Michael Meyer, Stellvertretender Chefredakteur (© HANSA)

Das Gespenst leerer Gabentische geht um in unserer globalisierten Welt.[ds_preview] Weil wahlweise China oder die USA ihre Probleme mit Produktions- und Importkapazitäten nicht in den Griff bekommen und die Reedereien und Häfen dieser Welt ihre Schiffe und Routen nicht koordiniert bekommen – und überhaupt: »Corona« –, drohen uns empfindliche Lieferengpässe im Weihnachtsgeschäft. Diese Befürchtung wird zumindest in diesen Tagen über die (digitalen) Marktplätze gerufen.

Die aktuellen Logistikprobleme sind kaum von der Hand zu weisen. Ob man den düsteren Prognosen nun Glauben schenkt oder nicht, sie könnten doch auch etwas Positives mit sich bringen. Denn wenn die ganze Gesellschaft sozusagen am eigenen Leibe noch viel deutlicher als in der Vergangenheit zu spüren bekommt, wie wichtig eine funktionierende Seeschifffahrt mitsamt ihren Rahmenbedingungen ist, steigt möglicherweise auch die Wahrnehmung der und die Wertschätzung für die Branche. Aktuelle Umfragen deuten bereits in diese Richtung.

Einen aufpolierten Ruf kann die Schifffahrt durchaus gebrauchen. Noch immer wird sie in einigen Teilen der Gesellschaft vor allem als Klimakiller wahrgenommen. Bei aller berechtigten Kritik gehört zur Wahrheit aber auch, dass die politische Flankierung – wir reden hier nicht mal von Unterstützung – mindestens »ausbaufähig« ist. Noch immer ist das regulatorische Umfeld und die daraus resultierende Unsicherheit über Zulassung, Verfügbarkeit und Akzeptanz künftiger Kraftstoffe ein Hemmschuh in den Investitionsplänen von Reedern, Zulieferern und auch Häfen.

Einen weiteren Schub für politische Klarstellungen könnte auch von anderer Seite kommen: Große Handelskonzerne wie Amazon, Ikea, Unilever und Tchibo haben eine Initiative für Null Emissionen (»coZEV«) aufgelegt. Schon bis 2040 wollen sie ihre Transporte nur noch mit CO2-freien Kraftstoffen verschiffen lassen.

Solche Namen sorgen für gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Das ist in diesem Fall in gewisser Weise auch gut so. Denn mehr Bewusstsein in der Öffentlichkeit bedeutet nicht selten auch mehr politische Wahrnehmung, und dann hoffentlich mehr konstruktive politische Begleitung. Und nicht nur regulatorische Unsicherheiten, Flickenteppiche mit großen Lücken oder langwierige Planungs- und Umsetzungsprozesse auf allen politischen und administrativen Ebenen.

Schaut man sich den Neubau-Boom in der Containerschifffahrt an, mittlerweile auch immer mehr von deutschen Reedern getragen, ist es dringlicher denn je, die politischen Weichen noch genauer zu stellen. Um noch einmal auf die coZEV-Initiative zurückzukommen: LNG wird von Amazon, IKEA, Unilever und Co. übrigens nicht als ausreichend für die geplante Transformation bewertet …