Das eLog wird seit November 2020 in der Praxis erprobt und soll ab dem kommenden Herbst auf dem Markt erhältlich sein © Raytheon Anschütz
Das eLog wird seit November 2020 in der Praxis erprobt und soll ab dem kommenden Herbst auf dem Markt erhältlich sein © Raytheon Anschütz
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Die Welt wird immer digitaler und dennoch erfolgt die Erfassung von Positionsdaten auf 90 % der Seeschiffe noch immer per Hand. Dies will der Navigationsexperte Raytheon Anschütz mit seinem digitalen Logbuch eLog nun ändern. Von Anna Wroblewski

Obwohl viele Daten an Bord eines Schiffes digital vorliegen, werden sie heutzutage[ds_preview] trotzdem vielfach noch analog erfasst. So auch in der Regel die Positionsdaten. »Eine Position liegt als binärer Code vor. Ein Nautiker steht mindestens einmal in der Stunde da und schreibt die Zahlen ins Logbuch ab. Das ist absurd«, sagt Volker Wenzel, der als Technical Marketing Manager für den Vertrieb des digitalen Logbuchs zuständig ist und zugleich das Entwicklungsteam unterstützt. Diese im digitalen Zeitalter anachronistische Tätigkeit zu ändern und in die heutige Zeit zu überführen, hat sich das Kieler Unternehmen mit der Entwicklung des eLogs vorgenommen.

Volker Wenzel begleitet die eLog-Entwicklung © Raytheon Anschütz
Volker Wenzel begleitet die eLog-Entwicklung © Raytheon Anschütz

Im RAN-Dock entstanden

Die Idee zur Entwicklung des eLogs entstand im RAN-Dock – Raytheon Anschütz’ Innovationswerkstatt. Diese soll den Mitarbeitern außerhalb der etablierten Prozesse die Möglichkeit zu geben, Ideen zu entwickeln. In der Innovationswerkstatt können Mitarbeiter ihren Kollegen sowie einer Jury ihre Projekt- und Produktideen präsentieren. Die besten werden ausgewählt, anschließend erhalten die Mitarbeiter ein Zeitkontingent sowie einen finanziellen Rahmen, um Kundenpotenziale aufzuzeigen und im Idealfall eine Produktentwicklung auf den Weg zu bringen. Das Besondere daran ist, dass dieser Innovationshub auch offen für andere Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Start-ups ist. Das heißt, potenzielle Kunden sowie Partner können von Anfang an mit ins Boot geholt werden. Bei einem solchen RAN-Dock-Wettbewerb ist die Idee zum Logbuch im Jahr 2019 entstanden.

Wenzel, der selbst als Nautiker zur See gefahren ist, erklärt die Motivation, die hinter der Produktidee von eLog steht: »Eine Schiffsbesatzung hat heutzutage viele Aufgaben. Die originäre Aufgabe eines Nautikers, das sichere Führen eines Schiffes, ist mittlerweile nur ein Teil davon. Heutzutage gibt es auch eine Reihe administrativer Aufgaben an Bord.« Vor diesem Hintergrund habe man überlegt, wie man die Schiffsführung effizienter und sicherer gestalten könnte. Zudem stellen viele Branchen weltweit die Datenerfassung von Papier auf digital um, während noch 90 % der Seeschiffe mit traditionellen Logbüchern zur Dokumentation unterwegs sind. Der Gedankengang war dabei, die Dateneingabe zu vereinfachen und zu automatisieren. Sicherheit zu schaffen, was die Vollständigkeit und Qualität der Logbuchdaten angeht. Und durch die digitale Vorhaltung der Daten eine weitere Nutzung zu ermöglichen, beispielsweise für Reportings. »Das war der Startgedanke. Wir waren von der Idee überzeugt und nachdem wir auch von Kunden ein positives Feedback bekommen haben, sind wir ›damit losgelaufen‹«, sagt Wenzel.

Live auf See

Mittlerweile hat Raytheon Anschütz sieben Testpartner, bei denen das eLogbuch als Prototyp seit November 2020 getestet wird. Dazu gehören unter anderem Containerschiffsreedereien, Behördenschiffe sowie ein Simulationszentrum an einer Hochschule. »Während der laufenden Erprobungsphase verbessern wir das Produkt kontinuierlich. Das heißt, wir erhalten von Anfang an Rückmeldung von den Anwendern und setzen die Verbesserungsvorschläge gleich um. Parallel dazu haben wir die Lücken mit Partnern geschlossen, die uns als Navigationsexperte gefehlt haben«, so Wenzel. Mit an Bord ist beispielsweise auch der Formularus Verlag, der Papier-Logbücher produziert und weltweit tausende Schiffe mit Logbüchern bedient, berichtet Wenzel. »Der Verlag hat uns mit seiner Expertise für Dokumentation weiteren Input gegeben. Diese Informationen, die in die Entwicklung des eLogs eingeflossen sind, waren für uns wirklich wertvoll.«

 eLog verbessert die Qualität und Weiterverwendung von Daten verglichen mit Papierlogbüchern © Raytheon Anschütz

eLog verbessert die Qualität und Weiterverwendung von Daten verglichen mit Papierlogbüchern © Raytheon Anschütz

