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Seit gut 15 Monaten haben wir nur noch ein Thema: die Krise und der Kurs ins Chaos. Während sich die Lage auf den Finanzmärkten zu normalisieren beginnt, viele in die Krise involvierte Banken durch staatliche Hilfen saniert wurden und unverdrossen weiter zocken in der Spielhölle der Hochfinanz und das Bonussystem auch schon wieder fröhliche Urständ feiert, geht es in der Schifffahrt nach wie vor dramatisch zu. Als hoffentlich letzten Beitrag in Sachen Krise in der Schifffahrt setze ich mich heute mit den Themen Vergessen, Hoffnungen und Wünsche auseinander, die unmittelbar damit verbunden sind.

»Für alle, die professionell mit der Seefahrt zu tun haben, ist jeder Hauch von Romantik und Abenteuer verweht. Reeder, denen[ds_preview] man immer einen Schuss Seeräubermentalität nachsagte, sind angesichts der weltweit von ihren Schiffen eingefahrenen Verluste zu nüchternen Rechnern geworden. Lloyd’s Register of Shipping kommt zu dem Ergebnis: »Die Weltseeschiffahrt ist von der schwersten wirtschaftlichen Krise der zurückliegenden 50 Jahre getroffen worden.« Lichtblicke sieht Lloyd’s nicht: Die kaum kalkulierbaren Einflüsse, die von der technischen Entwicklung, wirtschaftlichen und politischen Faktoren ausgehen, machen es schwer, Prognosen über eine Erholung dieser Branche abzugeben.

Zahlreiche Schiffe sind aufgelegt, dümpeln in einsamen Buchten und auf Reede vor Anker oder dampfen in langsamer Fahrt beschäftigungslos, in Hoffnung auf irgendeine Ladung, über die Weltmeere.

Ein Banker einer namhaften schiffsfinanzierenden großen Bank erklärte jüngst, die Reeder müßten sich auf eine Stärkung ihrer finanziellen Basis einstellen, denn die Geldinstitute sähen sich gezwungen, ihre Kriterien für Schiffsfinanzierungen erheblich zu verschärfen. Eine Reihe von Banken werde sich ganz aus diesem Geschäft zurückziehen.

Denn die Finanzierung von Schiffen ist risikoreich geworden, weil angesichts der Übertonnage viele Reedereien kaum mehr die Betriebskosten erwirtschaften – von den Finanzdiensten ganz zu schweigen. Weltweit sind nach Ermittlungen von Lloyd’s 1.663 Schiffe aufgelegt, 80 Millionen tdw und damit mehr als ein Viertel der Weltflotte von 422,6 Millionen!«

Halt! Wieso 1.663 aufgelegte Schiffe? Es ist doch immer von rd. 550 aufliegenden Containerschiffen die Rede. Stimmt, bei den 1663 Schiffen handelt es sich um den Teil der Welthandelsflotte, der im Sommer 1984 aufgelegt war. Der ganze Text, der in Anführungszeichen gesetzt ist, entstammt wortwörtlich einem Artikel der Zeitschrift Wirtschaftswoche, Ausgabe vom 3. August 1984, und ist in seiner Diktion so aktuell, als sei er jetzt geschrieben worden.

Ich möchte Ihnen mit diesem Artikel zwei Dinge vor Augen führen. Der Mensch neigt dazu, unangenehme Dinge zu vergessen und zu verdrängen. Die Krise 2009 ist nicht die erste schwere Krise, die wir in der Schifffahrt erlebt haben. Bereits Anfang der 1970er Jahre erlangte die Geltinger Bucht traurige Berühmtheit, weil dort mehr als 1,7 Mio. tdw an Tankertonnage aufgelegt wurde und längere Zeit dort lag. Bekanntlich wiederholt sich Geschichte und heute, über 35 Jahre nach der großen Krise in der Tankschifffahrt, sind die ersten Anträge gestellt worden, wieder rund 15 bis 20 Schiffe, allerdings Containerschiffe, dort in der Geltinger Bucht aufzulegen. In dem Zusammenhang ist aber auch eines interessant: Wir haben uns nach jeder Krise in der Schifffahrt wieder erholt und anschließend gute Marktbedingungen erlebt.

Interessant ist bei dem historischen Vergleich der verschiedenen Krisen auch, dass der Auslöser für die Schifffahrt immer bei den Reedern selbst gelegen hat. Getreu dem Motto »ich bin größer und schöner« wurden Schiffe geordert, die von der Anzahl her zwangsweise zu Problemen im Markt führen mussten. In jeder Krise zeigte man sich dann sofort geläutert und erkannte – frei nach der Empfehlung des Philosophen Socrates: »nosce te ipsum« (erkenne dich selbst) – die Fehler, die man mit dem Verhalten begangen hat. Das ist momentan auch nicht anders.

Aber leider ist nach der Krise auch immer schon wieder vor der Krise, und wenn der Markt wieder richtig läuft und Tonnage vermehrt nachgefragt wird, haben die ersten Reeder die gerade durchlebte Vergangenheit schon wieder vergessen, und das Spiel beginnt von vorne. Wenn der erste dann wieder bestellt hat, will der nächste in nichts nachstehen und der Größenwahn des größer und schöner Seins beginnt erneut. Die Selbsterkenntnis aus der letzten Krise ist vergessen, Socrates ist nicht mehr angesagt und die Erkenntnis von Descartes »cogito ergo sum« (ich denke, also bin ich) wurde wohl nur mit dem zweiten Teil der Aussage verstanden, vom Denken kann wohl keine Rede sein.

