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Die Kraftstoffpreise steigen durch »IMO 2020«, die Klimaziele für die Schifffahrt für 2030 und 2050 geben die Marschrichtung vor: Der Verbrauch muss sinken. Auch beim Schiffsdesign und im Bereich Oberflächen gibt es weiterhin Potenzial

Waren optimierte Rumpfformen lange der Weg zu Einsparungen, hat sich der Fokus nach Beobachtung von Christian Johannsen, Head of Propellers[ds_preview] & Cavitation Dept., Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA), verschoben. »Was die Klima-Problematik angeht, stehen Themen wie Dual Fuel, LNG, Abgasreinigung im Vordergrund. Forschungsmittel für hydrodynamische Maßnahmen zur Brennstoffeinsparung/Abgasverminderung zu bekommen, ist relativ schwierig«, sagt er.

Ist also der Bereich Hydrodynamik weitgehend ausgereizt? »Nein«, sagt Johannsen, »es sind zwei unterschiedliche Felder und man kann sicher auf dem einen wie auf dem anderen Effizienzgewinne erzielen. Es ist keine technische Abwägung, die dem zu Grunde liegt, sondern eher eine Frage, welche Branchen man fördern will, was in der öffentlichen Wahrnehmung gerade angesagt ist.«

Dabei wirke sich der anhaltende Trend zu reduzierten Fahrtgeschwindigkeiten (Slow Steaming), zur Kraftstoffeinsparung und nicht zuletzt zum Kapazitätsmanagement durchaus auf die Hydrodynamik aus. Bei kleiner Geschwindigkeit dominiert der Reibungswiderstand des Schiffes den Wellenwiderstand. Somit könne man eher mit Oberflächen-Treatment als mit neuen Rumpfformen etwas bewirken, sagt Johannsen. »An diesem spannenden Thema sind wir bei der HSVA dran: Einerseits sind wir an dem EU-Vorhaben ›Aircoat‹ beteiligt, das Möglichkeiten zur passiven Luftschmierung, also ohne Zuführung von Luft mittels Kompressoren, erforscht. Zum anderen optimieren wir zusammen mit der Industrie die Nutzung der aktiven Luftschmierung.« Beim Project Aircoat untersucht die HSVA zusammen mit neun weiteren Partnern, wie sich der sogenannte Salvinia-Effekt nachahmen und für Schiffe nutzen lässt. Pflanzen der Gattung Salvinia (Schwimmfarne) halten über die Oberflächenstruktur ihrer Blätter Luft auch unter Wasser. Das versucht man nachzuempfinden

»Noch ist das Vorhaben Grundlagenforschung, wie man das später konkret am Schiff umsetzt, steht im Moment nicht im Fokus«, sagt Johannsen. Es gehe eher darum, ob man diesen Effekt überhaupt nachempfinden kann. Eine der Hauptfragestellungen ist die, ob es auch bei umströmten Körpern wie einem Schiffsrumpf funktionieren kann. »Die Pflanze macht das bei stehendem Wasser oder bei kleinen Fließgeschwindigkeiten aber nicht bei einer Umströmung mit 10m/s«, sagt er. Die HSVA hat die Aufgabe, nachzuweisen, dass tatsächlich der Widerstand reduziert und die Luft tatsächlich an der Oberfläche gehalten wird. Im Moment werden dazu biomimetische Folien untersucht.

Einen weiteren Trend beobachtet man an der HSVA aber dennoch auch beim Rumpf selbst. Seit Jahrzehnten wird der Schiffswiderstand mit Wulstbugformen verringert. Das funktioniert im Wesentlichen für eine bestimmte Geschwindigkeit und einen bestimmten Tiefgang. Weil Reedereien heute immer mehr dazu übergingen, nicht nur einen einzelnen Designpunkt zu betrachten, sondern eher das Fahrprofil des Schiffes, rücke man davon wieder ab, sagt Johannsen.

So beschreiben es auch Johannsens Kollegen in einer aktuellen Veröffentlichung der HSVA. So seien die Bugwulste heute viel schlanker geworden als sie es in der Vergangenheit waren. Das reduziert zwar ihre Wirkung unter Konstruktionsbedingungen leicht, bringt aber unter anderen Bedingungen eine deutlich bessere Leistung. In jüngster Zeit weisen deshalb viele Designs eine vertikale Stevenkontur auf, entweder ohne Wulst oder mit einer unterhalb der Wasserlinie in den Rumpf integrierten Form. Diese Entwicklung ist bedingt durch das oben erwähnte Slow-Steaming, der Ausrichtung des Designs auf Betriebsprofile und durch den Trend zu breiteren Schiffen. Das führt nach Angaben der HSVA-Ingenieure zu kleineren Länge/Breite-Verhältnissen und zu größeren Wasserlinieneintrittswinkeln. »Ab bestimmten Winkeln ist der Wulstbug nicht mehr in der Lage, das Strömungsregime um den Steven signifikant zu beeinflussen. In solchen Fällen wird der Einbau eines Wulstes überflüssig«, heißt es.

In dieser Hinsicht könne der vertikale Steven als logische Weiterentwicklung von Verdrängungswülsten betrachtet werden, die seit vielen Jahren von langsamen Full-Block-Schiffen bekannt seien. Diese folgen nicht dem Prinzip der Strömungsbeschleunigung, sondern profitieren von zusätzlichem Auftrieb, der die Wasserlinie schlanker macht, den Eintrittswinkel verringert und eine weichere Bugwölbung bietet.