Das erste Halbjahr 2020 wird sicherlich lange im Gedächtnis der Investoren bleiben. Die oronakrise trifft die Schifffahrt massiv, die wie kaum ein anderer Sektor vom Welthandel beeinflusst wird

Hatte man anfänglich noch gedacht, dass der Corona Virus auf Wuhan oder China lokal begrenzt bleiben könnte, ist nunmehr offensichtlich[ds_preview], dass die Weltwirtschaft einen schweren Schock erleidet. Ein Virus verändert die Welt …

Neben den unmittelbaren Folgen der Pandemie wie Lockdown, Rezession und Kurzarbeit rechnen wir mit langfristigen Veränderungen der Weltwirtschaft, die einen nachhaltigen Einfluss auf den Welthandel und die Schifffahrt haben werden. Die Maßnahmen der öffentlichen Hand zur Stützung der Wirtschaft erfolgen in einem bisher nicht bekannten Ausmaß und werden die Staatshaushalte auf lange Sicht herausfordern.

Alle diese Maßnahmen müssen finanziert werden. Zur Auswahl stehen a) höhere Steuern und Abgaben, b) Ausgabenstreichungen und c) indirekte Besteuerung und Transfer auf nächste Generation durch Schuldenaufnahme und expansive Geldpolitik.

Momentan scheint sich weltweit ein politischer Konsens abzuzeichnen, dass die Fiskalpolitik über neue Investitionsprogramme die Nachfrage beleben will, wohingegen die Zentralbanken diese Politik durch eine sehr expansive Geldpolitik alimentieren sollen.

Bulker in Bedrängnis

Etwa die Hälfte des Schifftransports entfällt auf den Transport von Energieträgern: Rohöl, Ölprodukte, Gas und Kohle. Gas wird vermutlich in den nächsten Jahren als Zwischenlösung auf dem Weg der Dekarbonisierung weiter Marktanteile gewinnen. Die Nachfrage nach Rohöl wird hingegen absehbar in den nächsten Jahren ihren Höhepunkt erreichen. Der Transport von thermischer Kohle könnte nach Ansicht von Clarksons bereits etwas früher schrumpfen, wenn die Industrieländer nach und nach ihren Kohleverbrauch reduzieren werden.

Seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, ob und gegebenenfalls wann der Einstieg in eine Wasserstoff-Ökonomie erfolgen wird. Wir glauben, dass dieser Schritt nunmehr bevorsteht. Die Technik ist erprobt, jetzt muss der Markteinstieg gelingen. Der politische Wille zur Dekarbonisierung ist vorhanden und öffentliche Investitionsprogramme zum Aufbau einer neuen Energieversorgung bieten sich als Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft an. Institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen suchen nach langfristigen Anlagemöglichkeiten mit staatlichen Abnahmegarantien.

Während Dänemark die Umstellung auf Wasserstoff über lokale Windkraftanlagen erreichen will, rechnen wir mittelfristig aufgrund der Kostenvorteile eher mit dem Aufbau von Wasserstoffproduktionsanlagen in der Nähe des Äquators. Dieser Wasserstoff kann dann mit CO2 methanisiert werden und entweder als Green Gas oder Green Liquid Fuels mit Gas- oder Produktentankern in der Welt verteilt werden.

Rohölmarkt in Aufruhr

Die Tankermärkte gingen mit hohen Erwartungen hinsichtlich der Umstellung auf LSFO in das neue Jahr. Mit etwas Abstand kann man sagen, dass die erwarteten Verwerfungen am Markt kaum auftraten. Der Spread zwischen den beiden Treibstoffsorten ist inzwischen stark gesunken.

Dafür platzte im März den Saudis der Kragen, nachdem sie sich mit ihrer Forderung nach einer Kürzung der OPEC-Produktion nicht durchsetzen konnten und im Gegenzug begannen, ihren Export massiv auszuweiten und den Ölpreis unter Druck zu setzen. Die Folge war ein rasanter Preisrückgang für prompte Lieferungen und eine stark positive Öl-Terminkurve, die »Floating Storage« begünstigte. Für etwa acht Wochen erreichten die Charterraten für Rohöl- und Produktentanker extrem hohe Niveaus.

Spotraten von über 200.000$/Tag ließen die Aktienkurse von Tankerunternehmen im März/April stark steigen. Nachdem sich die OPEC nun aber doch noch auf eine Senkung der Fördermengen einigen konnte und auch die US-Schieferölindustrie zwangsweise ihre Produktion einschränkt, mehren sich die Hinweise, dass die Lagerbestände früher als erwartet zurückgehen.

Die Rohöltanker treten in die Phase des »Destockings« ein, in der weniger Transportkapazitäten benötigt werden. Viele Investoren wenden sich enttäuscht ab, da sie befürchten, dass die Phase niedriger Transportvolumina länger anhalten wird und Schiffspreise in der Zwischenzeit sinken könnten.

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Die reduzierte Nachfrage nach Tankern wird derzeit (noch) von der reduzierten Verfügbarkeit an Tonnage aufgrund »Floating Storage« kompensiert. Die aktuellen Spotraten für VLCCs liegen zwischen 40.000$/Tag und 50.000$/Tag und reichen teilweise bis in dritte Quartal hinein. Das sind saisonal sehr auskömmliche Niveaus.

Viel wird mittelfristig davon abhängen, ob die Schiffseigner in dieser Marktphase Disziplin bewahren und sich mit Neubaubestellungen zurückhalten. Die asiatischen Werften locken derzeit mit günstigen Preisen und attraktiven Finanzierungskonditionen. Der eine oder andere glückliche Schiffseigner konnte im zweiten Quartal Reisen abschließen, die es ihm erlauben, den Profit aus dieser einen Reise als Eigenkapital-Anteil für einen Neubau bereitzustellen.

Alle Sektoren im Rückwärtsgang

In Abbildung 1 stellen wir die Kursentwicklung der verschiedenen Schifffahrtssektoren anhand eigener Indizes grafisch dar. Die hellblaue Linie zeigt das Auf und Ab des Tankermarktes. Per Saldo verbleibt immerhin noch ein leichtes Plus im Vergleich zum Vorjahr. Die stärkste Performance haben jedoch die Liner gezeigt, die im Durchschnitt um mehr als 50% gegenüber dem Vorjahr zulegen konnten. Der größte Teil dieser Entwicklung ist auf die Kursrallye bei Hapag-Lloyd zurückzuführen, die wahrscheinlich dem niedrigen »free float« geschuldet ist.

In Abbildung 2 zeigen wir die Kursentwicklung unseres Gesamtindex über die letzten fünf Jahre. Zum Jahresanfang sah die Kursentwicklung noch recht positiv aus, und der Index konnte ein neues Hoch verzeichnen. Von dieser guten Stimmung ist nach COVID-19 nicht viel geblieben. Der Index hat sich in fünf Monaten annähernd halbiert. Aber bekanntlich ist ja die Nacht kurz vor Morgengrauen am dunkelsten. Wir sind daher gespannt, ob sich die Kurse bis Jahresende wieder ein Stück erholen können.