Johannes Holst – das Multitalent aus Altenwerder

In einem Seestück muss man den Wind sehen – lautete die Devise des Marinemalers Johannes Holst. Meisterlich verstand er es, das[ds_preview] Zusammenwirken von Wasser, Wind und Wolken auf Leinwand zu bannen. Neben reinen Seestücken, in denen nichts von der Konzentration auf dieses elementare Schauspiel ablenkt, sind es vor allem die großen Windjammer, die im Mittelpunkt seiner Gemälde stehen.

Holst wurde 1880 auf der Elbinsel Altenwerder geboren. Er wuchs in einer von Fischerei und Schifffahrt bestimmten Welt auf. Der Vater Claus-Peter Holst besaß einen Ewer, mit dem er Bau- und Brennstoffe, Getreide und Torf nach Altenwerder brachte.

1894 kam Johannes Holst mit vierzehn Jahren bei Hinrich Paul Lüdders in die Malerlehre. Er hatte Glück mit seinem Lehrherrn: dieser war nicht nur Malermeister, sondern hatte sich auch als Schiffsporträtist einen Namen gemacht und konnte so Holsts künstlerisches Talent fördern.

Nach der Malerlehre verdiente Holst sein Geld zunächst als Dekorationsmaler, sein Ziel aber war es, Marinemaler zu werden. Zu seinen Vorbildern gehörten der Däne Anton Melbye und der Hamburger Künstler Hugo Schnars-Alquist. Wie bei diesen Malern waren für Holst Stimmigkeit und große Naturtreue von besonderer Bedeutung. Um die technischen Einzelheiten der großen Rahsegler besser zu verstehen, baute er um 1900 ein Modell der Bark »Venus« einschließlich aller Details – von der Galionsfigur über den Bordkompass bis zu den Rettungsbooten.

Aber nicht nur die charakteristischen Bestandteile der Schiffe waren ihm in seinen Bildern wichtig, sondern auch, dass Segel und Takelage in der Darstellung den Wetterverhältnissen angepasst waren.

Das Wetter selbst ist ein ganz zentrales Element in den Gemälden Holsts. Zu Studienzwecken machte er mit seiner Leica-Kamera unzählige Wolken- und Wasseraufnahmen. Anders als sein Vorbild Schnars-Alquist bereiste Holst nicht alle Ozeane, deshalb gab er manchmal auch Kapitänen seine Leica mit, damit diese dann von verschiedenen Ecken der Weltmeere Aufnahmen für ihn machten.

Johannes Holst war zwar kein Weltreisender, aber er war ein leidenschaftlicher Segler – das Segeln war für ihn sowohl Vergnügen als auch Inspirationsquelle für seine Gemälde. 1911 wurden die Brüder Rudolf und Johannes Holst Mitglieder in der SVAOe (Segler-Vereinigung Altona-Oevelgönne) und bereits 1912 ersegelten sie erste Preise auf der Unterelbe.

Im Jahr 1924, als die Zeit für einen Werftauftrag bis zur Pfingstregatta nach Helgoland zu knapp wurde, baute Holst seine Yacht, die »Mia Lisa II«, nach eigenen Entwürfen einfach selbst im Keller seines Hauses. Um sie in der Elbe zu Wasser zu lassen, musste sogar ein Teil einer Hauswand eingerissen werden, aber die Mühe hatte sich gelohnt: Die Regatta wurde als Jungfernfahrt mitgesegelt – und sogar der erste Preis geholt.

Johannes Holst hatte viele Talente. Neben dem Malen und Segeln galt seine Begeisterung auch der Welt der klassischen Musik. Er spielte Klavier, Geige und Cello, die Streichinstrumente fertigte er in seiner Werkstatt selber an. Um die 200 dieser »Altenwerder Stradivaris« verließen seine Werkstatt, sie genossen unter Musikern einen ausgezeichneten Ruf.

Bis zu seinem Tod im Jahr 1965 schuf das Multitalent mehr als 2.000 meist maritime Gemälde.


Petra Giebel