Noske-Kaeser heißt wieder Noske-Kaeser. Die Geschäftsführer Thomas Arlit und Jürgen Matthes sprechen im HANSA-Interview über eine angepasste Strategie, Pläne für die Zukunft und das laufende Geschäft
Seit kurzem firmieren Sie unter dem Dach der französischen Mutter Equans, unter der weltweit die Projek[ds_preview]t- und Serviceaktivitäten der ENGIE-Gruppe zusammengefasst sind, wieder als Noske-Kaeser. Wie kam es dazu?
Thomas Arlit: Die Marke Engie wurde von den Kunden nicht so richtig angenommen, wir waren immer die Noske-Leute. Im Zuge eines neuen Markenkonzeptes ergab sich die Möglichkeit, zum alten Namen zurückzukehren.
Jürgen Matthes: Das betrifft den gesamten Equans-Konzern. Unsere Kollegen aus Frankreich firmieren wieder als Axima Marine.
Gibt es auch eine Anpassung in der strategischen Ausrichtung?
Arlit: Unsere Strategie war schon Anfang 2020 verabschiedet worden. Das Programm Change 2020 umfasst vier Elemente: Neben einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, einer Aktualisierung des Portfolios sowie dem Fokus auf Mitarbeiter und Unternehmenskultur ist eine Überarbeitung unserer Tools und Prozesse enthalten. Die meisten Unternehmen im Schiffbau haben noch keine wirklich digitalen Prozesse, sondern eher an-digitalisierte Prozesse. Bei Noske-Kaeser haben wir jetzt mit SAP S/4 HANA eines der modernsten ERP-Systeme und führen demnächst ein PLM-System ein. Auf dieser Basis wollen wir alle Prozesse digitalisieren und haben auch eine Mutter, die diese Strategie mitträgt. Das ist aber kein Selbstzweck. Zum einen wollen wir »non-valueadded work« eliminieren – also zum Beispiel vermeiden, dass ein hochqualifizierter Ingenieur Excel-Listen mit Papierausdrucken vergleicht. Der zweite Aspekt ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Wenn es nicht ausreichend Fachkräfte gibt, muss ich mich fragen, wie ich mit den vorhandenen Ressourcen weiteres Wachstum darstellen kann: Zum Beispiel eben über eine Optimierung der Prozesse und der besseren Nutzung der Zeit.
Neben diesen »internen« Aspekten: Wie sieht es mit ihren Aktivitäten am Markt aus?
Arlit: Seit 2019 fokussieren wir uns auf den Marine-Markt in Deutschland, UK, den Niederlanden und der Türkei. Der nicht-graue Neubau-Markt, etwa für Plattformen, Offshore-Schiffe und Kreuzfahrtschiffe, wird von Schwestergesellschaften bearbeitet. Im Rahmen des klassischen Noske-Kaeser-Modells haben wir Schlüsselkomponenten, in Hamburg hergestellt, die so nicht unbedingt aus einem Regal zu bekommen sind. Damit positionieren wir uns für Neubau-Projekte. Die jüngsten Auftragseingänge – F126– und MEKO-Fregatten-Projekte oder U-Boote für Deutschland, Norwegen und Italien – zeigen uns, dass diese Fokussierungsstrategie richtig ist. Hinzu kommt der Fokus auf Service, der zunehmend um das Thema Lifecycle-Management erweitert wird.
Kreuzfahrt und Offshore gehören also nicht mehr zum Portfolio?
