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Londoner Makler Clarksons eröffnet Terminhandel auf China-Routen

Jahrelang haben sich Schiffsmakler in London und Hamburg die Köpfe heiß geredet, gegrübelt und entwickelt. Jetzt ist es so weit: Nach ihrem Siegeszug im Bulker- und Tankerbereich halten die Freight Forward Agreements (FFA) auch im Containersektor Einzug. Es handelt sich dabei um Termingeschäfte oder so genannte »Swaps« auf Seefracht, mit denen sich Reeder und Befrachter genauso gegen Ratenschwankungen absichern können wie mit anderen Derivaten zum Beispiel gegen Zins- oder Ölpreisschwankungen.

Das erste Geschäft im Containersektor hat der Londoner Schiffsmakler Clarksons Mitte Januar eingefädelt – allerdings nicht etwa zwischen Überseelinien und Spediteuren[ds_preview] oder Verladern, wie man annehmen sollte. Als erste warfen vielmehr die US-Bank Morgan Stanley und die belgische Feeder- und Logistik-Gruppe Delphis ihren Hut in den Ring. Denn die von Clarksons entwickelten Container Freight Swap Agreements (CFSA) kann eigentlich jeder kaufen oder verkaufen, solange er ein Gegenüber dafür findet. Während Transporteure oder deren Kunden ihre Preisrisiken im realen Geschäft durch Kurssicherung minimieren wollen, werden Spekulanten vom Reiz des schnellen Geldes angelockt.

CFSA funktionieren nach dem Muster der Commodity Swaps: Zwei Geschäftpartner einigen sich auf eine Seefrachtrate auf einer bestimmten Route zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Einer kauft die Fracht zu diesem fixen Preis, der andere verkauft sie. Am Fälligkeitstag wird die fixe Rate dann mit dem variablen Marktpreis, d. h. der verfügbaren Spotrate, abgeglichen. Liegt die Spotrate über dem vorher verabredeten fixen Wert, erstattet der Verkäufer dem Käufer die Differenz (multipliziert mit der Anzahl der Container). Liegt sie darunter, bekommt der Verkäufer den Ausgleichsbetrag. Reales Frachtgut wird also gar nicht gehandelt, es werden bloß fixe und variable Frachtzahlungen an einem Stichtag ausgetauscht – zuzüglich einer Courtage von 30 US$ pro teu für den Makler. Durch Verrechnung der dabei erzielten Gewinne oder Verluste mit den wirklichen Frachteinnahmen oder- ausgaben im Transport erzielen die Marktteilnehmer eine Kurssicherung und sichern damit ihre Budgets ab. Der Anreiz dafür ist umso größer, je unberechenbarer und volatiler die Marktpreise sind. »Wenn man sich den Containermarkt in jüngster Zeit anschaut, findet man wohl eine sehr hohe Volatilität vor«, sagt David Barnes, Derivatenhändler bei Clarksons Securities. Im Fernost-Europa-Verkehr berichten Spediteure zum Beispiel von einer Verfünffachung der Preise binnen sechs Monaten im vergangenen Jahr.

Richtwert für die Container-Swaps bildet der in Schanghai ermittelte New Shanghai Containerised Freight Index, der die Spotraten auf fünfzehn Export-Routen widerspiegelt. Diese Referenz-Raten werden wöchentlich von je fünfzehn Linienreedereien und örtlichen Speditionen festgelegt.

Hedging kontra Vertragsraten?

Der erste Deal zwischen Delphis und Morgan Stanley soll zwar nur einen Umfang von einigen Containern pro Monat haben. Doch sieht der Brite bei rund 130 Mio. Containertransporten (in teu) pro Jahr einen riesigen schlummernden Bedarf. »Das Spektrum der möglichen Nutzer ist da schier unendlich«, so Barnes. Kritiker wenden ein, dass der Bedarf an Kurssicherung im Containerverkehr längst nicht so groß wie auf den Bulker- oder Tankermärkten sei, weil große Verlader häufig Jahresverträge über Frachtraten mit den Reedern schließen. Das Argument lässt der Makler nur eingeschränkt gelten. Denn zum Teil würden geltende Verträge durchaus nachverhandelt. Oder sie enthalten von vorn herein eine GRI-Klausel (General Rate Increase), so dass bei der nächsten Ratenrunde automatisch eine Anpassung erfolgt. Zudem entstehen außerplanmäßig immer wieder Spotbedarfe, weil die Kontraktvolumina ausgeschöpft sind oder einzelne Partien zu ganz neuen Destinationen verschifft werden müssen. Es gebe laufend »Domino­effekte« vom Spotmarkt her, die eine Kursabsicherung über CFSA auch für Kontraktkunden sinnvoll erscheinen ließen, so Barnes. Allerdings wird sich ein reger Handel wohl nur peu a peu entwickeln können. Die Makler stehen vor dem typischen Henne-Ei-Problem. Um mehr Kunden überzeugen zu können, braucht man erst einmal Handelsmöglichkeiten, d. h. willige Vertragspartner oder kurzum: Liquidität. Um diese Liquidität aber erst einmal gewährleisten zu können, müssen mehr Kunden ins kalte Wasser springen und anfangen zu handeln. Die ersten Interessensbekundungen stimmen Barnes hoffnungsfroh. Importeure von Elektrogeräten in Europa und Forstproduktenhändler aus Südamerika hätten sich bereits nach dem Produkt erkundigt. Allerdings scheuen die Unternehmen das Risiko und wünschen sich von vornherein einen regulierten Handel mit Clearing-Stelle, die den Zahlungsausgleich zwischen den Vertragsparteien regelt und damit auch das Zahlungsausfallrisiko ausschaltet. Denn der beste Frachten-Swap nützt gar nichts, wenn die Ausgleichsbeträge nicht überwiesen werden. Bislang werden die Papiere aber nur direkt zwischen den Parteien »over the counter« (OTC) gehandelt. Clarksons hofft in den kommenden Monaten ein Clearing-Haus für den Handel zu gewinnen. Bis dahin kämen eigentlich nur Banken in größerem Stil für den Swap-Handel in Frage, weil die sich in Punkto Bonität noch am ehesten untereinander über den Weg trauten. Wenn die Finanzhäuser das Eis gebrochen haben, sei das Fahrwasser auch für Linienreeder und Verlader frei. Man könne das nicht übers Knie brechen, so Barnes. »Wir nehmen uns die verschiedenen Gruppen nach und nach zur richtigen Zeit vor.«


mph