Ende einer (kurzen) »Ära«

Am Ende soll es dann das Corona-Virus gewesen sein, welches das ohnehin schon stark in Schieflage fahrende Zeamarine-Boot[ds_preview] zum Kentern brachte: Auch für die Holding des MPP-Carriers aus der Zeaborn-Gruppe des Bremer Unternehmers Kurt Zech wurde ein Insolvenzantrag gestellt.

Offiziell wird weiter mantra-artig betont, dass der Erhalt des Carriers oberstes Ziel bleibe. Sonderlich wahrscheinlich ist das aber nun wirklich nicht, zu groß scheinen die finanziellen Schwierigkeiten, zu viel Vertrauen wurde am Markt verspielt und nicht zuletzt: zu viel Knowhow ist mittlerweile abgeflossen. Die Liste an Abgängen hoch- und mittelrangiger Mitarbeiter wird immer länger – und das sind nur die bekannt gewordenen Fälle. Das Personalkarussell in der MPP-Branche bekam zuletzt enormen Schwung, nachdem die Zeamarine-Geschäftsführung gehen musste oder von sich aus das Weite gesucht hat.

Wer weiß, vielleicht hatte der ehemalige Intermarine-Eigner, der US-Investor New Mountain Capital, das Unheil kommen sehen und sich deswegen entschlossen, das Joint Venture im vergangenen Jahr zu verlassen… Intermarine ist mittlerweile reaktiviert, es würde nicht überraschen, wenn die Amerikaner mit einem wissenden Lächeln auf die Ereignisse in Bremen und Hamburg blicken.

Damit geht nun wohl eine sehr kurze Ära zu Ende. Zumindest sollte es nach dem Willen von Zech und Co. eine Ära werden. Aber nach der Gründung von Zeamarine durch das Joint Venture mit Intermarine vor zwei Jahren stimmten die Bilanzen letztlich nicht, große Verluste wurden eingefahren, von Missmanagement und fragwürdigen Geschäftspraktiken war bisweilen die Rede. Erst traf es die operativen Einheiten im MPP-Geschäft, jetzt also auch die Holding.

Eine wahre Ära geht nun allerdings tatsächlich wohl zu Ende: Traditionsbewusste Schifffahrtstreibende blicken mit Wehmut auf die altehrwürdige Rickmers-Linie mit ihren weltumspannenden Liniendiensten. Sie war von Zeamarine übernommen worden, als es der Rickmers-Gruppe richtig schlecht ging … nun geht sie mit ihrem vermeintlichen Retter wohl unter.

Die Corona-bedingten Einbrüche im Welthandel und die damit eingebrochene Nachfrage nach Transporten dürfte maximal der berühmte letzte, wohl eher der allerletzte Tropfen gewesen sein …

Zeamarine ist bei Weitem nicht der einzige Schifffahrtsakteur mit Corona-bedingten Sorgen. Nicht wenige Andere setzen auf Staatshilfen, einige bekamen sie auch bereits. In diesem Zusammenhang wachsen in der Schifffahrt jedoch Sorgen um Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen für einzelne Reedereien, etwa in Korea für HMM, in Frankreich für CMA CGM, in Deutschland für Tui Cruises oder in Estland für Tallink. Namhafte Konkurrenten haben bereits direkt (Finnlines) oder indirekt (Hapag-Lloyd) vor Wettbewerbsverzerrungen gewarnt. Man darf gespannt sein, wie viel Anlass es dafür noch geben wird …

Viel Spaß beim Lesen


Michael Meyer