Erst eine Service-Erweiterung in Bremerhaven, nun die Expansion des Schleppbetriebs in den drittgrößten deutschen Nordseehafen Emden: Svitzer sieht gute Chancen in der Region, berichtet Mattias Hellström, Chief Commercial Officer, Svitzer Europe
Warum hat sich Svitzer entschieden, den Betrieb nach Emden zu erweitern? Hat sich eine Nische aufgetan oder sehen Sie[ds_preview] ein Wachstum des Hafens voraus?
Mattias Hellström: Emden ist ein Hafen mit sehr viel Potenzial. Er ist Deutschlands drittgrößter Nordseehafen, Europas größter RoRo-Hafen, ein bedeutendes Export-Terminal für den deutschen Automobilsektor und ein wichtiger logistischer Knotenpunkt für den wachsenden Offshore-Windsektor in der Deutschen Bucht. Wachstum und Diversifizierung sind die Hauptmerkmale von Emden und spiegeln die breitere Schifffahrtsindustrie und andere Hafenökosysteme wider.
Dementsprechend haben uns viele unserer Kunden auf die Aussicht angesprochen, dass Svitzer in Emden tätig werden könnte. Wir haben auch eine rigorose Marktanalyse durchgeführt, die uns einen starken Business Case für die Expansion in den Hafen lieferte. Die Präsenz in Emden entspricht voll und ganz der Wachstumsstrategie von Svitzer, und wir sind begeistert von den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben.
Seit Juli 2020 ist Svitzer auch in Bremerhaven mit einem Festmacherbetrieb präsent. Was gab dort den Ausschlag?
Hellström: Wir bieten seit 2013 Schleppdienste für Kunden in Bremerhaven an. Unser Line-Handling-Geschäft dort wurde auf Kundenwunsch initiiert, und durch die Nutzung der bestehenden Backoffice-Organisation für Schleppdienste erwies sich der Business Case als vielversprechend.
Die Erbringung von Festmacherdienstleistungen in Bremerhaven ist Teil eines bereits vielfältigen operativen Portfolios, das sich aus unserer übergreifenden Strategie ergibt. Zum Beispiel haben wir innerhalb des Svitzer-Clusters Skandinavien und Deutschland einen weiteren kleineren Festmacherbetrieb in Frederikshavn, und in anderen Häfen bieten wir Eisbrecher-, Fahrwasserwartungs-, Bergungs- und Küstenschleppdienste an.
Genau wie das Line Handling in Bremerhaven ist jede Expansion oder Investition bei Svitzer ein Ergebnis unserer kunden- und serviceorientierten kommerziellen Wachstumsstrategie. Sie ist der Leuchtturm, nach dem wir unsere Organisation steuern, und sie gibt uns die Flexibilität, die wir brauchen, um auf die Marktbedingungen und das vorherrschende Ökosystem der Schleppschifffahrt zu reagieren. Wenn es neue Möglichkeiten gibt, unseren Kundenstamm zu unterstützen und den besten und sichersten Betrieb in einem sich ständig wandelnden Sektor zu bieten, werden wir diese verfolgen.
Wie sieht das Wettbewerbsumfeld in Emden und Bremerhaven aus, was sind die Herausforderungen?
Hellström: In jedem Hafen gibt es immer eine Reihe von Herausforderungen. Viele haben einzigartige Faktoren, die die Belastung für unsere Besatzungen, unsere Schiffe und unseren Betrieb erhöhen können. In Emden zum Beispiel gibt es sowohl einen tideabhängigen Außenhafen als auch einen unabhängigen Binnenhafen, der hinter zwei Schleusen an der Ems liegt. Um beide konsequent zu bedienen, müssen wir uns entsprechend anpassen.
Währenddessen ist Bremerhaven ein komplexes und schwieriges Betriebsumfeld, da Schleppjobs unter Umständen Schleusen in Panamax-Größe überwinden müssen und zudem eine Reihe von Tide- und Binnenhäfen bedienen. Wichtig ist, dass wir in beiden Häfen die gleichen hohen Sicherheits- und Betriebsstandards einhalten, die für alle unsere weltweiten Aktivitäten gelten. Das gibt uns, unseren Kunden und den Häfen die Gewissheit, dass wir in der Lage sind, die einzigartigen Herausforderungen jedes Hubs zu meistern.
Die Schlepperbranche befindet sich generell in einer interessanten Position, da sie sich mit größeren Herausforderungen konfrontiert sieht. In Anbetracht unserer wichtigen Rolle als Hüter der ersten und letzten Meile des globalen Seehandels müssen wir die größeren Veränderungen, die in der Branche stattfinden, bewältigen und gleichzeitig einen sicheren Betrieb in der Hafenumgebung gewährleisten.
