Reeder, VDR, Präsidentin Gaby Bornheim
VDR-Präsidentin Gaby Bornheim
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Erstmals steht mit Gaby Bornheim ein Frau an der Spitze des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). In ihrem neuen Ehrenamt will sie nicht alles anders, aber manches besser machen, um den Schifffahrtsstandort und die Rolle des Verbandes weiter zu stärken.[ds_preview]

Ihre Wahl hat den einen oder anderen überrascht. Wie waren die ersten Tage für Sie?
Gaby Bornheim: Es war erst einmal sehr überwältigend, wie viele positive Reaktionen es gab. So viel Aufmerksamkeit bin ich nicht gewohnt. Dann fiel meine Wahl ja auch in die Zeit des Regierungswechsels, gerade in Bezug auf bestimmte Ämter blickt man noch mal mit ganz anderen Augen nach Berlin. Jetzt kommen die ersten Gespräche mit der Politik, auf die ich mich sehr freue und auf die ich auch sehr gespannt bin.

Zur Person

Gaby Bornheim ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin bei der Peter Döhle Schiffahrts-KG (Hamburg), einer der größten deutschen Reedereien. Sie folgt auf Alfred Hartmann, der den Verband VDR seit Anfang 2015 geführt hatte.

Was waren Ihre Beweggründe, für die Spitzenposition beim VDR anzutreten? Und wie kam es letztlich dazu?
Bornheim: Ich bin aus dem Präsidium heraus angesprochen worden. Vielleicht, weil man ahnte, dass mich die Herausforderung reizen könnte, nicht nur an der Seite zu stehen, sondern mit zu gestalten. Und was mich persönlich betrifft: Man hat vielleicht gesehen, dass ich mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Schifffahrt habe. Ich bin Juristin, das ist vielleicht auch nicht ganz schlecht in dieser Position. Vielleicht war es auch ganz einfach Zeit für eine Frau.

Mussten Sie überredet werden?
Bornheim: Das ist natürlich eine Entscheidung, die man sich in Ruhe überlegen sollte. Ich bin ja in der Reederei noch voll tätig und habe auch so schon keinen »9 to 5«-Job. Einen Bereich in der Geschäftsführung konnte ich abgeben, daher hoffe ich, dass ich gut dosiert sowohl mein Hauptamt als auch dieses Ehrenamt bewältigen kann. Ich bin selbst gespannt, wie das gelingt.

Was war für Sie der größte Reiz daran, Präsidentin zu werden?
Bornheim: Ich sehe, dass unser Industriezweig in den kommenden Jahren vor enormen Herausforderungen steht, ob es den Klimaschutz betrifft oder ob es um Standortfragen geht. Insofern ist es gut, wenn die Reeder bei den anstehenden Debatten mit angehört werden. Inwieweit wir dann auch konkret mitgestalten können, werden wir sehen.

Was sind die Themen, die der VDR und Sie auf die Agenda setzen wollen, gerade auch im Dialog mit der Politik?
Bornheim: Wir müssen den Schifffahrtsstandort attraktiver machen. Bis 2050 klimaneutral zu werden, ist ein hehres Ziel, da müssen und wollen wir eingebunden sein. Damit verbunden ist die Frage, welche Brennstoffe Schiffe künftig antreiben, wir brauchen eine entsprechende Förderung für Forschung und Entwicklung. Wir haben weitere Themen wie die Ausbildung, die Piraterie. Die Vielfalt und die Aufgaben sind groß.

Es gibt also aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf?
Bornheim: Ich bin zunächst sehr dankbar dafür, was unter meinem Vorgänger bereits erreicht wurde – und das ist nicht wenig. Aber der Mensch ist nie zufrieden, der Reeder auch nicht, also sind Verbesserungen immer wünschenswert und hoffentlich auch zu erreichen. Aber es muss im Gesamtszenario eben auch passen.

Herr Hartmann hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Schifffahrt durchaus mehr Wertschätzung verdient. Werden Sie auch darum kämpfen?
Bornheim: Das ist für uns enorm wichtig. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus unserer Reederei: Bis 2008 hatten wir Unmengen von Bewerbungen, in den Krisenjahren danach ist das Interesse an der Schifffahrt regelrecht eingebrochen. »Arm und sexy« bekommt Berlin vielleicht noch hin, aber das ist kein attraktives Image für Reedereien. Wir haben einen enormen Bedarf an Fachkräften, auch deshalb müssen wir etwas tun. Schifffahrt ist wahnsinnig attraktiv, das weiß ich aus eigener Erfahrung, mit sehr vielen spannenden Unternehmen. Das müssen wir wieder besser sichtbar machen.

