Print Friendly, PDF & Email

Mit dem technischen Stappellauf des 3.400-TEU-Containerschiffs »Frisia Cott-bus« – dem zumindest auf absehbare Zeit letzten Neubau – ging am 11. Dezember 2009 bei den TKMS Blom + Voss Nordseewerken in Emden ein Stück deutsche Schiffbautradition zu Ende.

Kurzarbeit, aber keine betriebsbedingten Kündigungen

»Unsere Gefühle am heutigen Tag sind zwiespältig, denn auf der einen Seite markiert[ds_preview] der heutige Stapellauf das Ende einer über 100-jährigen Schiffbautradition. Die Nordseewerke als Neubauwerft werden sich mit der Abarbeitung der Aufträge im Bestand nach und nach aus der Welt des Schiffbaus verabschieden«, sagte der Geschäftsführer der Traditionswerft, Dr.Christian Eckel, bevor er das Kommando zum Ablauf des Neubaus Nr. 559 gab, zu dem sich rd. 2.500 Menschen eingefunden hatten, darunter rd. 600 Schüler.

Auf der anderen Seite sei dies aber auch ein Tag des Neubeginns, denn die Nordseewerke würden sich als SIAG Nordseewerke in einem neuen Produktbereich zu Wort melden und zu einem bedeutenden Produzenten für Offshore-Windkraft-Technologie heranwachsen. Eckel erinnerte an die technologisch herausragenden Innovationen und Rekordleistungen im Handels- und Marineschiffbau der Werft und wies darauf hin, dass es nicht die Leistungsfähigkeit und der Einsatz der Mitarbeiter waren, die zu dem Beschluss geführt haben, den Schiffsneubau an diesem Standort der ThyssenKrupp Marine Systems aufzugeben: Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise habe nicht nur diese Werft, sondern auch den Konzern und die gesamte Volkswirtschaft ins Wanken gebracht. Er dankte dem Konzern dafür, dass er nicht nur die operativen Verluste der Werft übernehme, sondern darüber hinaus auch zu wesentlichen Teilen die Transformation des Standortes finanziere und damit gewährleiste, dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden können. In wenigen Wochen werde das Werftgelände und der gesamte Fertigungsbereich an die Firma SIAG übergeben und der neue Mehrheitsanteileigner, die SIAG Nordseewerke GmbH, werde beginnen, die Fertigung auf die neuen Produkte umzustellen. Parallel dazu würden die vorhandenen Schiffbauaufträge planmäßig weiter abgearbeitet. Dazu gehören neben dem aktuellen Containerschiff vor allem Aufträge zur Fertigstellung von U-Bootsektionen sowie die Fertigstellung eines Versorgers für die Deutsche Marine, die sich über einen Zeitraum von drei Jahren erstrecke. Dabei würden sich beschäftigungsmäßig das abzuwickelnde Schiffbauprogramm und der Hochlauf der SIAG-Fertigung zwar ergänzen, dennoch lasse sich für einen gewissen Zeitraum Kurzarbeit nicht vermeiden. Im Übrigen werde entsprechend dem »Zukunftsvertrag Nordseewerke« auch danach die Schiffbaukompetenz in Emden erhalten bleiben, denn unter der Regie von TKMS würden die vorhandenen beiden Schwimmdocks und das Trockendock für Schiffsreparaturen, Modernisierung und Umbauten weiter genutzt und der Betrieb nach Möglichkeit ausgebaut. Dazu trüge der in Emden verbleibende Teil der weiterhin in Hamburg und Emden tätigen Blohm + Voss Nordseewerke ebenso bei wie das Engineering.

Emdens OB Alwin Brinkmann:Kein »hipp-hipp hurra!«

»Keine Kiellegung, keine Taufe, keine Nationalhymne und kein ›hipp, hipp, hurra!‹ mehr. Die Werft, wie wir sie kennen, wird es nicht mehr geben«, zeigte sich Emdens Oberbürgermeister Alwin Brinkmann wehmütig. Er sprach von einem »Trauerflor«, der an diesem Tag über Emden wehe, und zeigte kein Verständnis dafür, dass ausgerechnet diese Werft im Verbund der drei TKMS-Schiffbaustandorte aufgegeben wird: »Das ist die beste Werft im TKMS-Verbund. Sie hatte nur einen Nachteil: Sie steht in Emden / Ostfriesland und nicht in Hamburg«, meinte er und dankte allen, die für den Erhalt dieses Standortes gekämpft haben. Dem SIAG Schaaf Industrie-Vorstandschef Rüdiger Schaaf wünschte er »Ausdauer und Kraft, seine Ziele umzusetzen«. Mit den von ihm zu übernehmenden rund 720 der ca. 1.250 Werftmitarbeiter erhalte er eine gute Truppe: »Auf Ostfriesen ist Verlass, wenn man ihre Herzen gewonnen hat«, gab er ihm mit auf den Weg.

Zuvor hatte der Betriebsratsvorsitzende Erwin Heinks an die zahlreichen herausragenden Produkte der Emder Werft seit 1905 erinnert und zeigte sich über die »Zerlegung dieses funktionierenden Unternehmens« ebenfalls enttäuscht. Er sei »heilfroh«, dass die SIAG in Emden einen neuen Standort aufbauen und einen Teil der Beschäftigten übernehmen wolle. Mit intelligenten Modellen brauche der Schiffbau auf dieser intakten Werft nicht am Ende zu sein, davon ist Heinks überzeugt.

Kein Grund für Trauerflaggen

»Wer sagt denn, dass es tatsächlich der letzte Stapellauf sein wird?«, ermutigte SIAG Schaaf Industrie AG-Vorstand Rüdiger Schaaf die mit zwiespältigen Gefühlen zum Stapellauf der »Frisia Cottbus« auf das Werftgelände gekommenen Gäste. »Für mich ist es der erste Stapellauf«. Es gebe keinen Grund für eine Trauerbeflaggung, schließlich entstehe hier etwas Neues, erläuterte er sein Unverständnis für die schwarzen Flaggen am Bug des Neubaus 559. Das Unternehmen stehe nicht nur für Windkraft-Energie. Es werde eine prosperierende Region um die Nordseewerke herum entstehen, zeigte er sich optimistisch.Neben dem Stahlbau für Windkraftanlagen könne SIAG auch Offshore-Plattformen bauen und wolle sich die Möglichkeiten zum Bau des einen oder anderen Spezialschiffes offen halten, kündigte er an.

Zunächst gehe es darum, die Werft auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Ein Teil der Produkte von SIAG künftig zu fertigenden Produkte, Turmsegmente, Grundstrukturen und Maschinenträger für Offshore-Windkraftanlagen, sind bereits in Halle 17 zu sehen, wo im Rahmen einer anlässlich des Stapellaufs eröffneten Ausstellung Werftgeschichte und Zukunft dokumentiert werden. Solche u. a. in den Niederlanden, Großbritannien und Schweden gefertigten Komponenten könnten auch in Deutschland, wo die Lohnstruktur günstiger sei als in anderen westeuropäischen Ländern, wettbewerbsfähig produziert werden. Mit den Nordseewerken stünden endlich auch entsprechende Kapazitäten zur Verfügung, so Schaaf. Er appellierte an die Belegschaft, nicht wehmütig in die Vergangenheit, sondern nach vorn zu schauen.