Wann auch immer die Corona-Pandemie überwunden sein wird, sollten wir einen Faktor, der in Covid-19-Zeiten stärker in[ds_preview] den Fokus gerückt ist, nicht wieder aus dem Blickfeld verlieren: den Menschen.
Natürlich ist die Schifffahrt ein Wirtschaftssegment und damit per Definition auf nackte ökonomische Kennzahlen ausgelegt. Und ja, gerade in Krisenzeiten sind mitunter schmerzhafte Maßnahmen nötig. Auch 2020 war das so. Anderseits hat uns das Jahr gezeigt, worauf es eben auch ankommt – zumindest so lange die Schifffahrt noch nicht komplett von Maschinen und Algorithmen übernommen wird.
Das Schicksal Abertausender von Seeleuten wird seit Monaten öffentlich debattiert. Sie sitzen auf Schiffen fest und können nicht in ihre Heimat, weil sie nicht (ein- oder aus-)reisen dürfen. Allen, zum Teil wirklich beeindruckenden Unterstützungsmaßnahmen von Reedern, Shipmanagern und Wohltätigkeitsorganisationen zum Trotz, ist das Problem längst noch nicht gelöst.
Soviel zum Rückblick. Wichtiger ist der Ausblick. Erst nach der Krise wird sich zeigen, wie nachhaltig all die Rufe nach menschlichen Bedingungen für die Menschen an Bord waren. Ebbt die öffentliche Empörung ab? Es wäre nicht das erste Mal …
Dabei geht es im Kern um mehr als ums »Crewing« im Sinne von Notfallmaßnahmen für gestrandete Seeleute. Die Zukunft der Besatzungspraxis hat durchaus nüchterne wirtschaftliche Komponenten.
Da sind wir dann auch wieder bei Maschinen und Algorithmen. Das ökonomische Potenzial der vermeintlich »unbemannten« oder autonomen Schifffahrt ist enorm, einerseits. Unabhängig vom soziokulturellen Aspekt der Arbeitsplatzbeschaffung geht es andererseits aber auch um die Sicherheit auf See und damit um potenzielle Kosten für die Wirtschaft.
Die meisten Havarien sind zwar nach wie vor auf die berüchtigten »human error« zurückzuführen. Die »human expertise«, das Knowhow der Seeleute, bleibt bei dieser Rechnung jedoch bisweilen zu wenig beachtet. Durch die Erfahrung der Männer und Frauen an Bord wird eine um ein Vielfaches größere Anzahl von Unfällen vermieden. Ob Maschinen lernen, ähnlich intuitiv zu handeln?
Nicht zuletzt geht es um den Zustand der fahrenden Flotte. Die lange Schifffahrtskrise hat gezeigt, dass daran nicht gespart werden sollte. Inspekteure und Besichtiger berichten von bisweilen mangelnder Wartung. Die Konsequenz: teure Reparaturen werden fällig.
Interessant sind in diesem Zusammenhang aktuelle Forschungsprojekte zur unbemannten Schifffahrt, die auch »Sozialaspekte« einer stärkeren Automatisierung an Bord beleuchten – man darf auf erhellende Ergebnisse hoffen.
Die maritime Branche hat die – auch ökonomische – Pflicht, den Faktor Mensch im Blick zu behalten, mindestens so sehr wie in den letzten Monaten.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein besseres Jahr 2021.
Michael Meyer – Stellvertretender Chefredakteur