»Prinzessin Victoria Luise« – schuld war der Kapitän …

Ich werde mit der Werft von Blohm & Voss den Bau eines Dampfers contrahieren, welcher in seiner Art einzig in der[ds_preview] Welt dastehen wird. Es soll eine große Yacht erbaut werden, welche weder Ladung noch Post befördert und nur für die Aufnahme von Reisenden erster Classe eingerichtet ist« – Albert Ballin, der Verfasser dieser Zeilen, wurde 1899 zum Generaldirektor der HAPAG ernannt. Im selben Jahr gab er die »Prinzessin Victoria Luise« in Auftrag. Das Schiff begründete eine lange Tradition, hatte aber selbst nur ein kurzes Leben.

Kreuzfahrten waren bereits in den 1890er Jahren, nicht zuletzt auf Initiative Ballins, ein sehr lukratives Geschäft geworden. Die HAPAG bot Schnelldampfer aus dem Linienverkehr etwa zu Levante-Reisen an. Da diese Schiffe im Winterhalbjahr auf dem Nordatlantik wenig Beschäftigung fanden, schienen sie aufgrund ihrer üppigen Ausstattung ideal für diesen Zweck, erwiesen sich unter dem Strich aber als unökonomisch.

Ein Zweckbau, ein repräsentatives Schiff mit kleineren Maschinen und weniger Kohleverbrauch sollte den Markt bedienen. Am 28. Juni 1900 lief die »Prinzessin Victoria Luise« vom Stapel, getauft auf den Namen der Tochter des Kaisers. Das 4.419 t große, 124 m lange Schiff war mit seinen 15 kn Geschwindigkeit in der Tat kein Rennpferd. Schneeweiß angestrichen, mit Klippersteven versehen, war es jedoch von Yacht-ähnlicher Eleganz. Unter Deck wartete großer Luxus. Die Fahrpreise waren von Route und Kabinenlage abhängig. Die erste, 135-tägige Weltreise in östliche Richtung kostete zwischen 3.000 und 10.800 Mark (etwa 15.000 bis 55.000 €).

Vorzeitiges Ende in der Karibik

Im Frühjahr fuhr das Schiff regelmäßig ins Mittelmeer zu Bildungsreisen. Im Sommer wurden Fahrten in die Fjorde Norwegens angeboten, wo auch der Kaiser weilte – die Begegnung mit dem Monarchen hatte man sozusagen mitgebucht. Der Winter wurde in der Karibik verbracht. Auf einer dieser Reisen fand die »Prinzessin Victoria Luise« ihr vorzeitiges Ende.

Am Abend des 16. Dezember 1906 befand sie sich, nach schneller Überfahrt aus New York kommend, vor dem Hafen von Kingston, Jamaika. Laut den Protokollen des Seeamtes Hamburg vom 23. Mai 1907 plante Kapitän Brunswig zunächst, ohne Lotsen einzulaufen. Der Erste Offizier erhob Einspruch, und Brunswig wollte nun vor Kingston ankern. Er ließ mit voller Fahrt auf den Ankerplatz zuhalten. Die Nacht war dunkel, aber »gut feuersichtig«; es herrschte starke Dünung. Allerdings ging der Kapitän von einer falschen Position aus, das Schiff lief bei voller Fahrt auf einen Felsen. Brunswig erschoss sich kurz darauf in seiner Kabine.

Die Passagier konnten am nächsten Tag an Land gebracht werden, das Schiff musste angesichts der großen Schäden aufgegeben werden.

Der Spruch des Seeamtes führt zum Sachverhalt aus: Die Strandung »ist von Kapitän Brunswig dadurch verschuldet, dass er seinen Ankerplatz unter nicht genügender Beobachtung der Leitfeuer und unter Beibehaltung der vollen Fahrt aufsuchte. Kapitän Brunswig hat dadurch, dass er sich bald nach dem Unfall erschossen hat, ohne sich um die Rettung des Schiffes, der Passagiere und der Besatzung zu kümmern, in bedauerlicher Weise gegen seine Pflichten verstoßen. Die Schiffsoffiziere trifft keine Schuld, dem ersten Offizier Vahsel, der den Kapitän rechtzeitig gewarnt hat, gebührt für sein Verhalten Anerkennung.«

Das Unglück der »Prinzessin Victoria Luise« bedeutete freilich nicht das Ende der Kreuzfahrtambitionen der HAPAG. Die Zusammenarbeit mit der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin über den Verkauf von Streckenfahrscheinen und die 1905 erfolgte Übernahme des Reisebüros Carl Stangen professionalisierte das Reise- und Kreuzfahrtgeschäft.
Autor: Axel Grießmer – Internationales Maritimes Museum Hamburg