mitten in der Debatte um das Marine-Projekt MKS 180 sorgt nun die neue »Polarstern« für Aufsehen. Nach zehn Jahren hat das Bundesforschungsministerium die Ausschreibung gestoppt, dem Vernehmen nach kurz vor der Vergabe. Im Rennen weit vorn war – wieder einmal – auch die niederländische Damen-Gruppe. Offiziell erfolgte der Stopp aus rechtlichen Gründen. Nicht auszuschließen ist aber, dass der Streit um den MKS-Auftrag an Damen (freilich mit Blohm+Voss als Junior-Partner) eine Rolle spielte. Offenbar wollte sich Berlin nicht erneut vorwerfen lassen, die EU-Regulierung unflexibel und zum Nachteil der eigenen Industrie umzusetzen. Zumal die »rechtlichen Gründe« nicht wirklich erläutert werden.
Was aber sagt das alles über die deutsche Schiffbaupolitik aus? Einen Streit in allerletzter Sekunde im Keim zu ersticken, kann das prinzipielle Missverständnis verdecken. Der Schiffbau sagt: Deutsche Aufträge an deutsche Werften. Die Politik sagt: Die EU will das so nicht. Das die Vorgaben durchaus Spielraum lassen, beweisen allerdings seit Jahren europäische Nachbarn, sie lächeln milde über Deutschland.
Hat Verteididungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit einem ihrer letzten politischen Atemzüge als CDU-Chefin ihre Ankündigung, Marineprojekte künftig nur noch in Deutschland auszuschreiben, wahrgemacht? Wer hat da was wie ausgelegt? Es bleiben offene Fragen…
Angesichts des anhaltenden Konkurrenzdrucks in Europa und der Welt fordert der hiesige Schiffbau bekanntlich seit längerem mehr politische Unterstützung. Das Argument der teils direkten Förderung in anderen Ländern ist nicht von der Hand zu weisen.
Es gibt derweil auch Stimmen, die den US-amerikanischen Jones Act in die Diskussion einbringen. Unabhängig von Vorgaben für Flagge und Crew sollte man aber nicht vergessen: Dass es überhaupt noch eine Schiffbauindustrie in den USA gibt, liegt nicht zuletzt an einem nach wie vor existierenden heimischen Nachfrage-Markt. Der Bedarf an moderner Tonnage für die vielen Shortsea-, Binnen- und Spezial- sowie Marine- und bald wohl Offshore-Kunden ist nicht zu vernachlässigen. Die Zahl der Werften ist allerdings nicht gestiegen; die Branche hat nicht an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen; die Entwicklung innovativer Technologien ist nicht durch die Decke geschossen.
Ob sich die deutsche Branche in der aktuellen Debatte beruhigen lässt, wird auch davon abhängen, ob sich Berlin traut, »Polarstern« und »Meteor IV« – deren gleichzeitig veröffentlichter Ausschreibungsstart fast unterging – ins Ausland zu geben. Wird die Bundesregierung es so weit kommen lassen?
Viel Spaß beim weiteren Lesen
Michael Meyer