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Neubauten für das WSA Bremerhaven

Im Rahmen des laufenden Ersatzbeschaffungsprogramms für schwimmende Fahrzeuge wurden für den Außenbezirk Blexen des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Bremerhaven im Jahr 2009 zwei Neubauten in Dienst gestellt.

Mehrzweckarbeitsschiff

Das WSA Bremerhaven stellte am 02.12.2009 den Neubau eines 24m-Mehrzweckarbeitsschiffes in Dienst, nachdem es auf dem[ds_preview] Bauhof durch Taufpatin Stephanie Weber auf den Namen »Ruschsand« getauft wurde. Der Neubau ersetzt den 1957 gebauten Schlepper »Spring«, der nunmehr ausgesondert wird.

Der Auftrag für den Bau und die betriebsfertige Lieferung des Mehrzweckarbeitsschiffes wurde nach vorangegangenem »EU-weitem, Offenen Verfahren« am 17.01.2008 an die Werft Fassmer GmbH & Co.KG in Berne / Motzen erteilt. Bei dem Mehrzweckarbeitsschiff »Ruschsand« handelt es sich um einen modifizierten Nachbau der in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) seit Mitte der 90er Jahre mehrfach vorhandenen, in Nord- und Ostsee eingesetzten 21-m-Typ-Seezeichenmotorschiffe (s. a. HANSA 1 u. 10/2004). Die »Ruschsand« ist mittlerweile der achte Neubau aus dieser »Typ-Schiff-Serie« und verfügt aufgrund des Anforderungsprofils über einige Besonderheiten: Es ist das erste Schiff dieser Typen-Baureihe, das als Binnenschiff gebaut und zugelassen wurde und auch das erste Schiff dieser Baureihe, das mit einer 2-Wellenantiebsanlage ausgestattet ist.

Die Weiterentwicklung, Entwurf, Spezifikation und Ausschreibung sowie die Abwicklung dieses Schiffsneubaus wurden durch die Fachstelle Maschinenwesen Nord in Rendsburg durchgeführt. Sie ist die technische Fachbehörde im Zuständigkeitsbereich der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord in Kiel und Nordwest in Aurich. Die FMN Rendsburg wird direktionsübergreifend von den Wasser- und Schifffahrtsämtern an der Küste mit der Planung und Abwicklung besonderer Ingenieuraufgaben, wie hier dem Neubau von Spezialschiffen für die WSV beauftragt.

Veranlassung, Konzeption und Aufgaben

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hat im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht die Aufgabe, die schiffbaren Wasserstraßen in ihrem Zuständigkeitsbereich mit geeigneter Technik qualitätsgesichert zu überwachen und zu unterhalten.

Das WSA Bremerhaven mit seinem Außenbezirk in Blexen und dem Stützpunkt Brake-Klippkanne ist verantwortlich für die Sicherheit der Schifffahrt auf der Bundeswasserstraße Weser von Brake bis zur seewärtigen Zufahrt vor Wangerooge. Zu den Aufgaben gehören alle Maßnahmen zur Erhaltung der Schiffbarkeit, die Unterhaltung der für die Regulierung des Fahrwassers erforderlichen Strombauwerke und Ufersicherungen, die notwendigen Bezeichnungen des Fahrwassers, der Betrieb der technischen Anlagen und alle weiteren Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs auf den Bundeswasserstraßen dienen.

Da insbesondere die Uferunterhaltung (Deckwerke, Sände und Buhnen) und die Bearbeitung von schwimmenden Schifffahrtszeichen nur mit Unterstützung von geeigneten speziellen Wasserfahrzeugen durchgeführt werden kann, wurde das Mehrzweckarbeitsschiff speziell hierfür konzipiert.

Das neue Mehrzweckarbeitsschiff wird für vorstehende Verkehrssicherungsaufgaben im Bereich der Unterweser innerhalb der Seegrenze bedarfsweise mit oder ohne den Schubponton eingesetzt.

Entwurf, Konstruktion und Bauausführung

Die wesentlichen Betriebs- und Konstruktionsanforderungen an das Arbeits- und Aufsichtsschiff resultierten aus der Aufgabenstellung heraus sowie dem betrieblichen Anforderungsprofil des Betreibers: Für einen optimalen und effektiven Einsatz des Neubaus ergaben sich hieraus die entsprechenden Mindestanforderungen. Gute Stabilitätseigenschaften, die das Arbeiten mit dem auf dem Arbeitsdeck aufgestellten Hydraulikkran ermöglichen, Schubeinrichtungen für ein problemloses Koppeln und Schieben von Pontons, eine ausreichende Arbeits- und Containerstellfläche an Deck sowie ein Aufenthaltsraum mit Sitzgelegenheiten für das zu befördernde Streckenpersonal waren Grundlage des Profils des Neubaus.

