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Vor allem die Energiewende, aber auch der Ukraine-Krieg haben Auswirkungen auf die Aktivitäten der norwegischen Reeder. Eine Transformation der Flotte ist bereits im Gange. Eine wichtige Rolle für den Standort hat die Börse in Oslo. Von Michael Meyer[ds_preview]

Norwegen hat laut dem nationalen Reederverband aktuell die weltweit fünftgrö[ds_preview]ßte Flotte. Im vergangenen Jahr gab es zwar einen Rückgang um 100 Schiffe, da den 200 Verkäufen – vor allem im Offshore-Service-Segment – nur rund 100 Neuzugänge gegenüberstanden. Auch das Orderbuch ist mit 49 Schiffen eher klein, es war »noch nie so dünn wie in den letzten drei Jahren«, sagt der Verband. Dennoch blickt Harald Solberg, CEO der Norwegian Shipowners Association, nicht allzu pessimistisch in die Zukunft.

Harald Solberg CEO Norwegian Shipowners Association
Harald Solberg,
CEO – Norwegian Shipowners Association (© Norges Rederiforbund)

Das hat unter anderem mit der in Gang gesetzten und anstehenden Transformation der Flotte zu tun. Gegenwärtig ist ein großer Teil der norwegischen Reeder in den Bereichen Tanker, Offshore, Fischerei und Autotransporter tätig. »Ich denke, das wird sich weiterentwickeln. Wir sehen künftig ein Wachstum vor allem bei Spezial- und Service-Schiffen für die Offshore-Windindustrie.« Helfen sollen die jahrzehntelangen Erfahrungen aus dem Öl- und Gas-Geschäft, mit dem in der Vergangenheit viel Geld verdient worden war. Auch den Transport von Windpark-Komponenten und den Aufbau der Anlagen mit Installationsschiffen sowie Kabelleger hat Solberg im Blick: »Wir wollen die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und die Kompetenz aus dem Öl- und Gassektor für den Bereich der erneuerbaren Energien nutzen.«

Bis 2014 entfiel der größte Anteil des Geschäfts in der norwegischen Reederei-Branche auf das Öl- und Gassegment. »Einige sogenannte Experten meinten schon, dass wir keine Hochseeschifffahrtsnation mehr sind, sondern ein Offshore-Service-Land. Doch das hat sich wieder geändert«, sagt der Verbandschef und verweist auf die Kapriolen nach dem steilen Ölpreis-Verfall in jenen Jahren. Die Bilder mit den vielen Aufliegern in den Fjorden gingen um die Welt.

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© Pixabay

Mittlerweile ist die Hochsee-Handelsschifffahrt wieder das wichtigste Segment der Verbandsmitglieder – die Einnahmen übersteigen die von Bohrinseln und Off­shore-Service-Schiffen zusammen.

Auch wenn die Aussichten für die Wind-Service-Flotte sehr gut sind – man denke nur an die vielen Offshore-Wind-Pläne weltweit – dürften norwegische Reeder auch künftig noch im Öl- und Gas-Geschäft aktiv bleiben. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt der Ukraine-Krieg.

Norwegen und der Ukraine-Krieg

»Ich denke, dass kurzfristig, angesichts der Situation mit Russland, sowohl die Offshore-Öl- und Gasförderung als auch die Offshore-Windförderung zunehmen werden«, meint Solberg. Die Handelsschifffahrt in der norwegischen Flotte werde hingegen lediglich »eine stabile Entwicklung« hinlegen.

Vom Ukraine-Krieg ist die Branche vor allem beim Transport von Öl und -Ölprodukten betroffen. Genaue Transport-Zahlen nennt Solberg nicht.

