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Die Durchquerung der Nordostpassage der beiden deutschen Schiffe »Beluga Fraternity« und »Beluga Foresight« im Sommer 2009 war der Höhepunkt eines ereignisreichen Jahres für die arktische Schifffahrt. Das Duo wird wie Amundsens »Gjoa« und Nordenskjölds »Vega« in die Geschichte der Entdeckung der Arktis eingehen. Für die internationale Schifffahrtspolitik verdeutlicht es neue Aufgaben.

Ermöglicht hat die Durchquerung der Nordostpassage der Klimawandel, durch den in den Sommermonaten die Eisausbreitung in der Arktis geringer und[ds_preview] das Eis insgesamt dünner ist. Gleichwohl bleibt die Arktisfahrt schwierig: die Reise der Beluga-Schiffe erforderte eine intensive Vorarbeit durch die Reederei. Beide Schiffe mussten für das schwierige Revier ausgerüstet, die Mannschaften vorbereitet und die russische Bürokratie überwunden werden. Das neue Fahrtgebiet stellt viele Herausforderungen an alle Beteiligten. Küsten- und Flaggenstaaten müssen die Navigations- und Kommunikationsmittel bereitstellen, die in südlichen Gefilden üblich sind. Lebensrettungs- und Umweltschutzstrukturen müssen für den hohen Norden geschaffen werden. Regelungen, die der Wahrung hoheitlicher Ansprüche der Arktisanrainer dienen, müssen unter Einhaltung des Seevölkerrechts getroffen werden.

EU will Schiffssicherheit in der Arktis fördern

Diese Forderungen finden sich auch in den Anfang Dezember verabschiedeten, umfassenden Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur europäischen Arktispolitik: um die nachhaltige Entwicklung des arktischen Schiffsverkehrs zu unterstützen, werden EU-Staaten und alle Mitglieder der IMO aufgefordert, innerhalb des von der IMO und dem Internationalen Seerechtsübereinkommen gespannten Rahmens die Schiffssicherheit in der Arktis zu fördern. Der Entscheidung des Rates war im November 2008 eine Denkschrift der Europäische Kommission, »Die Europäische Union und die Arktis«, vorangegangen. Danach will die EU-Kommission die Umsetzung von Verpflichtungen in den Bereichen Navigationsregeln, Schiffssicherheit und Routenführungs- und Umweltstandards in der Arktis vorantreiben. Dabei will sie insbesondere die Arbeiten der IMO in diesen Bereichen unterstützen. Die Kommission will sich auch dafür einsetzen, dass eine Benachteiligung von ausländischen Schiffen etwa bei Gebühren oder bei der Verpflichtung zur Routenberatung oder Eisbrecherannahme vermieden wird. Sie strebt zudem eine Verbesserung der Satellitenabdeckung arktischer Meeresräume an. Damit könne – so die Kommission – der Schiffsverkehr besser überwacht und schneller auf Notfälle reagiert werden. Sie regt zudem die Einstufung einiger arktischer Schifffahrtswege als besonders empfindliche Meeresgebiete an.

US-Arktispolitik konkretisiert

Auch in den USA arbeitet man an der Arktisschifffahrt. Im amerikanischen Kongress wurde am 8. Dezember der Entwurf des Arctic Deep Water Sea Port Act eingebracht: die Machbarkeit eines amerikanischen Tiefwasserhafens in der Arktis soll umgehend geprüft werden. Noch als eine seiner letzten Amtshandlungen hatte US-Präsident George W. Bush auch die amerikanische Arktispolitik im Januar 2009 konkretisiert. Sie wird unter Barack Obama fortgeführt. Danach sind zur Gewährleistung eines sicheren und umweltfreundlichen Seehandels in der Arktis Maßnahmen wie Lebensrettungseinrichtungen, Nah- und Fernnavigationsmittel, Schiffsverkehrsmanagement in besonders riskanten Gebieten, Eisbergwarnungen und andere Meereisinformationen sowie effektive Schiffssicherheitsstandards unverzichtbar. Zum amerikanischen Maßnahmenkatalog gehören ferner vorgegebene Schiffsrouten, Verkehrstrennungsgebiete, neue Unterwassergeräuschnormen, neue Abkommen zur Bekämpfung von Umweltverschmutzung durch Öl und Gefahrgut sowie überarbeitete und verschärfte IMO-Regeln für die Eisfahrt. Die Leitlinien der US-Exekutive setzen auf die Staatengemeinschaft: sie fordern ausdrücklich den Beitritt der USA zum UN-Seerechtsübereinkommen und stützen internationale Gremien wie den Arktischen Rat und die IMO.

Richtlinien der IMO

Die IMO befasst sich seit längerem im Schiffssicherheitsausschuss (MSC) und im Meeresumweltausschuss (MEPC) mit der Polarfahrt in der Arktis und Antarktis. Sie wird Richtlinien für den Schiffsbetrieb in eisbedeckten Gewässern verpflichtend einführen. Unabhängig davon befasst sich auch der IMO-Unterausschuss Training and Watchkeeping (STW) mit neuen Standards für die Eisfahrt, die zunächst aber nur empfehlenden Charakter erhalten sollen. Der Untersuchungsbericht zum Untergang des Kreuzfahrtschiffes Explorer in der Antarktis stellt weitere Schiffssicherheitsstandards zur Diskussion.

Praktische Empfehlungen vom Arktischen Rat

Zu den Überlegungen beitragen wird sicherlich auch die Bewertung des Arktischen Seeverkehrs (AMSA), die der Arktische Rat im April 2009 herausgegeben hat. In einem umfassenden, 194-seitigen Bericht geht der Rat auf Geographie, Geschichte, Rechtsrahmen, gegenwärtige Schiffsverkehre und Szenarien für die Zukunft ein. Er befasst sich zudem mit sozial- und umweltpolitischen Fragestellungen. Aus der Analyse leitet der Rat zahlreiche Empfehlungen ab, sowohl technischer als auch rechtlicher Art, deren Umsetzung sich direkt auf die arktische Schifffahrt auswirken würden.

Der Verband Deutscher Reeder verfolgt die Entwicklungen intensiv und bringt sich auf nationaler und internationaler Ebene in die Beratungen und Forschungsprojekte ein (etwa in das Forschungsvorhaben »Entwicklung einer Eis-Routen-Optimierung als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Nutzung des Nördlichen Seeweges«). Denn für die deutsche Schifffahrt sind die Entwicklungen in der Arktis von unmittelbarer Bedeutung. Schiffe der deutschen Handelsflotte – drittgrößte der Welt – werden unweigerlich in der Arktis verkehren, für deutsche und für internationale Auftraggeber. Zudem müssen in der Arktis völkerrechtliche Entscheidungen getroffen werden, die dann als Musterfälle bei rechtlichen Auseinandersetzungen in aller Welt heranzuziehen sind. Es besteht also ein konkretes, deutsches Interesse an der Mitgestaltung des Schiffssicherheits- und Umweltschutzregimes und des völkerrechtlichen Rahmens für die Arktis. Die zwei deutschen Schiffe, die im Sommer die Nordostpassage bezwungen haben, belegen es.


L. Daniel Hosseus