Der Entwurf und die Konstruktion des Schiffskörpers basiert auf einer robusten Multiknickspantform aus Stahl in Querspantbauweise. Die sorgfältig optimierte Rumpfform ermöglicht optimale Geschwindigkeiten in der Freifahrt und im Schubbetrieb bei günstigen Kraftstoffverbrauch und einer geringen Wellenbildung.

Zum Schutz gegen Beschädigungen bei Grundberührungen wurden Boden, Kimm und Vorschiff für das Anfahren von Uferböschungen besonders verstärkt.

Das Arbeits-/ Ladedeck wurde für Verkehrslasten von 12,5 kN/m² und Einzellasten von 20 kN dimensioniert und komplett rutschsicher mit Kunststoffbohlen (Trimax) ausgelegt. Das Deck hat eine freie Arbeits- und Containerstellfläche von ca. 40 m² sowie ein Laschraster für die Verzurrung von Ladung.

Für die Durchführung von Kranarbeiten befindet sich auf dem Arbeitsdeck StB-Seite, Spt. 19, ein vollhydraulischer MKG Marinekran, Typ MKG HMC 300a3, Nutzlast SWL 1.200 kg bei 10,67 m Ausladung. Für das Abfangen der Kettenverankerung der Fahrwassertonnen wurde auf StB-Seite, Spt. 8, ein Kettensliphaken angeordnet.

Für den Einsatz als Räumfahrzeug mit einem Sandhobel / Schlickegge wurde das Fahrzeug mit einer demontierbaren Heckaussetzvorrichtung (»A-Galgen«) sowie mit zwei Hydraulikarbeitswinden mit je einer Nennzugkraft von 50 kN und einer Haltekraft von 70 kN ausgerüstet. Eine schonende Seilführung wird durch eine spezielle Seilrolle am hinteren Schanzkleid erreicht.

Aus Gründen der Einsatzoptimierung wurde am Vorschiff eine Schubeinrichtung in Form eines abgesenkten Backdecks als Schubbühne mit zwei Schubschultern vorgesehen. Die Koppelverbindung erfolgt BB und StB durch je eine Handkoppelwinde (Spannwinde) und je einen Koppelpoller auf dem Arbeitsdeck, dimensioniert für eine Haltekraft von 280 kN je Schiffsseite. Die Schub- und Koppeleinrichtung wurde für das Schieben von Pontons mit einer Länge von etwa 30 m, einer Breite von etwa 8,60 m und einem Tiefgang von etwa 1,50 m ausgelegt. Als Schleppeinrichtung wurde auf dem Achterdeck ein Schlepphaken (Typ »Knief«, SWL 80 kN) mit pneumatischer Auslösung installiert.

Das Decks- und Steuerhaus wurde aus Gewichts- und Stabilitätsgründen komplett aus Aluminium gefertigt und der Signalmast hydraulisch klappbar ausgeführt.

Die Einrichtung des Schiffes ist für die Schiffsbesatzung (zwei Personen) sowie das nach Anforderung notwendige, zusätzliche Bedarfspersonal ausgelegt. Vorhanden sind eine Pantry, ein Sanitär- und ein Aufenthaltsraum mit Sitzgelegenheiten für insgesamt zehn Personen und ein Unterkunftsraum mit Schlafgelegenheit für zwei Personen.

Im Weiteren ist das Fahrzeug durch das Ruderhaus mit großen Fensterflächen, einer guten Rundumsicht und einer guten Sicht auf Arbeitsdeck und Arbeitsbereich des Bordkranes gekennzeichnet. Eine auf das StB Arbeits-/ Ladedeck sowie eine nach voraus gerichtete Kamera optimieren die Sicht für den Schiffsführer bei Kranarbeiten.

Entsprechend der Einsatzkonzeption wurde das Mehrzweckarbeitsschiff mit klimatisiertem Ruderhaus, Unterkunfts- und Aufenthaltsraum ausgestattet. Im Frontbereich des Ruderhauses ist mittig der Hauptfahrstand und steuerbordseitig ein rückwärtiger Manövrierfahrstand angeordnet.

Antriebsanlage und Energieversorgung

Der Antrieb erfolgt über zwei MAN Motoren (Typ D2876 LE 403) mit Abgasqualität nach der Binnenschiffsuntersuchungsordnung (ZKR Zertifizierung) mit einer abgestimmten Leistungsabgabe von je 331 kW bei 1.800 U/min, die jeweils über ein ZF-Getriebe (Typ ZF 2000) auf zwei 4-flügelige Festpropeller 900 mm Ø (Fa. Schaffran) arbeiten.

