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Bis 2030 will die Bundesregierung Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee mit einer Gesamtleistung von 20.000 bis 25.000 MW verwirklichen. Durch das Marktsegment Offshore-Windkraftanlagen erhält die maritime Wirtschaft frischen Wind, denn für Transport, Errichtung und Wartung der aufzustellenden Windturbinen sowie für die Kabelverlegung sind weitere Spezialschiffe und geeignete Arbeits- und Serviceschiffe erforderlich. Während die ersten Offshore-Testanlagen in Küstennähe und flachem Wasser gebaut wurden, weisen die genehmigten Windparks Küstenentfernungen bis zu 90 km aus und benötigen für die Installation und Wartung entsprechend viele Schiffseinsätze.

Mit der Baufreigabe für die ersten sechs Anlagen gab das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie im Juli 2008 grünes Licht[ds_preview] für die überhaupt ersten Windkraftanlagen auf hoher See. Mittlerweile sind auf einer Fläche von fast 1.000 km² bereits 24 Offshore-Windparks mit einer maximalen Nennleistung von bis zu zwölf GW genehmigt, davon sollen 19 Windparks in der Nordsee und fünf in der Ostsee errichtet werden, zahlreiche weitere Parks sind ge­plant.

Während andere europäische Länder bereits intensiv Erfahrungen auf dem Gebiet der Windenergie sammeln konnten, steht Deutschland noch am Anfang. Der Start wurde vor allem durch ökologische Bedenken verzögert, Seevogelschutzgebiete und die Schutzzone Wattenmeer mit seinen Inseln haben Vorrang und lassen die Errichtung von küstennahen Windparks nicht zu. Außerdem mussten Konflikte mit bestehenden Nutzungsrechten vermieden werden, so dass Standorte nur außerhalb des Hauptfahrwassers der Seeschifffahrt und militärischer Übungsgebiete genehmigt wurden. Nach 18 km beginnen die Verkehrstrennungsgebiete und diese sind als Schifffahrtzonen freizuhalten.

Seit September 2009 ist die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) über die Raumordnung in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee in Kraft. Erstmalig wird darin eine planungsrechtliche Grundlage für die verschiedenen Nutzungen und Funktionen der deutschen AWZ in der Nordsee festgelegt. Geregelt werden die Interessen der Offshore-Windenergiewirtschaft sowie die Belange der traditionellen Bewirtschaftung der Meere (Fischerei, Schifffahrt, Rohstoffgewinnung, Verlegung von Seekabeln und Rohrleitungen, Aquakultur), der wissenschaftlichen Forschung sowie des Meeresumweltschutzes. Die neue Raumordnung soll Planungen für neue Offshore-

Windenergieanlagen erleichtern und Unstimmigkeiten zwischen den Nutzungs- und Schutzinteressen auf See vermeiden. Nun sind außerhalb der 12-Seemeilen-Zone sehr große Flächen mit Wassertiefen zwischen 30 und 40 m zur Errichtung von Windenergieanlagen vorgesehen, die auf Grund der Wassertiefe, Wellenhöhen und Wetterbedingungen besondere Anforderungen an die technische Ausführung und ausgeklügelte Gründungssysteme der Windkraftanlagen stellen.

In Skandinavien, Großbritannien sowie Frankreich können Windenergieanlagen nahe der Küste, in Dänemark und Groß­britannien teilweise in nur zwei Kilometern Entfernung und entsprechend geringer Wassertiefe errichtet werden. Diese Standorte ermöglichen es, auf bestehende Gründungstechnologien zurückzugreifen.

