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Forschungshintergrund

Mit der Errichtung des ersten deutschen Offshore-Windparks alpha ventus 45 km nördlich von Borkum erfolgte im Sommer[ds_preview] 2009 der Startschuss für den Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland mit zwölf Anlagen und einer installierten Leistung von jeweils 5 MW in 30 m Wassertiefe.

Im Rahmen des von der Leibniz Universität Hannover (LUH) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Wind­energie und Energiesystemtechnik (IWES) 2008 gestarteten und vom Bundeministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit durch die Forschungsinitiative RAVE geförderten Forschungsprojektes

GIGAWIND alpha ventus soll ein ganzheitliches Dimensionierungskonzept für Tragstrukturen von Offshore Windenergieanlagen (OWEA) anhand von Messungen im Testfeld alpha ventus erstellt werden, welches vorrangig Ziele der Kostenminimierung und Effizienzsteigerung sowie einer Optimierung des Entwurfsprozesses beim zukünftigen Bau der Anlagen verfolgt. Zwei der insgesamt acht Teilprojekte befassen sich hierbei schwerpunktmäßig mit der Erstellung und Verbesserung von Wellenlastmodellen sowie der Untersuchung von Kolkphänomenen an den auf einer Tripod-Struktur gegründeten und im Testfeld installierten Anlagen.

Wellenlastmodelle für OWEA

Im Rahmen der Verbesserung von Wellenlastmodellen werden Methoden und Parameter für die Lastenbestimmung von nicht-brechenden und brechenden Wellen auf OWEA überprüft und für eine effektive Bemessung optimiert. Ergebnisse aus Naturmessungen und Laborversuchen werden mit Lastermittlungen durch gängige Berechnungsverfahren verglichen und analysiert. Darauf aufbauend werden die Berechnungsverfahren optimiert, um die derzeitigen Unsicherheiten bei der Lastermittlung zu reduzieren und somit eine möglichst effektive Serienproduktion von OWEA vornehmen zu können.

Für die Erhebnung der Naturmessdaten wurden im Juli 2008 im Zuge der Tripod-Fertigung auf der Offshore-Stahlbauwerft Aker Kværner in Verdal, Norwegen, drei Messmanschetten mit Wasserdrucksenso­ren installiert (Abb. 1). Die 32 Sensoren bilden zwei Höhenprofile an der Nordwestseite des Tripods und ein horizontales Mess­profil entlang des Zylinderumfangs auf einer Höhe von 1,5 m SKN. Sie dienen der synchronen Erfassung des Druckprofils und der Wasserstandsänderungen am Zentralrohr des Tripods. Mit Einschränkungen lassen sich hier ebenfalls dynamische Drucklasten durch brechende Wellen entlang des Zylinderumfangs untersuchen.

Anhand von derzeitigen Laborversuchen im Wellenkanal des Franzius-Instituts (WKS) und am Großen Wellenkanal (GWK) des ForschungsZentrums Küste ab Frühjahr 2010 werden die maßgebenden Einflussparameter am Tripod im Modellmaßstab 1:12 untersucht, um insbesondere die Lastentwicklung durch brechende Wellen unter idealisierten Bedingungen zu untersuchen. Durch gezielte Versuche im Wellenkanal ist es möglich, die maßgebenden Einflussgrößen einer Druckschlagbelastung separat zu untersuchen, die in der Natur kombiniert auftreten. Parallel zu den Versuchen werden derzeit numerische CFD-Modelle für die 3D-Strömungssimulation erstellt (Abb. 2), die mit den beschriebenen Laborversuchen kalibriert werden. Durch den kombinierten Einsatz von numerischen Simulationen und physikalischen Modellversuchen werden die Lastmodelle für die Tragstrukturen im Testfeld optimiert und schließlich mit Hilfe der Naturmessdaten validiert.

Untersuchungen zu Kolkphänomenen an OWEA

An Gründungsstrukturen von OWEA kommt es häufig zu Kolkbildungen, hervorgerufen durch Änderungen im natürlichen Strömungsregime im Bereich des Meeresbodens an und im nahen Umfeld der Struktur, die wiederum aus der hochkomplexen Interaktion zwischen dem Seegang, tide- oder welleninduzierter Strömung, dem Meeresboden und der Struktur selbst erzeugt werden und die zu einer erhöhten Sediment-Mobilität führen. Durch die noch unzureichenden Kenntnisse über die genaue Entwicklung und das Ausmaß von Kolken um komplexe OWEA-Gründungsstrukturen erfolgt die Dimensionierung derzeit mit erhöhten Sicherheitsfaktoren. Ein Ziel des Teilprojektes ist es, vertiefte Erkenntnisse über die Kolkentwicklung um die Gründungsstrukturen zu erlangen und die Vorhersagemöglichkeiten zu verbessern, um zukünftig effizientere Gründungsabmessungen zu ermöglichen.

Die Untersuchungen zu Kolkphänomenen im Teilprojekt bestehen dabei aus der wissenschaftlichen Auswertung und Interpretation von Untersuchungsergebnissen, die aus einer Kombination von Naturmessungen (mittels Echolot-Peilungen an den Offshore-Anlagen, durchgeführt vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, BSH), physikalischen Modellversuchen und numerischen Berechnungen zur Kolkgenese und der sie beeinflussenden Mechanismen gewonnen werden. Die physikalischen Modellversuche werden derzeit im Maßstab 1:40 im Wellenkanal WKS mit einem Tripod-Modell und beweglicher Sohle (Feinsand, d50 = 0,15 mm) durchgeführt (Abb. 3 und 4) und dienen der phänomenologischen Untersuchung der Kolkentwicklung sowie als Vorstudien zu den anstehenden großskaligen Modellversuchen zu Kolkphänomenen am Tripod im GWK im Maßstab 1:12. Diese werden in Kombination mit den Untersuchungen zu Wellenlasten ab Frühjahr 2010 durchgeführt. Insgesamt dienen die Modellversuche ebenso wie die Naturmessdaten zur Ermittlung der komplexen Einwirkungen und der späteren Kalibrierung sowie Validierung des numerischen Modells, das im Laufe des Projektzeitraums entwickelt werden soll.

Förderrahmen und Danksagung

Die Autoren bedanken sich zum einen für die Unterstützung und Förderung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) im Rahmen des Forschungsprojektes GIGAWIND alpha ventus – LUH (Förderkennzeichen 0325032). Zum anderen gilt ein besonderer Dank der Hafentechnischen Gesellschaft e. V. (HTG), die die Autoren Hildebrandt und Stahlmann im Rahmen einer Förderung aus dem »Spendenfonds Goedhart« unterstützt hat. Somit konnte die Teilnahme, Präsentation und Diskussion der derzeitigen Forschungsaktivitäten vor einem internationalen Fachpublikum im Rahmen zweier nachfolgend aufgeführter Fachbeiträge beim 33rd International Association of Hydraulic Engineering & Research (IAHR) Biennial Congress im August 2009 in Vancouver, BC ermöglicht werden.

Nähere Informationen zum Gesamtprojekt sind zu finden unter www.gigawind.de.

Verfasser:

Dipl.-Ing. Arndt Hildebrandt,

hildebrandt@fi.uni-hannover.de

Dipl.-Ing. Arne Stahlmann

Prof. Dr.-Ing. Torsten Schlurmann,

Geschäftsführender Leiter

Alle: Franzius-Institut für Wasserbau und Küsteningenieurwesen,

Leibniz Universität Hannover


Arndt Hildebrandt, Arne Stahlmann, Torsten Schlurmann