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Entwicklung der deutschen Handelsflotte 1999 bis 2020, nach Tonnage und Zahl der Schiffe >100 BRZ (© VDR)

Sind schon konkrete Projekte in Arbeit?
Bornheim: Da wäre ich aber sehr schnell gewesen … Angedacht ist ein Runder Tisch zur Ausbildung, sprechen hilft sowieso immer. Da müssen wir alle mitmachen und uns vielleicht auch ein Stück weit bewegen. Work-Life-Balance ist für junge Menschen ein wichtiges Thema und für viele Bewerber vielleicht sogar ein ausschlaggebendes Argument. An Land, aber auch auf See. Da braucht es auch von unserer Seite neue Impulse und Angebote.

Die deutsche Flotte schrumpft seit Jahren. Haben Sie Ideen, wie Sie die deutsche Flagge stärken können, was ja auch für mehr Personal aus Deutschland sorgen würde?
Bornheim: Mehr als die Hälfte der in Deutschland registrierten Schiffe fährt mittlerweile unter einer europäischen Flagge, und der Anteil der deutschen Flagge liegt bei 16 %. Das finde ich lobenswert, auch wenn es mehr sein könnte. Aber wir bewegen uns im internationalen Wettbewerb, am Ende muss unser Standort mithalten können.

Wir haben jetzt eine Ampel-Regierung – rot, grün und gelb. Welche Farbe ist für Sie die wichtigste?
Bornheim: Wenn man einen wunderbaren Blumenstrauß hat, hat jede Farbe Ihren Reiz …

Die Märkte haben im vergangenen Jahr enorm angezogen. Das ist gut für die Reeder, egal welcher Couleur oder Ausrichtung. Ist die Talsohle nach so vielen Krisenjahren in Folge der Lehman-Pleite 2008 endlich durchschritten?
Bornheim: Ich habe zwar eine Kristallkugel auf meinem Schreibtisch, aber wenn ich diese Frage mit Gewissheit beantworten könnte, hätte ich vermutlich noch eine ganz andere Position … Zunächst einmal können wir nach langer Zeit durchatmen. Aber es ist die Ruhe nach dem Sturm. Es gibt so viele Unwägbarkeiten, längst nicht allen geht es schon wieder besser. Ich traue mir nicht zu, das einzuschätzen. Ich wünsche uns allen, dass wir aus dem Tal raus sind, um uns berappeln und Investitionen nachholen zu können. Wer bisher überlebt hat, ist durch ein tiefes Tal der Tränen gegangen … Es wäre aus meiner Sicht allerdings falsch, sich jetzt schon in Sicherheit zu wiegen.

Auf der anderen Seite steht eine Flottenerneuerung dringend an, ebenso die Dekarbonisierung der Schifffahrt. Doch in der jüngsten Neubauwelle waren deutsche Reeder sehr zurückhaltend – anders als in früheren Zeiten auch die Reederei Döhle. Was bremst mehr – die Unsicherheit in Bezug auf Antriebstechnologien oder die nicht mehr existente Schiffsfinanzierung?
Bornheim: Ich denke, beides. Es ist ja interessant, dass, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, vor allem die Linienreedereien die neuen Schiffe bestellen, die vielleicht über andere, bessere Finanzierungsmöglichkeiten verfügen. Auch das gilt es, im Rahmen der Möglichkeiten besser zu gestalten. Letztlich liegt es in der Disposition jedes Unternehmens, wie man sich entscheidet. Wir als Verband müssen versuchen, dafür vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen. Eines dürfen wir jedenfalls nicht vergessen: Mit einem guten Jahr sind elf Krisenjahre noch lange nicht ausgeglichen.

Kommen wir auf den VDR: Wie wollen Sie die Arbeit des Verbandes ausrichten, Mehrwert für die Mitglieder schaffen?
Bornheim: Ich habe einige Ideen, aber sehen Sie es mir nach, dass ich nach so kurzer Zeit nicht alles preisgeben will. Ich schaue mir erst einmal alles in Ruhe an, auch wenn mir das eine oder andere schon aufgefallen ist. Ich bin aber schließlich nicht allein – es gibt ein starkes Präsidium, einen starken Verwaltungsrat, zwei Geschäftsführer und nicht zuletzt die Mitglieder. Die haben mir einen Vertrauensvorschuss gegeben, wofür ich dankbar bin, den muss ich zurückzahlen. Letztlich müssen die Entscheidungen von allen mitgetragen werden.

Ist denn der Verband für die politische Lobby-Arbeit gut aufgestellt, um sich bei Bund und Ländern Gehör zu verschaffen?
Bornheim: Wir haben große Ziele. Es wäre naseweis von mir, zu sagen, dass alles noch viel besser geht. Ich setze da auf einen ordentlichen Diskurs und baue auf die fachliche Expertise innerhalb unseres Verbandes. Andererseits werden wir uns auch mit Anforderungen auseinandersetzen müssen, die an uns herangetragen werden. Step by step – Sie werden sehen, wie wir vorankommen.

Interview: Krischan Förster, Michael Meyer