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Trotz den vielfältigen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hat die Arbeit der Flaggenstaatsverwaltungen nach Ansicht der Reedereien im vergangenen Jahr nicht übermäßig gelitten.

[ds_preview]Die »International Chamber of Shipping« (ICS) als globale Organisation der Reedereiverbände hat ihre neueste Performance-Bewertung veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Flaggen dieser Welt ihre Hausaufgaben offenbar zu einem großen Teil gemacht haben. Die Analyse von Hafenstaatkontrollen (PSC) zeige, dass »viele der größten Flaggenstaaten« – explizit genannt werden die Marshallinseln, Hongkong (China), Singapur sowie die Bahamas und Zypern – »weiterhin einen außergewöhnlich hohen Leistungsstandard aufweisen«. Traditionelle Flaggen und offene Register würden gleich gut abschneiden, so die ICS.

Die Flaggenstaat-Leistungstabelle der ICS fasst Daten anhand bestimmter Kriterien zusammen, wie Aufzeichnungen zur Performance bei Hafenstaatkontrollen (PSC), Ratifizierung internationaler Konventionen und Teilnahme an IMO-Sitzungen. Die Ausgabe 2020/2021 basiert auf den aktuellsten Daten, die ab Januar 2021 verfügbar waren. Sie soll Reeder dazu ermutigen, den Dialog mit ihren Flaggenverwaltungen aufrechtzuerhalten und dazu beitragen, notwendige Verbesserungen im Interesse der Sicherheit, der Umwelt und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. ICS-Generalsekretär Guy Platten sagte: »Die Tabelle zeigt deutlich, dass Unterscheidungen zwischen ›traditionellen‹ Flaggen und offenen Registern nicht mehr sinnvoll sind. Neben mehreren europäischen Registern und Flaggen wie Japan haben wir viele offene Register unter den Spitzenreitern gesehen«.

Unter den nach Tonnage zehn größten Schiffsregistern, die mehr als 70 % der Weltflotte abdecken, weist keines mehr als zwei Indikatoren für eine potenziell negative Leistung auf, fünf haben überhaupt keine negativen Indikatoren.

Flag State Flaggen Flagge scaled
Flag State Performance 2020/2021 (Quelle: ICS / HANSA)

Es gibt allerdings in einigen Fällen nach wie vor Nachholbedarf, wie Platten erklärte: »Es gibt immer noch eine Reihe kleinerer Flaggenstaaten, die eine Menge Arbeit vor sich haben, um ihre Leistung erheblich zu verbessern.« Er riet Reedern, »sehr sorgfältig« abzuwägen, ob sie diese Flaggen nutzen wollen, die möglicherweise als unterdurchschnittlich wahrgenommen werden. Konkrete Flaggen nannte er nicht, sie können allerdings in der Tabelle abgelesen werden.

Aktualisierte Kriterien

Aufgrund der Verwerfungen infolge der Corona-Pandemie war die Bewertung der vorherigen Periode (2019/2020) nicht veröffentlicht worden. Einige Daten wurden nun nachträglich publiziert. Als Reaktion auf die jüngsten Rückmeldungen von Regierungen und der Industrie hat die ICS eine Reihe von Aktualisierungen an einigen der Kriterien vorgenommen. So soll sichergestellt werden, dass die Tabelle »so objektiv wie möglich bleibt« und sowohl für die Industrie als auch für die Aufsichtsbehörden zweckmäßig ist.

Dazu gehört eine Aktualisierung der Kriterien für anerkannte Organisationen (RO), mit denen festgestellt wird, ob ROs, die Besichtigungen im Auftrag eines Flaggenstaates durchführen, als fähig angesehen werden, dies in Übereinstimmung mit dem »IMO RO-Code« zu tun.

In diesem Jahr wurde eine neue Berechnungsmethode für dieses bestehende Kriterium verwendet, wobei Flaggenstaaten nun positiv angezeigt werden, wenn entweder die Performance von mindestens 50 % der von ihnen beschäftigten ROs in den Hafenstaatkooperationen »Paris MOU« und »Tokyo MOU« als »leistungsstark« aufgeführt sind, oder Flaggenstaaten die entsprechenden RO-Daten gemäß dem RO-Code eingereicht haben.

Einschränkungen

»Angesichts der Art der von der ICS verwendeten Leistungsindikatoren sollte es nicht als ernsthaftes Problem angesehen werden, ob einem Flaggenstaat ein oder zwei grüne Markierungen in der Tabelle fehlen. Daher sollte eine Flagge mit einer soliden Reihe von »grünen Merkmalen« nicht unbedingt als besser angesehen werden als eine andere, bei der ein oder zwei Markierungen fehlen, wofür es gute Gründe geben kann«, so die ICS weiter. Zum Beispiel könne ein Flaggenstaat ein bestimmtes IMO- oder ILO-Instrument aufgrund eines Konflikts mit seinem nationalen Recht nicht ratifiziert haben, aber dennoch die wichtigsten Anforderungen des Übereinkommens umsetzen. Ein weiteres Beispiel für einen guten Grund, warum einer Flagge ein oder zwei positive Indikatoren fehlen, könnte an den PSC liegen, insbesondere wenn ihre Schiffe zu wenige Häfen für einen Platz auf den »weißen Listen« bestimmter PSC-Regime angelaufen haben.