Arlit: Man muss sich fragen, ob es einen verfügbaren Markt gibt. Werften wie die Meyer Werft oder Fincantieri haben eigene Klima-Kapazitäten für Kreuzfahrtprojekte aufgebaut, das sind dann keine verfügbaren Märkte. Und unsere Kollegen in Frankreich betreuen die Neubauten bei Chantiers de l’Atlantique. Mit den MV Werften hatten wir gearbeitet, aber das Geschäft ist durch die Insolvenz der Gruppe nicht mehr da. Somit gibt es für uns derzeit keinen erreichbaren Kreuzfahrt-Neubaumarkt. Eine Chance sehen wir hingegen im After-Sales-Segment, auf das die großen Werften nicht so stark setzen und in dem die Reeder beziehungsweise ihre Besatzungen mit der zunehmenden Komplexität der Systeme vor immer größeren Herausforderungen stehen. Man könnte beispielsweise gesamte Kälte- und Klimasysteme über einen digitalen Zwilling remote steuern und warten. Wenn man die Bewegungen von Crew und Passagieren und damit die Wärmelasten kennt, kann man entsprechende Handlungsempfehlungen aussprechen, welche Systeme wie geschaltet werden sollten. Solange Passagiere an Land oder im Restaurant sind, muss man die Kabine nicht so stark herunterkühlen. So etwas wie antizipatives Cooling ist kein Hexenwerk, kann aber deutliche Energieeinsparungen bewirken. Eine andere Idee lässt sich aus dem Betrieb von Landanlagen adaptieren: Wir kaufen dem Reeder die Kälte- und Klimatechnik an Bord ab, betreiben das System, kaufen Energie von der Hauptmaschine und liefern dafür »treated air«. Am Ende sind die Kreuzfahrtanbieter Touristiker, deren Kerngeschäft nicht das Betreiben einer Klimaanlage ist. Wir kennen dieses Konzept aus dem Geschäft mit Gebäuden an Land und haben entsprechende vertragliche und technische Konzepte.
Matthes: Auch im Marine- und im Offshore-Bereich bieten wir unseren Service an. Alles, was an Plattformen von uns oder unseren Schwestergesellschaften – oder auch Drittanbietern – ausgerüstet wurde, wird mit Service betreut. Das ist sicherlich ein Geschäft, das man ausbauen kann. Da gibt es viel Bedarf, ein Schwerpunkt liegt auf Umspannplattformen für Windparks.
Was erhoffen Sie sich vom 100 Mrd. € schweren Sondervermögen, mit dem die Bundesregierung die Bundeswehr modernisieren will? 20 Mrd. € sollen für die Marine vorgesehen sein …
Arlit: Bei einigen Projekten sehe ich für uns eine sehr gute Ausgangslage, etwa für Los 3 der K130-Korvetten, wo wir schon bei Los 1 und 2 beteiligt waren. Bei anderen Projekten haben wir Optionen, die schon mal als Bestandteil des Paketes erwähnt wurden, im Vertrag.
Ist es für sie von herausragender Bedeutung, dass Aufträge an deutsche Werften gehen? Zuletzt haben sie einen Vertrag mit Damen aus den Niederlanden unterzeichnet …
Arlit: Wir waren seit 1990 an 160 Überwasserschiffen und rund 80 U-Booten beteiligt. Davon wurde eine Menge in Kooperationsmodellen im Ausland gebaut. Aktuell sind wir an einem Projekt in England sehr nah an einem Auftrag. Generell gilt: Man muss sich gut überlegen, ob und wohin man geht. Wir machen nicht einfach Kaltakquise im Ausland, dazu sind die Märkte oft zu sehr geschützt. Sinn kann es machen, im Kielwasser von einem der großen Prime Contractors, zum Beispiel thyssenkrupp Marinesystems, NVL oder BAE Systems, ins Ausland zu gehen.
Wäre das etwas, zu dem Sie sagen, da wollen wir noch mehr tun?
Arlit: Ja, Großbritannien zum Beispiel mit seiner National Shipbuilding Strategy und den festen Planungen für die Flotte über mehr als 30 Jahre ist definitiv ein Wachstumsmarkt. Wir haben uns innerhalb Equans so aufgeteilt, das wir als Noske-Kaeser die nordeuropäischen, privaten Werften bedienen, weil das einen bestimmten Erfahrungshintergrund erfordert. Unsere Schwester in Frankreich konzentriert sich auf Staatswerften, wie die Naval Group oder Fincantieri, da sind andere Erfahrungen erforderlich. Ein anderes interessantes Feld, wo der Markt nach einem Wettbewerber ruft, sind die Niederlande. Da gibt es eine sehr limitierte Anbieterstruktur und wir planen, auch über den bestehenden Kontakt hinaus dort aktiv werden zu können.
Vor zwei Jahren sagten Sie uns, das Lifecycle-Geschäft solle ausgebaut werden. Seitdem hat sich viel getan, beispielsweise gibt es wieder viel mehr Neubau-Aufträge. Hat das zur Folge, dass auch bei Ihnen das Neubaugeschäft wieder stärker gewichtet wird?
