Die Schifffahrt muss sich nach der schweren Havarie vor Mauritius auf strengere Haftungsregeln einstellen

Es ist bei weitem nicht das größte Schadensereignis, dass die Schifffahrt erlebt hat. Aus Sicht der Geschädigten könnte die Havarie[ds_preview] des Großbulkers »Wakashio« vor der Südostküste von Mauritius trotzdem zu einem der teuersten Fälle der Geschichte werden. So zeichnet sich ab, dass die Umweltschäden aufgrund von Treibstoffverlusten des auseinandergebrochenen Frachters die offiziellen Haftungshöchstgrenzen in der Schifffahrt weit übersteigen werden. Über 1.000t Treibstoff waren Anfang August aus dem in Ballast fahrenden Schiff ausgetreten und führen nun in den betroffenen Naturreservaten – vor allem der Lagune vor Pointe d›Esny – zu massiven Verschmutzungen.

Schon machen Kostenschätzungen in Höhe von über 500Mio. $ für die Bekämpfung der Umweltschäden die Runde. Die Haftung der Schiffseigner und ihrer P&I-Versicherer bei derartigen Schäden ist für ein Schiff wie die »Wakashio« (101.932 BRZ) jedoch gedeckelt bei 18Mio. bis maximal 65,2Mio. $, je nachdem welche internationale Vereinbarung vor Ort Gültigkeit hat, wie die britische Seerechtskanzlei Clyde & Co. ausführt. Die möglicherweise gigantische Haftungslücke ist dem Umstand geschuldet, dass es sich bei dem ausgelaufenen Öl um Treibstoff und nicht um Ladung handelt.

Wäre die »Wakashio« ein Tanker, würde die zivilrechtliche Haftung bei der gleichen Ölmenge unter den dafür vorgesehenen International Oil Pollution Compensation Funds (IOPC) 286Mio. $ betragen, schreiben Experten der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD). Da die »Wakashio« aber ein Bulk Carrier ist, kommt stattdessen die Bunker Convention von 2001 zur Anwendung. Deren Unterzeichnerstaaten hatten seinerzeit keine so großen Schadensausmaße für möglich gehalten, wohl weil die Treibstofftanks von Schiffen zumeist viel kleiner sind als Laderäume von Öltankern.

Begrenzt wird die Haftung unter der Bunker Convention konkret durch das Übereinkommen über die Haftungsbeschränkung (Limitation Convention, 1976). Die darin verordneten Limits wurden durch das 1996er Protokoll und zuletzt durch eine IMO-Resolution im Jahr 2016 angehoben. In Staaten, die die 2016er Resolution ratifiziert haben, läge die Haftung der Wakashio-Eigner laut Clyde & Co. bei 65,2Mio. $. Der Inselstaat Mauritius hinkt bei der Ratifizierung aber hinterher – hat nur die 1976er Konvention in nationales Recht umgesetzt, nicht aber das 96er Protokoll. Demnach wäre die Haftung der Verursacher bei 18Mio. $ gedeckelt. Diese regulatorische Nachlässigkeit könnten viele Inselbewohner ihrer Regierung durchaus übelnehmen. Medienberichten zufolge regen sich bereits zunehmend kritische Stimmen auf Mauritius.

Der finanzielle Schaden, der nun droht, sollte Behörden und Regierungen weltweit wachrütteln, warnt Martin Hall, Head of Marine Casualty bei Clyde & Co.. Die Haftungslimits unter der Bunker Convention müssten schleunigst hochgesetzt werden, als erstes aber sollten alle Küstenstaaten die aktuell möglichen Haftungsgrenzen auch ausschöpfen.