Im Windenenergie Report Deutschland 2009 des Fraunhofer Instituts für Wind­energie und Energiesystemtechnik wird auf die Pionierrolle Europas in der weltweiten Nutzung hingewiesen. So haben vor allem Großbritannien und Dänemark den Offshore-Ausbau vorangetrieben, in der irischen See wurden zwei große Projekte, Rhyl Flats und Robin Rigg, realisiert. Dänemark hat mit Horns RevII den zurzeit weltgrößten Offshore-Windpark in Betrieb genommen. In einer Wassertiefe von über 100 m hat Norwegen eine Anlage mit einem schwimmenden Fundament installiert, die­se Testanlage befindet sich 10 km vor der Küste von Karmoy. Eine weitere Testanlage befindet sich in Italien in einer Wassertiefe von 108 m. Deutschland schaffte den Einstieg mit dem Park alpha ventus, einem Test- und Demonstrationsprojekt. Die daran angegliederte BMU-Forschungsinitiative RAVE – Re-search at alpha ventus begleitet den Bau und Betrieb des Windparks mit vielen Forschungsvorhaben, um eine breite Basis an Erfahrungen und Erkenntnissen für zukünftige Offshore-Windparks zu gewinnen. Alpha Ventus ist nach Betreiberangaben derzeit weltweit der erste Windpark auf See, in dem ein Dutzend Anlagen der 5-Megawatt-Klasse zum Einsatz kommen. Die Bauzeit für alle zwölf Windturbinen betrug insgesamt sieben Monate. Ein weiterer Netzanschluss wurde mit »BorWin1« für den ersten kommerziellen Windpark »Bard Offshore 1« mit 80 Windrädern bis 2011 installiert. Die 200 km lange Anbindung an das transpower-Netz ist die weltweit längste Kabelstrecke, die bislang für den Netzanschluss eines Offshore-Windparks gebaut wurde. ABB hat dafür eine 400 MW starke Hochspannungs-Gleichstromübertragung entwickelt und installiert. Nach dem Testbetrieb wird die endgültige Inbetriebnahme erfolgen, sobald Bard Offshore1, dessen Leistung »BorWin1« aufnehmen soll, realisiert ist.

Die Bauarbeiten für »BorWin1« dauerten 26 Monate, 4.180 m Dünen und Deiche wurden unterbohrt, auf über 1.330 m die Ems unterquert, der größte Schwimmkran der Welt baute eine 3.200 t schwere Plattform in der Nordsee auf und Spezialschiffe verlegten 7.000 t Seekabel in die Nordsee. Um die Netzanbindung termingerecht fertig zu stellen, ist Spezialtechnik erforderlich. Weltweit sind aber nur wenige Spezialschiffe vorhanden, die auf großen Drehtischen das vorher aufgewickelte Kabel transportieren und auf See abrollen können, wie der 128,5 m lange und 35 m breite Kabelverleger »Giulio Verne«. Und nur ein einziger Schwimmkran war für die Installation der riesigen Offshore-Plattform rund 120 km vor der Küste verfügbar.

Für die Realisierung des Windparks alpha ventus kamen während der Bauphase unter anderem folgende Schiffe zum Einsatz: Kabelverlegerschiffe »Team Oman« und »Installer«, der 900 t Schwimmkran »Samson« (Reederei Wulf), Schubverband »Mega Motti« (Schubschlepper »Mega«, Barge »Motti« Reederei Briese), Hubinsel »Odin« (Hochtief) und der Hochseekran »Thialf«. Mit der vorhanden Technologie konnte die innovative Installation realisiert werden. Für alle bereits genehmigten Offshore-Windparks mit derzeit 1.655 Anlagen (Stand Dezember 2009) und deren Wartung müssen sich die Hersteller, Betreiber, Reeder und letztendlich auch die Werften einer großen Herausforderung stellen, denn die vorhandene deutsche Flotte könnte schnell an ihre Grenzen stoßen.

»Windenergie in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Nun gilt es, den nächsten Schritt zu machen, weit raus aufs Meer. Dazu müssen wir nicht nur das Know-how anderer Offshore-Branchen mit der Windenergie-Branche zusammenbringen, sondern auch neue Aufgaben und Probleme lösen. Aber gemeinsam und koordiniert, wie zahlreiche Beispiele belegen, sollte auch das zu schaffen sein. Oder aktueller formuliert: ›Yes, we can!‹«, meinte Dr. Kurt Rohrig, Bereichsleiter Energiewirtschaft und Netzbetrieb am Fraunhofer IWES, das die RAVE-Forschungsinitiative des BMU koordiniert. Forschungsschwerpunkte sind die Senkung der Kosten, Ertragssteigerungen und Erhöhung der Verfügbarkeit von Windenergieanlagen.


BK