Trends wie größere Schiffe, komplexere und vielfältigere Einsätze, verkehrsreichere Häfen – zusammen mit der Volatilität des Konjunkturzyklus – üben alle Druck auf die Schleppdienstbetreiber aus.
Bei Svitzer versuchen wir, auf diese Veränderungen zu reagieren, indem wir ständig unsere verfügbaren Ressourcen überprüfen und vor allem versuchen, kundenorientiert, dynamisch und reaktionsschnell zu sein. Unsere Entscheidung, moderne, manövrierfähige Schlepper wie unseren neuen ASD-Schlepper »Svitzer Vestri« mit 62t Pfahlzug in unserem Betrieb in Emden einzusetzen, ist ein Beispiel für diesen Ansatz.
Was schließlich die Wertschöpfung betrifft, so sind wir der Meinung, dass unsere Präsenz und Größe als globaler Schleppdienstleister ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist. Wir können unsere Flotte flexibel einsetzen, um veränderten Nachfragemustern gerecht zu werden und auf Kundenwünsche zu reagieren. Manchmal erfordert dies sogar, dass wir Schiffe aus weiter entfernten Ländern anrufen. Das Wichtigste ist, dass wir unsere globale Größe nutzen, um unseren Kunden wettbewerbsfähige und integrierte Angebote zu machen; wenn sie uns brauchen, können wir da sein.
Warum ist gerade Deutschland für die Wachstumsstrategie von Svitzer in Europa so wichtig?
Hellström: Deutschland ist wichtig, weil es eine wichtige Region innerhalb unseres Skandinavien- und Deutschland-Clusters ist, das wiederum ein wichtiger Teil unseres Svitzer-Europa-Portfolios ist. Unsere Aktivitäten in diesem Cluster umfassen Deutschland, Schweden und Dänemark, mit besonderem Fokus auf die schwedische Ost- und Westküste, den Belt, den Sund und die Westküste Dänemarks – sowie Deutschland, wobei Bremerhaven der größte Hafen ist, den wir bedienen.
Emden und Bremerhaven sind großartige Ergänzungen zu unserem globalen Portfolio. Beide Häfen sind relativ groß und beherbergen eine große Vielfalt an Schiffsanläufen. Unsere Präsenz hier könnte uns zu einem attraktiven Partner in anderen Teilen der Welt machen.
Gibt es weitere deutsche Häfen, die in das Portfolio passen würden?
Hellström: Als Unternehmen haben wir eine sehr aktive Wachstumsstrategie, und wir suchen ständig nach Möglichkeiten, unser globales Portfolio zu erweitern. Dieser Ansatz gilt auch für alle Möglichkeiten, ob lokal, regional oder global.
Wie wir bei unserem Einstieg in Emden gesehen haben, werden wir, wenn es einen starken, direkten Nutzen für unsere bestehenden und neuen Kunden gibt, dies sehr genau prüfen und eine geschäftliche Rechtfertigung erstellen. Ein wichtiger Teil davon ist es, sicherzustellen, dass wir die richtige landseitige Infrastruktur haben, um unsere Crew und Kunden zu unterstützen.
Der europäische Schleppermarkt gilt als äußerst wettbewerbsintensiv. Wie hat die Pandemie diese Situation beeinflusst, da viele Häfen Ladungsrückgänge hinnehmen mussten?
Hellström: Der Schleppdienst ist in der Tat sehr wettbewerbsintensiv. Wir sind oft mit dem scharfen Ende der Marktkräfte konfrontiert, und als Sektor haben wir in den letzten Jahren ein beträchtliches Maß an Konsolidierung und Umwälzungen erlebt. Covid-19 ist eine große logistische und betriebliche Herausforderung, die sich auch allgemein auf das Volumen auswirkt. In einigen Häfen sind die Auswirkungen stärker als in anderen, abhängig von ihrer Hauptfrachtquelle. Sicherlich sind Standorte, die stark auf Öl und Gas ausgerichtet sind, betroffen, während Container nicht so stark beeinträchtigt sind. Mit weniger Verkehr in und aus den meisten Häfen spüren auch die Schleppunternehmen den Schmerz.
Mittelfristig könnte die Pandemie jedoch zu einem Katalysator werden, der den Wandel in der Schlepperbranche beschleunigt. Das könnte von einer weiteren kommerziellen Konsolidierung des Marktes bis hin zum verstärkten Einsatz digitaler Technologien reichen.
Interview: Felix Selzer