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Die weltweiten Reisebeschränkungen bringen Reedereien in Not. Da Crew-Wechsel kaum noch möglich sind, warten mehr als 100.000 Seeleute an Bord ihrer Schiffe auf Ablösung. International geltende und praktikable Regelungen lassen auf sich warten

Die weltweit grassierende Coronavirus-Pandemie wirkt sich auch fern der Infektionsherde auf hoher See aus. Die Schließung von Grenzen und[ds_preview] strenge Quarantänebestimmungen lassen kaum noch Reisen zu und verhindern, dass Reedereien ihre Besatzungen wie gewohnt auswechseln können. Mehr als 100.000 der weltweit rund 1,6 Millionen Seeleute können derzeit die Schiffe nicht verlassen, obwohl sie ihre vertragliche Arbeitszeit abgeleistet haben. Ebenso viele sind an Land »gestrandet«, können ihren Job nicht antreten und sind daher ohne Heuer.

Mittlerweile gilt der personelle Notstand auf See als »tickende Zeitbombe«. Die aktuellen Einschränkungen seien nicht nur mit Blick auf die Gesundheit und Rechte der Seeleute inakzeptabel, sondern bedrohten auch die Lieferketten auf See, heißt es von führenden Reedereien, Schiffsmanagern und Hafenagenturen. Dabei falle der Schifffahrt gerade in Corona-Zeiten eine Schlüsselrolle beim Transport lebenswichtiger Güter, etwa von Nahrungsmitteln, Medikamenten, medizinischer Ausrüstung oder Schutzkleidung zu. Diese Rolle müsse von politischer Seite anerkannt werden, fordert die Branche in einer Erklärung.

Dem Bündnis gehören aus Deutschland die Reederei Nord und Columbia Ship Management (CSM) sowie internationale Schwergewichte wie D/S Norden, Grieg Star, Dynacom, V.Group, Wilhelmsen Ships Service, Pacific Carriers Limited (PCL), Magsaysay, Augustea, Inchcape Shipping Services und die Synergy Group an. Gemeinsam vertreten diese Unternehmen mehr als 1.500 Schiffe und mehr als 70.000 Seeleute.

Kalkuliertes Risiko

Das Bündnis hat ein Konzept für eine detaillierte Risikobewertung und die nötigen Corona-Tests entwickelt, um eine Infektionsgefahr bei anstehenden Crew-Wechseln zu minimieren. Benötigt würden aber Sofortmaßnahmen und klare Reiseregelungen für Seeleute von Seiten der internationalen Staatengemeinschaft, um die Stresssituation an Bord schnellstmöglich zu beenden.

Im Kern sieht der Plan vor, dass kollektive Besatzungswechsel in mehreren Häfen in der Nähe zu internationalen Flughäfen möglich gemacht werden. Konkret werden Singapur, Houston, Rotterdam, Gibraltar, Jebel Ali, Fujairah, Hongkong und Shanghai genannt. Auch der internationale Reederverband ICS und die Transportarbeitergewerkschaft ITF stützen den Angaben zufolge diesen Vorstoß.

Die Schiffsmanger sichern zu, die Reisen ihrer Seeleute in Eigenregie und unter Beachtung der geltenden Bestimmungen zu organisieren. Von den staatlichen Behörden müssten dann aber der Zugang zu Flughäfen und zu den Flügen gewährt und die benötigten Einreisegenehmigungen erteilt werden. Gefordert seien jetzt wirksame Maßnahmen aller Hafenstaaten und deren Regierungen.

Auch die europäischen Seehäfen, die in der ESPO (»European Sea Ports Organisation«) und der FEPORT (»Federation of European Private Port Operators«) zusammengeschlossen sind, fordern Nachbesserungen. Denn auch die EU will bislang den Crew-Wechsel auf einige Haupthäfen beschränken. Staddessen müssten Reisen über Landesgrenzen erleichtert und der Zugang zu allen Häfen gewährt werden, um Lieferketten nicht zusätzlich zu belasten. »Weder technisch noch wirtschaftlich ist es sinnvoll, einen Erzfrachter zu einem Fährhafen umzuleiten.« Wenn ein bestimmter Hafen geeignet sei, dann seien es auch andere, heißt es.