Er wünscht sich aber mehr politisches Engagement. Die Diskrepanz zwischen den Sanktionen der Amerikaner, Briten und Kanadier einerseits und dem Abwarten in Europa andererseits sorgt für Herausforderungen: »Dadurch haben wir ein Problem mit den Verträgen, die vor dem Krieg abgeschlossen wurden. Viele unserer Mitglieder wollen keine neuen Verträge mit Russland abschließen, aus den Kontrakten, die vor dem Krieg geschlossen wurden, kommen sie ohne Sanktionen nicht so einfach heraus.«

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Die norwegische Reederei Knutsen ist Teil eines Projekts für Flüssig-CO2-Tanker, für das die Klassifikationsgesellschaft DNV jüngst grünes Licht gegeben hat (© Knutsen NYK Carbon Carriers (KNCC))

Aufgeschlossen zeigen sich die Norweger gegenüber der Idee, europäische Länder wie Deutschland, die stark von russischen Erdgas-Lieferungen abhängig sind, mit seeseitigen Transporten zu versorgen – wenn denn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. »Es gibt die Kapazitäten. Aber Deutschland benötigt die Infrastruktur an Land und schwimmende Terminals, die ›FSRU‹«, so der Verbandschef, der darauf verweist, dass auch solche Anlagen in der norwegischen Flotte verfügbar sind. Wenn die Infrastruktur eingerichtet sei, könne die Schifffahrt seiner Ansicht »eine wichtige Rolle bei der Versorgung des europäischen Marktes mit LNG spielen«, das per Schiff transportiert wird. Denn für Europa komme der größte Teil des Gases derzeit aus Pipelines. Diese seien jedoch ausgelastet.

Finanzierung

Durch die aktuellen Verwerfungen will sich die Branche jedoch nicht von ihren Transformationsplänen abbringen lassen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Kapitalmarkt – und die Börse in Oslo, an der viele Reedereien aktiv sind (siehe Beitrag unten). »Es ist aber nicht nur die Börse, die eine große Bedeutung hat, sondern auch der Markt für Finanzdienstleistungen, die Makler, der Kapitalmarkt und alle anderen Dienstleister, die es den Reedereien ermöglichen, ihre Aktivitäten zu finanzieren«, sagt Solberg.

Ob weitere Schifffahrtsunternehmen den Gang an die Börse wagen? »Das ist schwer zu sagen. Aber wir sehen, dass sich der Kapitalzugang verbessert«, sagt der Verbandschef mit Blick auf die Probleme nach 2014, als der Ölpreis rapide einbrach. Vorstellbar ist seiner Ansicht nach eine weitere Internationalisierung: »Ich denke, dass wir in Zukunft Schiffseigner aus anderen Teilen der Welt willkommen heißen werden, um von einem effektiven Kapitalmarkt in Oslo zu profitieren.« Eine Rolle dürfte dabei auch die EU-Taxonomie spielen: »Wenn es einen Schub für die ›grüne‹ Finanzierung gibt, könnte der norwegische Finanzmarkt auch auf europäischer Ebene stärker werden.«

Abstract: Transformation of Norway´s shipping business

The energy transition, but also the Ukraine war, are having an impact on the activities of Norwegian shipowners. A transformation of the fleet is already underway. The stock exchange in Oslo also plays an important role for the location.

Norwegische Flagge

Je nach politischer Vorgabe könnte das zudem Auswirkungen auf die Flotte unter norwegischer Flagge haben. Die Skandinavier betreiben sowohl eine »normale« Flagge (NOR) als auch ein internationales Register (NIS). Im vergangenen Jahr musste allerdings ein Rückgang hingenommen werden. So sank die norwegisch-kontrollierte Flotte von 1.783 Schiffen mit insgesamt 51,1 Mio. tdw auf 1.690 Schiffe mit 46,9 Mio. tdw. Rund 250 Einheiten fahren dabei im NOR, 724 im NIS. Das NOR verzeichnete leichte Einbußen. Der Anteil der Einheiten im internationalen Register ist hingegen gestiegen. Das NIS verzeichnete ein Plus von 33 Schiffen.

»Insgesamt fährt rund die Hälfte der norwegisch-kontrollierten Schiffe in einem unserer Register«, so Solberg weiter. Angesichts der Tatsache, dass ungeachtet des kleinen Rückgangs in 2021 die norwegische Flagge in den letzten drei Jahren um rund 100 Schiffe gewachsen ist, spricht er von einem attraktiven Register. Es gebe eine gute und fachkundige Unterstützung durch die Flaggenverwaltung: »Ich denke, das ist der Unterschied zwischen einem Flaggenstaat, der eine echte staatliche Verwaltung stellt, und denjenigen, die man eher als kommerzielle Flaggenstaaten bezeichnen könnte.«