Angesichts der großen Herausforderungen für die Schifffahrt sollten Klassifikationsgesellschaften die Zusammenarbeit ausbauen, meint ihr Weltverband IACS. Chairman Arun Sharma sieht Potenziale, bei der Digitalisierung aber auch Grenzen.
So schmerzhaft die »Corona«-Einschnitte auch sein mögen, ist Sharma dennoch nicht unzufrieden mit der Arbeit des Verbands in den[ds_preview] vergangenen Wochen und Monaten. Man war in engem Kontakt mit der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO und hat die Corona-Taskforce aufgesetzt, um die Schifffahrt und die Arbeit der Klassifikationsgesellschaften so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Letztlich wurde die Grundlage für Inspektionen aus der Ferne gelegt. »Die Kooperation zwischen den Klassifikationsgesellschaften und den Flaggenstaaten lief sehr gut. Ich sehe keinen Grund dafür, dass es für den weiteren Verlauf der Pandemie nicht weiter gut funktionieren sollte«, sagt Sharma im Gespräch mit der HANSA.
Für eine Abschätzung der langfristigen Auswirkungen der Krise sei es noch zu früh. Dass die IMO die IACS-Empfehlungen in einem Rundschreiben an die Flaggenstaaten umgesetzt hat, wertet der Verbandschef als Erfolg. Die Interim-Maßnahmen werde man im Rückblick sicher als zufriedenstellend bewerten.
Der Rückgriff auf virtuelle Inspektionen ist seiner Ansicht nach jedoch kein »Gold-Standard«. Der ehemalige Seefahrer sagt: »Ich finde, man muss Dinge auch vor Ort sehen und anfassen können.«
Dabei spielen auch die nächsten »Game Changer« für die Schifffahrt eine Rolle. Nach der seit Januar geltenden Obergrenze für Schwefel im Abgas dürfte die bis 2050 anstehende Dekarbonisierung der Branche eine noch größere Hürde werden. Hinzu kommen die Entwicklung zur datengestützten Regulierung und zur Frage, ob und wie Inspektionen künftig nach zeitlichen oder zustandsbasierten Variablen angesetzt werden.
»Zu all diesen Fragen wird sich die Technologie stark ändern und weiterentwickeln. Klassifikationsgesellschaften müssen natürlich immer auf dem neuesten Stand sein und die Entwicklung mitgestalten, damit die Technik sicher und regelkonform ist«, sagt Sharma.
Dafür soll sich auch die Arbeit der Klassifikationsgesellschaften wandeln – nicht zuletzt im Verband. Der Vorsitzende der indischen Klasse IR Class sieht entsprechenden Bedarf an mehr Kooperation, sowohl zwischen den Klassifikationen als auch zwischen dem Verband und anderen Schifffahrtsorganisationen, etwa mit Reedern und Versicherern. So könne man besser und schneller auf neue Trends reagieren. »In dieser Hinsicht wird sich auch die IACS-Arbeit anpassen müssen, etwa in der Frage nach einem Modus, wie wir unsere Expertise noch besser teilen können.« Alle Mitglieder müssten mehr Knowhow einbringen. »Unser Ansatz wird sich anpassen müssen und ich denke, das wird auch passieren.«
Eine Möglichkeit für eine umfangreichere Sammlung von Expertise ist die Aufstockung des Verbands. Aktuell hat IACS zwölf Mitglieder. Sharma zeigt sich offen für eine Ausdehnung: »Es geht letztlich um die Qualität einer Klassifikation. Das ist allerdings um Geben und Nehmen. Wenn man aus einer Mitgliedschaft Nutzen ziehen will, muss man auch etwas einbringen.«
Seiner Einschätzung nach würde es in der Branche keine Einwände geben, sollten weitere Klassen ihre Expertise einbringen wollen. Er selbst würde es jedenfalls gutheißen: »Ich würde mich freuen. Man sollte bedenken, dass ein großer Teil der Weltflotte noch immer nicht von IACS abgedeckt wird. Warum sollten wir nicht die Möglichkeit wahrnehmen, unsere Qualitätsstandards auf weitere Teile der Flotte auszudehnen?«
Michael Meyer