Arlit: Aktuell macht das Neubaugeschäft bei uns rund zwei Drittel aus. Das ist aber eigentlich nicht voneinander zu trennen. Vieles, was wir entwickelt haben, diente ja dazu, Wartungs- und Reparaturbedarfe zu reduzieren. Allerdings sehen wir verstärkt, dass die Besatzungen mit der Wartung der immer komplexeren Systeme an Bord Probleme bekommen. Da wollen wir mit digitalen Angeboten ansetzen, zum Beispiel mit digitalen Zwillingen, die präventive Wartung und remote Surveys ermöglichen. Das heißt, die Fähigkeit, eine komplexe Wartung durchzuführen, muss nicht zwingend an Bord sein. Das ist ein großes Thema, an dem wir arbeiten. Die Automation war bisher eine eher kleine Abteilung, künftig wird sie neben den drei Segmenten Kälte, Firefighting und HVAC ein vierter großer Geschäftsbereich werden. Wir haben bereits einige Initiativen gestartet, können aber noch viel mehr machen.
Also könnte Lifecycle/Service weiter ausgebaut werden?
Arlit: Ja, wir wollen das Schiff auch über das gesamte Leben begleiten. Ein Beispiel sind die steigenden Wärmelasten, die sich zum Beispiel bei Mid-Life-Upgrades von Marineschiffen ergeben. Es gibt heute mehr Elektronik und Automation an Bord, auch gibt es neue und umweltfreundlichere Kältemittel mit geringerem Wirkungsgrad. Eigentlich müssten die Systeme an Bord also größer werden, was natürlich nicht gewollt ist. Dann kommt eine Firma wie die unsere ins Spiel, die das Original-Design kennt und mit der eigenen Komponenten-Fertigung in der Lage ist, das System so zu optimieren, dass die Geräte nicht größer werden, aber einen höheren Wirkungsgrad haben.
Mit welchen Produkten läuft das Geschäft momentan am besten?
Arlit: Eine gewisse Renaissance erleben wir derzeit im Bereich Firefighting. U-Boot-Anlagen haben ebenfalls seit zwei Jahren eine hohe Nachfrage. Auch der Blick nach vorn ist da sehr gut, in dem Markt passiert momentan sehr viel.
Matthes: Das sind alles Sonderanfertigungen speziell für U-Boote, etwa Klimageräte in den verschiedensten Varianten.
Es geht für Sie derzeit eher um die Weiterentwicklung als darum, etwa eine komplett neue Produktreihe aufzusetzen, richtig?
Arlit: Wir waren bis 2017 knapp neun Jahre in Insolvenz, da ist die Produktentwicklung nicht zuletzt aus Kostengründen etwas hintenangestellt worden. Heute gilt: Wir müssen nicht unbedingt alles selbst entwickeln. Sondern wir können uns auch mit einem Partner zusammentun, der ein Produkt im zivilen Markt hat, das wir gemeinsam für den Marine-Markt ertüchtigen. Über so eine Partnerschaft haben wir im Bereich Firefighting jüngst das gemeinsame Angebot gut abgerundet und das wollen wir auch künftig tun. Auch für »grüne« Projekte wollen wir mit F&E-Partnern, z.B. aus dem Bereich der Universitäten, zusammenarbeiten. Kälteaggregate gehören zu den großen Energieverbrauchern auch auf einem Marine-Schiff, daher sind einerseits Maßnahmen für Energieeffizienz, aber auch umweltfreundlichere alternative Kältemittel ein wichtiges Thema, da wollen wir etwas tun, zumal es gerade bei den Kältemittel und bei den alternativen Kraftstoffe Entwicklungsrichtungen gibt, die aufgrund der Überschneidungen interessant sind. Das wird man sich genau anschauen müssen, da gibt es – genau wie bei Kraftstoffen – keine »One size fits all«-Lösung.
Interview: Michael Meyer
Abstract: Noske-Kaeser: Focus on naval and offshore markets
Noske-Kaeser is named Noske-Kaeser again. Managing directors Thomas Arlit and Jürgen Matthes talk about an adjusted strategy, plans for the future and the current business