Mit vierwöchiger Verspätung soll die »Carnival Jubilee« am kommenden Montag über die Ems zur Nordsee überführt werden. Für die Meyer Werft hängt viel von diesem Projekt ab.
Schon seit Juli liegt das jüngste Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft in Papenburg. Bis zur geplanten Übergabe der »Carnival Jubilee« am 4. Dezember in Bremerhaven an die US-amerikanische Reederei Carnival Cruise Line hat die Belegschaft noch alle Hände voll zu tun – vermutlich sogar viel mehr als bei bisherigen Projekten. [ds_preview]
Die Zeit drängt, denn gleich nach der Übergabe in Bremerhaven soll das Schiff Kurs auf Southampton und dann über den Atlantik nach Galveston im US-Bundesstaat Texas nehmen. Dort soll die bereits voll ausgebuchte »Carnival Jubilee« noch vor Weihnachten zur Jungfernfahrt in die Karibik starten.
Meyer Werft kämpft um Vertrauen und Aufträge
Bei der »Carnival Jubilee« (182.000 BRZ) kamen gleich mehrere widrige Aspekte für die Werft zusammen. Corona-Pandemie, Lieferengpässe und ein bisher einmaliger Markenwechsel von Aida Cruises zur Carnival Cruise Line inmitten der Bauphase. Daher musste das gesamte Innendesign auf der Werft umgestaltet werden. Begründet wurde dies von der US-Kreuzfahrtgruppe damit, da die Buchungszahlen auf dem nordamerikanischen Markt schneller wieder ansteigen als in Europa.
Meyer: »Der wichtigete Auftrag meines Lebens«
Wie Senior-Werftchef Bernard Meyer jüngst sehr offen einräumte, ist der aktuelle Auftrag der wichtigste seines Lebens. Noch nie sei die pünktliche Ablieferung eines Schiffes so wichtig gewesen, sagte er im Mitarbeitermagazins »Kiek ut«. Es gehe darum, das Vertrauen der Kunden in die Werft zurückzugewinnen und Folgeaufträge zu bekommen. Zugleich sei die Ablieferung »entscheidend für die finanzielle Situation unserer Unternehmensgruppe«, so Meyer. Er appellierte in dem Bericht »eindringlich an jeden Einzelnen«, die letzten Reserven zu mobilisieren.
Schon im Dezember 2022 war bekannt geworden, dass die »Carnival Jubilee« nicht zum ursprünglich geplanten Termin im Oktober fertig wird – die Reederei musste daraufhin die ersten sechs geplanten Kreuzfahrten absagen.
Auch ohne die baulichen Unwägbarkeiten ist die »Carnival Jubilee« mit der Bau-Nr. S 717 ein ganz besonderes Schiff für maximal 6.600 Gäste. Es ist das immerhin 56. Kreuzfahrtschiff von der Papenburger Werft und der letzte Neubau aus der so genannten Helios-Klasse.
Insgesamt neun Schiffe dieser Klasse mit umweltfreundlichen LNG-Antrieb hatte der Mutterkonzern, die Carnival Corp., vor acht Jahren bestellt. Das erste Schiff war die »Aida Nova«, die im Jahr 2018 abgeliefert wurde. Vier Schiffe dieser Klasse wurden in Finnland bei Meyer Turku erbaut, bislang vier bei der Meyer Werft in Papenburg.
Meyer hat nur noch vier Neubauten im Orderbuch
Im Jahr 2024 wird die Meyer Werft mit der »Silver Ray« für Silversea Cruises und der »Disney Treasure« für Disney Cruise Line erneut nur ein kleines und ein großes Kreuzfahrtschiff ausliefern. Die Werftkapazität ist hingegen auf drei Neubauten pro Jahr ausgelegt. Die 2025 zur Ablieferung anstehenden »Asuka III« und ein drittes Schiff aus der Triton-Klasse für Disney Cruise Line sind die letzten Kreuzfahrt-Aufträge, die die Meyer Werft derzeit in den Büchern hat.
Hinter dem ursprünglich für 2025 geplanten Neubau des Residenzkreuzfahrtschiffes Njord durch die Meyer Werft steht ein großes Fragezeichen. Dieses Schiff wird derzeit nicht mehr bei bestellten Kreuzfahrtschiffen gelistet. Ab 2026 hätte die Papenburger Meyer Werft keine Aufträge mehr. Kommen keine neuen Bestellungen herein, dürfte die Werft bereits im Laufe des Jahres 2024 oder spätestens im Jahr 2025 in eine bedrohliche Lage geraten, heißt es. (CK)