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Die jüngsten Russland-Sanktionen der Europäischen Union betreffen auch die Schifffahrt. Für die HANSA kommentieren Christian Finnern und Maximilian Boemke von der Kanzlei Watson Farley Williams die juristischen Auswirkungen der Sanktionen aus maritimer Sicht.[ds_preview]

Welche der Sanktionen betreffen die maritime Wirtschaft (Schifffahrt, Finanzierung, Schiffbau, Häfen) am meisten?

Es gibt zwei Arten von Sanktionen: Sanktionen, bei denen die Vermögenswerte von Unternehmen oder Einzelpersonen eingefroren werden und Sanktionen, die sich auf bestimmte Wirtschaftsgüter bzw. -sektoren beziehen. Beide haben erhebliche Auswirkungen auf die Schifffahrt. Im Rahmen der wirtschaftsbezogenen Sanktionen kann sowohl der Export von Gütern nach Russland als auch der Import von Gütern aus Russland verboten sein. Die wirtschaftsbezogenen Sanktionen sind zumeist so gestaltet, dass nicht nur das Geschäft selbst, sondern auch alle Arten von Unterstützungen für dieses Geschäft verboten sind. Ist z.B. die Ausfuhr eines bestimmten Gutes untersagt, dann ist auch der entsprechende Transport verboten. Zudem ist die Finanzierung, Versicherung oder Erbringung von technischen Services für Schiffe untersagt, die gegen Sanktionen verstoßen. Es ist zudem verboten, Schiffen unter russischer Flagge (oder solchen, die bis zum 24. Februar 2022 unter russischer Flagge gefahren sind) Zugang zu Häfen in der EU zu gewähren.

Was droht den Betroffenen im schlimmsten Fall?

Sanktionsverstöße sind Straftaten und damit ein persönliches Haftungsrisiko für den involvierten Mitarbeiter und die Geschäftsführung. Hier drohen wenigstens Geldstrafen. Daneben kann auch das Unternehmen bebußt werden und es wird das verlieren, was es durch den Sanktionsverstoß verdient hat. Zudem sind Sanktionsverstöße unter vielen »Code of Conducts« verboten, die immer häufiger Eingang in Vertragsbeziehungen finden. Selbst wenn sich also die Strafen im Rahmen halten sollten, kann ein Sanktionsverstoß zur Kündigung relevanter Verträge für den Geschäftsbetrieb führen.

Was ist angesichts der Sanktionspakete überhaupt noch möglich im Geschäft mit russischen Unternehmen/Akteuren?

Das kommt immer auf das einzelne Geschäft an. Geschäfte mit Russland sind nach wie vor möglich. Es ist aber in jedem einzelnen Fall eine genaue Prüfung des Sachverhalts und der beteiligten Unternehmen erforderlich.

Was sind die größten »maritim-juristischen« Probleme oder Herausforderungen bei der Bearbeitung entsprechender Fälle?

Viele der Verträge wurden geschlossen, als Sanktionen noch keine große Rolle spielten. Die Rechte bestimmte Informationen zu erfragen, spiegeln das häufig wider. Habe ich aber keine Informationen, kann ich auch keine Sanktionsprüfung durchführen. Das größte Problem besteht also zunächst darin, die erforderlichen Informationen zu erhalten. Hier muss aber jedem Beteiligten klar sein, wenn meine Verträge es nicht hergeben, dass ich die erforderlichen Informationen bekomme, dann muss ich diese Verträge ändern.

Wie sollten sich Unternehmen aus der maritimen Wirtschaft Ihrer Ansicht nach auf die Situation einstellen bzw. was sollten sie bei der Vorbereitung ihrer Geschäfte und nicht zuletzt bei laufenden Verträgen/Geschäftsbeziehungen beachten?

Gerade Schiffseigner und finanzierende Banken müssen in viel weiteren Umfang als bisher prüfen, was mit den Schiffen geschieht (mit wem wird gehandelt? Welche Ladung soll geladen werden? Welche Häfen sind beteiligt?). Und das nicht nur einmal, sondern fortlaufend. Aus unserer Sicht muss jedem Schifffahrtsakteur klar sein, dass sich die Handelswelt seit Februar umfassend geändert hat und jeder Akteur prüfen muss, ob ein Geschäft, an dem er auch nur indirekt beteiligt ist, sanktionsrechtlich einwandfrei ist. ?