App statt Papier

Das eLog basiert auf einer App und einem kleinen Rechner. Dieser kann entweder direkt an das AIS angeschlossen werden oder, wenn vorhanden, direkt an das Netzwerk einer Integrierten Brücke. Der Zugriff auf die App erfolgt über einen Browser und zwar unabhängig vom Betriebssystem und vom Hersteller der Brückensysteme.

Die Navigationsdaten werden in dem Rechner an Bord nach vorgegebenen Intervallen automatisch erfasst. Manuell können dann alle sonstigen im traditionellen Logbuch üblichen Informationen wie der Start einer Seepassage oder Ankerwerfen eingetragen werden. Die erfassten Daten können optional in einer Cloud gespeichert werden. »Das ist natürlich ein echter Mehrwert, weil es zugleich eine Datensicherung darstellt«, so Wenzel. Außerdem habe auch die Reederei von Land aus die Möglichkeit, die Daten einzusehen und zu exportieren. Das eLog verhindere aber, dass hier noch Einträge vorgenommen werden.

Sicherheit durch Blockchain

Das eLog basiert auf einer Blockchain, die dafür sorgt, dass Einträge nicht manipuliert werden können. Nur die Nautiker an Bord haben den vollen Zugriff. Sie müssen sich zunächst mit ihrem Account einloggen und können dann eine Information eintragen. Wie bei einem Papierlogbuch muss der Eintrag von einem Ersten Offizier und einem Kapitän abgezeichnet werden, was durch einen integrierten Genehmigungsworkflow sichergestellt wird. Alle Einträge bleiben immer erhalten, auch wenn sie korrigiert worden sind. Dadurch bleiben sie immer nachvollziehbar. Und das in einer gleichbleibend hohen Qualität, wie Wenzel hervorhebt. In einem Papierlogbuch würden Positionsdaten und weitere Informationen oft unter Stress eingetragen, was dazu führen kann, dass diese fehlerhaft, unvollständig oder unleserlich sind. Das könnte mit eLog ausgeschlossen werden.

Ein weiterer Vorteil der digitalen Erfassung ist, dass in diesen Daten mit einer Filtersuche gesucht werden kann. Dies sei beispielsweise nützlich, wenn ein Eigner-Charterer-Verhältnis besteht, und beide Fragen in Bezug auf Kraftstoffverbrauch haben. Anhand der Einträge lässt sich für alle nachvollziehbar belegen, wann ein Schiff zum Beispiel in ein Gebiet mit schlechtem Wetter eingefahren ist und dadurch mehr Kraftstoff verbraucht hat.

Logbuch im Abo

Aktuell befinden sich die Tests für eLog in der Abschlussphase und Raytheon Anschütz plant ab Herbst die Markteinführung. »Das Kundenfeedback, was wir bisher bekommen haben, ist sehr positiv. Und es gibt auch schon die ersten Signale, dass Testpartner das eLog behalten und sogar auf die ganze Flotte ausrollen wollen«, sagt Wenzel.

Angeboten wird es in einem Abo-Modell. Das heißt der Schiffseigner kauft die Hardware und ein Abo für zwölf Monate dazu. Im ersten Schritt wird Raytheon Anschütz ein Decklogbuch, ein Bellbook und eine Noon-Reporting-Funktion sowie den digitalen Zugang über eine Cloud anbieten. Perspektivisch sollen weitere Logbücher folgen.

Flaggenzulassung

Wie Wenzel abschließend berichtet, sei Raytheon Anschütz bereits mit führenden Flaggenstaatsverwaltungen im Gespräch, um die jeweiligen Zulassungen zu erhalten. Die deutsche Flagge habe das eLog beispielsweise als Logbuch bereits anerkannt. Liberia werde es auch anerkennen und die Vorgaben der Flaggen Singapurs und Zyperns würden ebenfalls erfüllt werden. »Jeder interessierte Reeder kann aber im Prinzip auf uns zukommen und die Flagge benennen, die er braucht. Wir werden dann in eine Kooperation treten und die entsprechende Zulassung anstreben. Nach unserem Verständnis ist es lediglich ein Formalakt«, erklärt Volker Wenzel.

Abstract: The logbook goes digital

The world is becoming more and more digital and yet the recording of position data is still done by hand on 90 % of seagoing vessels. The navigation expert Raytheon Anschütz wants to change this with its digital logbook eLog.