Die Kühlung der wassergekühlten Motoren und Getriebe erfolgt über Außenhautkühltaschen, die im Schiffsboden entsprechend angeordnet sind. Für das Trockenfallen im Wattgebiet wurde einer der Hilfsdiesel mit einem speziellen Kühlsystem (»Wabenkühler«) konzipiert und damit die Energieversorgung im Liegebetrieb sichergestellt.

Zur Erreichung optimaler Manövrier- und Positioniereigenschaften ist im Vorschiff ein hydraulisches Bugstrahlruder der Fa. Kraeft mit einer Schubleistung von 6,0 kN vorhanden.

Der Bordkran, Arbeitswinden, Bugstrahlruder und Signalmast werden durch ein Zentralhydrauliksystem versorgt, das mit umweltschonendem Hydrauliköl auf vollsynthetischer Esterbasis befüllt ist.

Weiterhin sind eine Klima-, Frischwasser- und Fäkalienanlage sowie eine Warmwasser-Heizungsanlage, die auch durch das Kühlwassersystem gespeist werden kann, vorhanden.

Die elektrische Energieversorgung wird mit zwei Hilfsdieselaggregaten mit einer Generatorleistung von je 92 kW und einer elektrischen Leistung von 100 kVA und 60 kVA sichergestellt. Die Aggregate können im normalen Bordbetrieb wechselweise betrieben werden. Bei Spitzenbelastungen ist ein synchroner Parallelbetrieb der beiden Aggregate möglich, die Zuschaltung der Generatoren erfolgt über eine vollautomatische Synchronisationseinrichtung, die vom Brückenfahrpult gestartet werden kann. Als Maschinenüberwachung dient ein analogwertverarbeitendes dezentrales Alarmsystem (Böning, Kompakt AHD 650) mit zwei Alarmdisplay’s und einem LCD-Display im Brückenfahrpult.

Nautische Ausrüstung, Nachrichten- und Vermessungstechnik

Der Neubau wurde u. a. mit folgenden funktechnischen- und nautischen Anlagen ausgerüstet:

• GPS-Kompass, zugelassen gemäß BSH/SUK

• Selbststeueranlage Typ Alphapilot

• Wendekreisel Typ Turnmaster ML 40

• Flussradaranlage mit Inland-ECDIS Typ SWISS JFS 364C mit Radarpilot 720

• DGPS-Empfänger, Leica Typ Mx 420/8

• DGPS-Empfänger für Seezeichenverlegung und Kontrolle, Fa. SAM Elektronics

• Inland-AIS Transponder System, Fa. ­Saab R 4

• Fernüberwachung von Alarmmeldung über GSM-Netz

• Pegeldatenfunkempfänger, Sekundäranzeige II, Fa. Kuhnt

• Navigationslot Fahrentholz Typ UkN 51

• Seefunkanlagen Typ Sailor RT 5020

• Digitales Zwei-Kanal-Vermessungslot Fahrentholz, Litugraph

Schubponton »DP 4175«

Zum Einsatz in einer als Gesamtverband zugelassenen Arbeitseinheit wurde im August 2009 neben dem Mehrzweckarbeitsschiff »Ruschsand« auch der Neubau eines Schubpontons im WSA Bremerhaven in Dienst gestellt.

Nach abschließender Genehmigung durch die WSD Nordwest in Aurich wurde durch die FMN Rendsburg die Spezifikation, d. h. Bauvorschrift für den neuen Schubponton erstellt, und nach Durchführung eines »EU-weiten Offenen Verfahrens« konnte am 17.01.2008 der Auftrag für den Bau dieses modernen Schubpontons an die Schiffswerft Bolle, Neuderben, erteilt werden.

Dieser Schubponton dient im Einsatz mit dem entsprechenden Mehrzweckarbeitsschiff dem Transport von Material und Geräten zu den Einsatz- und Baustellen im Rahmen der Aufgaben der Unterhaltung der Wasserstraßen, insbesondere der Weser.

Konzeption und Bauausführung

Der Entwurf und die Konstruktion des Schiffskörpers basiert auf einer robusten, rechteckigen Pontonform aus Stahl in Querspantbauweise. Der Ponton wurde mit flachem Boden sowie einem auflaufenden Boden im Vor- und Hinterschiffsbereich, einer geraden, ca. 40° auflaufenden Kimm auf BB-Seite sowie einer geraden, ca. 25° auflaufenden Kimm auf StB-Seite und leicht einfallendem Vor- und Achterspiegel mit runden Ecken konzipiert.

