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Die Piraterie am Horn von Afrika hat in den letzten Monaten eine Dimension erreicht, die es notwendig macht, der Bedrohung durch wirksame und gemeinsame Maßnahmen aller Beteiligten entgegenzuwirken. Dieser Artikel soll dazu dienen, das Verständnis für das Zusammenwirken von Reedereien, Kapitänen, CSOs, SSOs (CSO- Company Security Officer; SSO – Ship Security Officer; beides Gefahrenbeauftragte für die Sicherheit in der Reederei und an Bord nach dem International Ship and Port Facility Code (ISPS)), Streitkräften und Sicherheitsbehörden zu verbessern. In einem zweiten Schritt sollen durch das gemeinsame Mitwirken aller Beteiligten auch geeignete Strategien und Lösungen für eine erfolgreiche Piraterieprävention entwickelt werden.

Piraterie ist so alt wie die Schifffahrt selbst und sie hat sich wie die Schiffe, Reedereien und seefahrende Nationen über[ds_preview] die Jahrhunderte weiterentwickelt. Die meisten Küstenländer verfügen über Küstenwachen und Sicherheitsbehörden, um Piraten abzuschrecken. Auch können die gemeinsamen Anstrengungen von Staaten das Piraterie-problem wirksam bekämpfen, wie es das Beispiel der Straße von Malakka anschaulich illustriert. Zurzeit sind der Golf von Aden und das Somali Bassin (Ostküste Somalias) die Seegebiete, in denen Piraterieangriffe die Schifffahrt weltweit am meisten gefährden. Die durch das Piracy Reporting Centre des International Maritime Bureau veröffentlichten Statistiken zeigen eine deutlich erhöhte Piraterieaktivität in diesen Gewässern. Mit kleinen Booten, so genannten Skiffs, operieren die Piraten gegen eine der Haupthandelsrouten Europas. Durch den Einsatz von Mutterschiffen haben die Piraten ihren Einsatzbereich bis zu einigen hundert Seemeilen vor die Küsten verlagert und agieren in der Weite eines riesigen Seegebietes, das 15-mal so groß ist wie Deutschland und dadurch eine militärische Überwachung schwierig macht. Warlords in Somalia nutzen sehr geschickt das Machtvakuum für private Raubzüge auf See. Ziel ist die Erpressung von Lösegeldern für entführte Schiffe und Besatzungen. Wie die letzten Monate gezeigt haben, ist dies ein »blühender Wirtschaftszweig«, bei dem geringe Investitionen und Risiken hohen Gewinnaussichten durch Lösegelder gegen­überstehen. Nachwuchssorgen dürften die Piraten in einem Land, in dem keine wirkliche Staatsgewalt ausgeübt wird und in dem die Bevölkerung sehr arm ist, auch nicht haben. Ein weiterer die Piraterie begünstigender Faktor ist die Nutzung somalischer Häfen und der Küste als Basis für die Angriffe und als »sicherer Rückzugsort« für entführte Schiffe und Besatzungen. Derzeit gibt es Initiativen im Rahmen der europäischen Sicherheitspolitik, in Somalia Sicherheitskräfte auszubilden. Ob dadurch eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse und damit eine Verminderung der Piraterieattacken zu erreichen ist, bleibt abzuwarten. Eine Frage ist also weiter offen: Wie können Angriffe und Schiffsentführungen verhindert werden?

Wirksame Piraterieprävention und Pirateriebekämpfung kann nicht allein erreicht werden – Teamwork zwischen Reedereien, Kapitänen, CSOs, SSOs, Sicherheitsbehörden und Streitkräften ist gefragt.

Ausgehend von der Gefahrenlage im Golf von Aden hat es eine Reihe von Gesprächen zwischen dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr, dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei, den Verbänden und Reedereien gegeben. In diesen Gesprächen wurden gemeinsame Maßnahmen abgestimmt, um Wege für eine wirksame Piraterieprävention und – im Bedarfsfall gemeinsame Lagebewältigung – zu finden.

Die erste Säule ist dabei eine zentrale Ansprechstelle für Reeder, CSOs und Kapitäne, die rund um die Uhr zur Verfügung steht. Dies ist die Leitstelle der Bundespolizei im Maritimen Sicherheitszentrum in Cuxhaven. Hier eingehende Anfragen werden entweder sofort beantwortet oder an zuständige Stellen weitergeleitet, um für die Reedereien und Kapitäne gezielte und individuelle Informationen zur Piraterieprävention bereitzuhalten.

Die zweite Säule der Piraterieprävention ist ein gezieltes Informationsmanagement. Dies schließt Informationen über die Vorgehensweisen der Piraten, ein verbessertes Sicherheitsmanagement an Bord und in den Reedereien, die Anmeldung bei Kontaktstellen sowie die Anwendung technischer Abwehrmaßnahmen und Handhabung der »best practises« mit ein. Zu diesem Zweck bietet die Bundespolizei in enger Abstimmung und unter Einbeziehung anderer Sicherheitspartner Vorträge, Sicherheitsberatungen sowie Schulungen an und wird dieses Angebot ausbauen. Auch technische Entwicklungen wie die Einrichtung eines sicheren Schutzraumes an Bord, die sog. »Zitadelle«, können hier gemeinsam erprobt und begleitet werden.

