Reederei, Terminalbetreiber, Logistikanbieter – das Lübecker Traditionsunternehmen
Hans Lehmann kann dank dieses Portfolios das Geschäft stabil halten oder sogar steigern. Und es wird weiter investiert – in die Flotte und in den Hafenbetrieb.
Das bis heute familiengeführte Unternehmen hat die vergangenen Jahre gut abwettern können. »Wir halten unser Geschäft stabil, in manchen Bereichen[ds_preview] wie beim Containerumschlag wachsen wir sogar«, sagt Geschäftsführer Sven Lohse gegenüber der HANSA.
Die Reedereisparte Lehmann Shipping wird bald einen weiteren Flottenzugang vermelden. Nach der »Ina Lehmann« vor zweieinhalb Jahren wird im Sommer ein Schwesterschiff in Dienst gestellt. Mit dem Eco-Coaster »Heike Lehmann«, benannt nach einer Cousine des geschäftsführenden Gesellschafters der Gruppe Holger Lehmann, zählt die Flotte dann elf Schiffe, darunter acht eigene sowie drei gemanagte Schiffe mit einer Tragfähigkeit zwischen 4.000 tdw bis 6.000 tdw.
Wie schon die »Ina Lehmann« kommt auch dieser Neubau von der Werft Royal Bodewes in den Niederlanden. Der 4.800-t-Frachter wird 90 m lang und 15 m breit und hat in Ballast einen Tiefgang von 3,80m. Er verfügt über eine durchgehende Ladeluke für eine bestmögliche Raumgröße, Eisklasse 1B sowie über ein modernes Ballastwasser-Managementsystem. Mit dem MaK-Motor des Typs 6M25E (1.850 kW) samt Katalysator wird die Abgasnorm Tier III erfüllt. Finanziert wurde das Schiff mit Eigenkapital und einem Bankenkredit.
Schon in den vergangenen Jahren war die Flotte immer wieder verjüngt worden. Vor der »Ina« und der »Heike« als Neubauten waren 2012 ein Schiff von Transatlantik und 2013 drei Einheiten von Buss gekauft worden. Dafür gingen andere Einheiten aus der Flotte. Derzeit ist die 1999 gebaute »Mai Lehmann« das älteste Schiff, die anderen wurden zwischen 2000 und 2005 abgeliefert. Weitere Neubauten sind erst einmal nicht geplant, »aber wir halten weiter Augen und Ohren offen«, so Lohse. Neben Neubauten komme prinzipiell auch gute Secondhand-Tonnage in Frage.
Die Lehmann-Schiffe sind allesamt im europäischen Shortsea-Fahrtgebiet zwischen Großbritannien und Skandinavien, in Nord- und Ostsee, bis zu den ARA-Häfen oder hinunter bis nach Spanien unterwegs. Transportiert werden vor allem Stahl, Forstprodukte, Getreide und Düngemittel. Das Frachtvolumen liegt bei jährlich 1,5 Mio. t bis 2 Mio.t – und damit relativ konstant, weil viele der bis zu 40 Fahrten pro Schiff und Jahr auf längerfristiger Kontraktbasis mit großen Industriekunden und eher selten im Spotmarkt erfolgen.
Das gesamte operative Geschäft – technisches Management, Befrachtung, Operations und Agentur – wird im eigenen Haus erledigt. Lediglich das Crewing ist an zwei Partner in Hamburg ausgelagert, die für die nautische Crew, meist aus Europa, und für die philippinische Decksbesatzung sorgt.
Das Shortsea-Segment gilt oftmals – zu Unrecht – als Nischenmarkt. Der Vorteil: Es wurden und werden relativ wenige Neubauten bestellt und es gibt kaum einen Kapazitätsüberhang. Daher seien die Raten in der Regel auskömmlich, in jedem Fall dauerhaft über OPEX-Niveau, so Lohse. Gute Schiffe sind allerdings nicht leicht zu finden, auch die Finanzierung müsse in jedem Fall erst einmal gestemmt werden. »Aber wenn sich eine gute Gelegenheit ergibt, werden wir weiter investieren«, sagt Lohse.
Im Lübecker Hafen, wo Lehmann als größter privater Betreiber vier Terminalanlagen am nördlichen Ufer der Trave mit einer Kailänge von insgesamt 2.500m betreibt, ist das Unternehmen da schon einen Schritt weiter – denn dort wird bereits konkret Geld verbaut. Am Lehmannkai 2, der RoRo-Anlage, ist kaum noch Lagerplatz vorhanden. Deshalb werden jetzt zwei weitere Hallen mit einer Kapazität von 13.000m2 errichtet. Eine weitere Halle mit 2.700 m2 Fläche entsteht am Lehmannkai 3, dem Terminal für Schüttgüter. Dort werden auch Binnenschiffe be- und entladen.
Das größte Vorhaben mit einem geschätzten Investitionsvolumen von bis zu 100 Mio. € ist die Erweiterung des Terminalgeländes um 16 ha in der Verlängerung des Lehmannkais 1. In zwei Bauabschnitten sollen 2 + 2 Hallen mit jeweils 8.500 m2 Fläche entstehen, dazu Gateanlagen und parallele Gleisanlagen von bis zu 850 m Länge für die Abfertigung von Ganzzügen. Das Unternehmen hofft, bis 2022 Baurecht zu bekommen und loslegen zu können. »Wir müssen etwas tun, um auch auf die Anforderungen der Kunden reagieren zu können.«
Insgesamt wurden 2019 an allen Terminals rund 2,3 Mio. t umgeschlagen. Während es im RoRo-Umschlag zuletzt leichte Einbußen gab (700.00t), vor allem wegen der weiter geltenden Sanktionen gegen Russland, und die Bereiche Papier/Zellulose (600.000 t) und Bulk (400.000 t) konstante Zahlen ausweisen, steigt die Gütermenge im Containerumschlag und im Kombinierten Verkehr in Richtung Hinterland, allein im vergangenen Jahr um rund 20%. Zuletzt waren es bei 600.000 t bereits 40.000 Containereinheiten, davon 15.000 Einheiten im KV. Denn neben der bestehenden Ganzzugsverbindung »Alter Schwede« (dreimal wöchentlich) gibt es drei Abfahrten pro Woche mit Ganzzügen ins italienische Verona.
»Gerade in diesem Güterbereich gibt es noch viel Potenzial«, sagt Lohse. Lehmann würde sich auch eine tiefere Trave wünschen. Denn derzeit ist der Tiefgang für Seeschiffe auf 8,70 m begrenzt, während er zum Beispiel in Rostock bei 13,50 m liegt. »Auch unsere Kunden setzen perspektivisch auf immer größere Schiffe, da wären 1-2 m für uns sehr hilfreich, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben.« Ähnliches gelte für den Elbe-Lübeck-Kanal als Verkehrsweg ins Hinterland, dessen Ausbau gerade wieder auf Eis gelegt wurde. »Wenn größere Binnenschiffe eingesetzt werden könnten, wäre dieser Transportweg auch für die Kunden deutlich attraktiver.« Auf beide Projekte muss das Unternehmen allerdings weiter warten.
Krischan Förster