Zum Schutz gegen Beschädigungen bei Grundberührungen wurden Boden, Kimm, Vorschiff und Achterschiff besonders verstärkt.

Das mit Landfahrzeugen befahrbare Arbeitsdeck einschließlich einer mit dem Bordkran zu bedienenden Auffahrrampe wurde nach DIN 1072 Brückenklasse 60 dimensioniert. Das Deck hat eine freie Lade-, Arbeits- und Containerstellfläche von ca. 65 m², einen aufgesetzten, variablen Transportkasten sowie ein Laschraster für die Verzurrung von Container und Ladung.

Für die Durchführung von Kranarbeiten wurde der Ponton mit einem vollhydraulischer MKG Marinekran, Typ MKG HMC 205 a4, Nutzlast SWL 1.300 kg bei 12,15 m Ausladung, ausgerüstet.

Für die Verankerung an Baustellen ist der Ponton mit einem hydraulischen Ankerpfahlsystem ausgerüstet. Es besteht aus zwei Ankerpfäh­len mit einer nutzbaren Länge von 9,5 m unter Wasserlinie, die mittels hydraulischen Spezialzahnstangenantrieb gehoben und gesenkt werden können.

Als Schubeinrichtung (Koppelmöglichkeiten) sind am Achterschiff eine kräftige Schubschulter und ein Seil-Koppelsystem mit Handkoppelwinde (Spannwinde) vorhanden, dimensioniert für eine Haltekraft von 300 kN pro Schiffsseite.

Die Verholeinrichtungen bestehen aus einer Hydraulik-Anker-Verholwinde BB vorne, einer Hydraulik-Verholwinde StB vorne und je einer Hydraulik-Verholwinde hinten BB und StB, jede mit einer Nennzugkraft von 42 kN. Eine schonende Seilführung wird durch Walzenklüsen im Schanzkleid erreicht.

Der Schubponton verfügt über ein Ruderhaus. In einem im Hauptdeck integrierten Decksaufbau achtern sind Aufenthaltsraum, Sanitärraum mit WC, Hilfsmaschinenraum und Deckstore untergebracht. Im Hilfsmaschinenraum unter Deck befinden sich die Diesel-Aggregate mit Generator, Hydraulikpumpe, Heizkessel, Lenz-, Spül- und Deckwaschpumpe.

Die Einrichtung besteht aus einem Aufenthaltsraum mit Pantry, Kühlschrank und E-Herd, Sitzgelegenheiten für insgesamt neun Personen, einem separaten Sanitärraum mit WC und Waschgelegenheit.

Hilfsantrieb und Energieversorgung

Die elektrische Energieversorgung (230 V / 400 V) erfolgt durch ein Hilfsdieselaggregat vom Typ Hatz 4 L 41 C mit einer Generatorleistung von je 21 kW / 26 kVA bei 1.500 U/min.

Bordkran, Ankerpfahleinrichtung, Anker- und Verholwinden werden durch ein Zentralhydrauliksystem versorgt, das mit umweltschonendem Hydrauliköl auf vollsynthetischer Esterbasis befüllt ist und durch ein zweites Hilfsdieselaggregat vom Typ Hatz 4 L 41 C angetrieben wird. Weiterhin sind eine Frischwasser- und Fäkalienanlage, Lenz-, Spül- und Deckwasch­pumpe sowie eine Warmwasser-Heizungsanlage vorhanden.

Ausblick

Mit der Umsetzung der Neubaumaßnahmen – Mehrzweckarbeitsschiff »Rusch­sand« und Schubpontons »DP 4175« – wurden im Jahre 2009 durch die FMN Rendsburg dem WSA Bremerhaven zwei gut konzipierte, als Einheit zusammenwirkende Arbeitsgeräte für die vielfältig genannten Aufgaben an der Unterweser übergeben. Somit konnte die erste Phase des vorgesehenen Ersatzbeschaffungsprogramms für den Außenbezirk Blexen abgeschlossen werden. Im Rahmen der zweiten Phase wurde mittlerweile, nach Abschluss des »EU-weiten Offenen Verfahrenes«, der Auftrag des »21-m-Außenweserschiffes« im Dezember 2009 an die Schiffswerft Bolle, Neuderben, erteilt. Die Indienststellung ist für den Sommer 2011 vorgesehen.

Verfasser:

Peter Bielke

Henry Kruse

Fachstelle Maschinenwesen Nord,

Rendsburg


Peter Bielke, Henry Kruse