Die dritte Säule der Piraterie-Prävention bildet das Schiffsmeldewesen. Dieses umfasst im Wesentlichen die Anmeldung von Schiffen, welche in gefährdete Seegebiete fahren, bei den Kontaktstellen. Diese Maßnahme bedarf der Mitarbeit der Reeder.

In Northwood, Großbritannien, ist der Sitz des Maritime Security Centre Horn of Africa (MSCHOA – Koordinierungsstelle für die europäischen Marinestreitkräfte (ATALANTA) am Horn von Afrika; die Handlungsempfehlungen dieser web-page sind mit der IMO abgestimmt und beinhalten auch die aktuelle Lage und Sofortmeldungen; http://www.mschoa.org). Schiffe können sich für die Passage am Horn von Afrika registrieren lassen. Sie erscheinen dann in der täglich zweimal aufdatierten »Ship List«, die an alle Kriegsschiffe im Einsatzgebiet verteilt wird. Dies erleichtert die Überwachung der Handelsschifffahrt in diesem stark gefährdeten Seegebiet.

Die vierte Säule betrifft das Umsetzen der Handlungsempfehlungen (auch „best management practices“) durch Reedereien und Kapitäne. Oft wird in Diskussionen mit Kapitänen gesagt: »Gegen Piratenangriffe können wir nichts machen, die sind mit Kalaschnikows und Panzerabwehrraketen bewaffnet, und mit Feuerlöschschläuchen kann man nichts ausrichten!« Sicherlich kann ein Wasserstrahl allein die Piraten nicht zur Umkehr zwingen, aber die Wirksamkeit von Abwehrmaßnahmen besteht aus einer Kette von einzelnen Faktoren, die, zusammen angewendet, das Risiko einer Schiffsentführung sehr drastisch verringern können. Diese Maßnahmen beginnen bereits mit einer Planung der Reise, einer Risikoanalyse, der Vorbereitung der Crew und dem Umsetzen der internationalen und nationalen Handlungsempfehlungen. Die Analyse von Schiffsentführungen am Horn von Afrika zeigt deutlich, dass es in vielen dieser Fälle an einem ganzheitlichen Sicherheitsmanagement mangelte. Weiterhin wurden und werden die Handlungsempfehlungen der MSCHOA web-page, der International Maritime Organization (IMO) (Dazu gehört auch das Piracy Reporting Centre (PRC) des International Maritime Bureau (IMB), http://www.icc.ccs.org) und auch nationale Sicherheitshinweise (Durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) werden Gefahrenstufen und Warnhinweise für den Bereich äußerer Gefahren auf See veröffentlicht, http://www.bsh.de Die Bundespolizei veröffentlicht turnusmäßig einen Quartalsbericht Piraterie unter http://www.bundespolizei.de) nicht immer genau genug und vor allem nicht vollständig beachtet. Dadurch konnte in einigen Fällen bei Piratenangriffen militärische Hilfe für das bedrohte Schiff nicht rechtzeitig herangeführt werden. Dies hatte wiederum verhängnisvolle Folgen für die Besatzung und führte zu wirtschaftlichen Nachteilen für die Reederei.

Bereits seit einigen Jahren gibt es zwischen der Bundespolizei und verschiedenen Reedereien eine aktive Zusammenarbeit. Im Rahmen von Vorträgen waren insbesondere die anschließenden Diskussionen mit Kapitänen, SSOs und CSOs wichtig für die laufende Anpassung der gemeinsamen Präventionskonzepte. Der besondere Wert dieser Zusammenarbeit wird dadurch betont, dass mit den CSOs der Reedereien schon im Vorfeld der Passage des Golfs von Aden konkrete Abwehrmaßnahmen besprochen, konkrete Sicherheitsempfehlungen gegeben und Kommunikationswege festgelegt werden konnten. Diese Maßnahmen sind Bestandteil eines ganzheitlichen Risikomanagements und führen zu einer erheblichen Reduzierung des Risikos, von Piraten geentert zu werden. Es gilt, diese gute Zusammenarbeit weiter auszubauen. Derzeit plant die Bundespolizei für das Jahr 2010 Workshops im Maritimen Schulungs- und Trainingszentrum der Bundespolizei in Neustadt / H. für Kapitäne, SSOs und CSOs. Durch diese neue Initiative »Piraterieprävention« sollen die Reedereien sensibilisiert werden, gemeinsam mit Sicherheitsbehörden wirksame Konzepte zur Piraterieabwehr an Bord der Schiffe einzuführen und oder vorhandene Maßnahmen zu verbessern.

Nur durch ein gemeinsames Handeln von Reedereien, Kapitänen, militärischen Stellen und den Sicherheitsbehörden wird dies gelingen. Bei der Abwehr von Piratenangriffen ist Teamwork zwingend notwendig.

Als zentrale Ansprechstelle für Fragen steht die Leitstelle der Bundespolizei im Maritimen Sicherheitszentrum in Cuxhaven rund um die Uhr zur Verfügung (Telefon: 0049 (0) 4721/567-370 oder -474, E-Mail: bpol.see.glz@polizei.bund.de).

Verfasser:

Bernd Kunkel

Polizeihauptkommissar und Sachgebietsleiter Maritime Einsatzangelegenheiten bei der Bundespolizei See«


Bernd Kunkel