Wie wird es weiter gehen? Hoffnungen und Wünsche

Prognosen abzugeben, wie sich die Schifffahrt in den nächsten ein bis zwei Jahren weiter entwickeln wird, ist sicherlich schwierig. Einen gewissen Optimismus in Bezug auf eine positive Entwicklung in der Nachfrage nach Containertonnage verbreitete die Studie von Maersk aus dem September 2009 über die Aussichten der Container-Chartermärkte bis ins das Jahr 2014. Sicherlich ist in dieser Studie eine Portion Zweckoptimismus enthalten, gleichwohl sind die Aussichten für bestimmte Größenklassen der Containerschiffe nicht so schlecht. In den Bereichen bis 3.000 TEU (nominal) wird die Erholung sicherlich am schnellsten von statten gehen und eine ganze Anzahl von Charterabschlüssen, die in den letzten Wochen geschlossen wurden, bestätigen diesen Trend. Die großen Charterer schließen vermehrt Abschlüsse mit Anschlussoptionen über längere Laufzeiten und mit Raten, die deutlich höher sind als die in der gegenwärtigen Optionsperiode.

Natürlich melden sich dazu die Pessimisten mit dem Einwand, dass die Optionen ja nicht ausgeübt werden müssen. Das stimmt zwar, aber die Erfahrungen, die ich über viele Jahre Marktverhalten und -beobachtung gewonnen habe, zeigen am Tiefpunkt der Krise immer das gleiche Verhaltensmuster auf. Aus diesen Erfahrungen heraus müssten sich die Charterraten in der Größenklasse bis 3.000 TEU im Verlauf des zweiten Halbjahres 2010 bereits erholen. Die Studien namhafter Institute in diesem Bereich sprechen zwar unisono von einer Erholung für 2011 und 2012, aber mit etwas Zweckoptimismus verlagere ich diesen Zeitpunkt bereits in das Jahr 2010. In zwölfMonaten wissen wir, ob ich richtig liege.

In den Größenklassen über 6.000 TEU wird sich der Normalisierungsprozess sicherlich noch bis 2014 und darüber hinaus erstrecken, weil in diesen Containerschiffsklassen die Unvernunft vieler Reeder zu einem Super-GAU bei der Bestellung von Neubautonnage und anstehender Ablieferung der Schiffe geführt hat. Hier kann ich eigentlich nur den Appell an die Reederschaft wiederholen, zukünftig, wenn sich der Markt irgendwann wieder erholt hat, über die Tragweite unternehmerischer Entscheidungen im Aufbau und Bestand der eigenen Flotte nachzudenken und maßvoll zu planen.

Einen besonderen Wunsch für 2010 richte ich an diejenigen Journalisten, die mit teilweise unverantwortlich schlecht recherchierten Artikeln ihr Scherflein dazu beigetragen haben, dass das Asset Schiffsbeteiligung derart in Verruf geraten ist. Natürlich lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Anzahl der in Not geratenen Einschiffsgesellschaften weiter wächst, aber die Art und Weise, wie dies in der Presse dargestellt wird, entbehrt jeglicher Sach- und Fachkenntnis. Sicherlich gibt es Einschiffsgesellschaften, die zum Scheitern verurteilt sind. Dabei handelt es sich aber überwiegend um solche Schiffe, die über ihre bisherige Marktteilnahme nie performt haben und besser nie als Schiffsemissionen auf den Markt gebracht worden wären. Das Problem dabei ist die Tatsache, dass nur über solche Einschiffsgesellschaften geschrieben wird und der Gesamtbereich Schifffahrt völlig verallgemeinernd in Bausch und Bogen niedergemacht wird.

Es gibt einige sehr engagierte Journalisten, die sich mit diesem Thema sachlich fundiert auseinandersetzen und die Zusammenhänge richtig darstellen. An sie richtet sich meine Kritik nicht, wohl aber an all jene, die in der gleichen Manier wie kürzlich die Journalistin namens G. Hussla im Handelsblatt vom 8.12.2009 (Titel: Sinkende Schätze) grauenhaft schlecht und falsch recherchierte Artikel veröffentlichen, die der Schifffahrtsbranche nur noch ein Kopfschütteln der Fassungslosigkeit abringen. Nicht von ungefähr hat FondsMedia diesem Artikel den »Goldene Saure-Gurke-Award« für maximale Uninformiertheit über das Anlagesegment Schiffsfonds verliehen. Vielen Dank dafür FondsMedia! Die Journalisten genau dieses Typs sollte darüber nachdenken, welche Verantwortung sie für ihr Handeln tragen, wenn sie in namhaften Medien schreiben. Wenn gerade diejenigen aber meinen, über Dinge schreiben zu müssen, von denen sie keine Ahnung haben, gewissenhafte Recherche jedoch als zu mühselig erachten, dann sollten sie vielleicht über einen Satz des Kabarettisten Dieter Nuhr nachdenken und danach handeln: »Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten.«

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