Deutsche Flagge reagiert

Auch die deutsche Flagge will Seeleute und Reedereien bestmöglich im Umgang mit der Corona-Pandemie unterstützen. Dafür wurden Verfahren an die aktuelle Lage angepasst, wie kürzlich bekannt wurde. In der deutschen Flotte fuhren mit Stand Ende Januar insgesamt 1.825 Schiffe. 290 davon fahren unter deutscher Flagge, wie aus Daten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie hervorgeht. Zu den beliebtesten Optionen unter den anderer Register gelten für die hiesigen Reedereien vor allem Antigua & Barbuda (480), Liberia (418) und Portugal (308) sowie mit einigem Abstand Zypern (115).

Wie schon im März beim ersten Corona-Lockdown gelten für deutsch-geflaggte Schiffe deutsche Befähigungszeugnisse und Befähigungsnachweise, die jetzt ablaufen, pauschal sechs Monate länger. Wenn vorgeschriebene Refresher-Lehrgänge wegen des Corona-Virus ausfallen, alle anderen Voraussetzungen zur Gültigkeitsverlängerung jedoch vorliegen, werden Zeugnisse regulär um fünf Jahre verlängert. Der Nachweis des durchgeführten Wiederholungslehrgangs muss nachgereicht werden. Die BG Verkehr führt den Angaben zufolge derzeit Schiffsbesichtigungen nur in Ausnahmefällen durch. »Für flaggenstaatliche Besichtigungen sollten Reedereien die BG Verkehr kontaktieren, um individuell zu klären, ob und wie anstehende Besichtigungen durchgeführt werden können«, heißt es seitens der Behörden. Wenn in einem Hafen keine Besichtigung aufgrund von Covid-19-Schutzmaßnahmen möglich sei, könne die Deutsche Flagge im Einzelfall und nach Prüfung einiger Unterlagen auf eine Besichtigung verzichten. Dazu zählen:

  • Erklärung des Reeders, welche besonderen Bedingungen aufgrund der Covid-19-Beschränkungen eine Besichtigung nicht möglich machen.
  • Erklärung/Empfehlung der Klassifikationsgesellschaft einschließlich Heranziehens des letzten Klassenberichtes
  • Auswertung bestehender Auflagen der für das Schiff verantwortlichen Klassifikationsgesellschaft (Class Conditions)
  • Einsicht in den Bericht der letzten Bodenbesichtigung unter Angabe IW (In Water) oder Dry-Docking
  • Auswertung der Ergebnisse aus den Datenbanken der jeweilige Hafenstaatkontrollregime (PSC-MoUs)
  • Auswertung des letzten ISM-Auditberichts
  • Bei Non-Convention-Schiffen (d.h. sie unterliegen nicht den internationalen Übereinkommen wie SOLAS u.a.) und Fischereifahrzeugen über 24 m Länge: Auswertung letzter Flaggenstaatsberichte.

In diesen Ausnahmefällen kann die Deutsche Flagge elektronische Kurzzeit-Zeugnisse bis zu dem Zeitpunkt erteilen, in dem eine Besichtigung des Schiffes möglich ist.        (MM)

Stimmen aus der Industrie

Gunnar Georgs – Regional Manager – IRI International Registries GmbH

»Es ist nicht per se so, dass offene Register schlecht und nationale Register gut sind – einige nationale Flaggen sind sehr schlecht. Das Wichtigste ist, eine Qualitätsflagge zu wählen. Dies ist kein neuer Trend, RMI war stets eine der leistungsstärksten Flaggen im Paris MOU und Tokyo MOU und ist seit 16 Jahren auf der USCG-Qualship-Liste. Qualitätsflaggen sind diejenigen, die in Menschen und Systeme investieren und sich dafür einsetzen, dass die Schiffe sicher und ohne Umweltverschmutzung betrieben werden. Die Qualität der Dienstleistung ist der entscheidende Faktor, die Top-Flaggen beschäftigen erfahrenes und gut ausgebildetes Personal in Kombination mit effizienten Systemen und moderner Technologie. Diejenigen Flaggen, die nicht in ihr Geschäft investieren, werden sehen, wie ihre Qualität sinkt.«

 

Merle Stilkenbäumer & Claas Ringleben – LISCR (Deutschland) GmbH:

»Die Einschätzung der ICS spiegelt die Realität wider: Moderne Reedereien setzen auf Tradition, aber eben auch und immer mehr auf verlässliche Zusammenarbeit mit einem Partner, der innovativ und pragmatisch auf die sich ständig ändernden Herausforderungen antwortet. Ein (mit-)entscheidender Faktor ist die Reaktionszeit: Jede unangemessene Verzögerung kostet Geld, und daher wenden sich Schiffsbetreiber, Eigner und Charterer verstärkt Flaggenstaaten wie uns zu, die das bestmöglich zu vermeiden wissen.«