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Ausschluss der Prospekthaftung sechs Monate nach dem ersten öffentlichen Angebot der Schiffsbeteiligung

Seit einiger Zeit treffen sich Kapitalanleger, die an geschlossenen Schiffsfonds beteiligt sind, mit den Initiatoren dieser Schiffsfonds vor den zuständigen[ds_preview] Gerichten wieder. Hintergrund dieser aktuellen Streitigkeiten ist – allgemein gesprochen – die Unzufriedenheit der Kapitalanleger mit der derzeitigen Situation ihrer Schiffsbeteiligung.

Diese Unzufriedenheit der Kapitalanleger resultiert vor allem daraus, dass die Kapitalanlage nicht wie erhofft verläuft. Das Landgericht Hamburg hatte vor kurzem über einen Rechtsstreit zu entscheiden, da sich ein Kapitalanleger weigerte, die von ihm gezeichnete Beteiligungssumme einzuzahlen. Der Kapitalanleger begründete seine Haltung unter anderem damit, dass die Angaben im Verkaufsprospekt unzutreffend gewesen seien. Mit Urteil vom 4. Februar 2010 hat das Landgericht Hamburg jedoch entschieden, dass der Kapitalanleger einen Anspruch aus Prospekthaftung nach dem Verkaufsprospektgesetz nur innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot der Schiffsbeteiligung geltend machen kann. Nach Ablauf dieser Frist ist ein solcher Anspruch nach Ansicht des Landgerichts Hamburg ausgeschlossen. Die­se Frist gilt für Prospekte im Sinne des Verkaufsprospektgesetzes seit dem Inkrafttreten des Dritten Finanzmarkförderungsgesetzes vom 6. November 1997.

Zugrunde liegender Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit klagte eine Treuhänderin gegen einen Kapitalanleger auf Einzahlung der von diesem gezeichneten Beteiligungssumme. Wie bei geschlossenen Schiffsfonds in der Form eines Publikumsfonds üblich, beteiligten sich die Kapitalanleger mit der von ihnen gezeichneten Beteiligungssumme über eine Treuhänderin mittelbar an dem Gesellschaftskapital der Schiffsgesellschaft. Die Kapitalanleger vertrauen der Treuhänderin die Beteiligungssumme an, damit diese ihre Kommanditbeteiligung in der Schiffsgesellschaft entsprechend erhöht. Das Verhältnis der Kapitalanleger zu der Treuhänderin war in einem Treuhand- und Verwaltungsvertrag geregelt. In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Dachfonds die Beteiligung an einem geschlossenen Schiffsfonds gezeichnet und damit zugleich einen solchen Treuhand- und Verwaltungsvertrag abgeschlossen. Aus diesem Treuhand- und Verwal-

tungsvertrag sowie aus der durch den Kapitalanleger gezeichneten Beitrittserklärung klagte die Treuhänderin auf Einzahlung der Beteiligungssumme. Aus diesem Vertrag sowie aus der Beitrittserklärung folgte die Pflicht des Kapitalanlegers, die Beteiligungssumme einzuzahlen.

Bevor es zu der gerichtlichen Auseinandersetzung gekommen war, hatte der Kapitalanleger trotz mehrfacher Aufforderung die Einzahlung der gezeichneten Beteiligungssumme verweigert. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass die Beteiligung des Dachfonds an sogenannten »Zielfonds« durch ein Bankenkonsortium teilweise fremdfinanziert wird. Die betreffenden Banken des Kapitalanlegers hatten aber ihre Zustimmung verweigert. Daher sah sich der beklagte Dachfonds nicht in der Lage, die geschuldete Beteiligungssumme aufzubringen. Dieses Finanzierungsproblem des Kapitalanlegers änderte jedoch nichts an seiner Pflicht gegenüber der Treuhänderin, die Beteiligungssumme einzuzahlen. Da die Treuhänderin im Interesse der übrigen Kapitalanleger nicht auf die Beteiligung des beklagten Dachfonds verzichten konnte, blieb ihr nichts anderes übrig, als Klage zu erheben.

Rechtliche Argumente und Entscheidung des Landgerichts

Der beklagte Kapitalanleger verteidigte sich auch mit dem Argument, dass ihm ein Anspruch aus Prospekthaftung gemäß § 13 Verkaufsprospektgesetz in Verbindung mit § 44 Börsengesetz zustehe. Danach könne der Kapitalanleger von den Prospektverantwortlichen verlangen, dass diese die Anteile gegen Erstattung des Erwerbspreises übernehmen, falls wesentliche Angaben in dem Verkaufsprospekt unrichtig oder unvollständig gewesen sind. Dieser Anspruch stehe, so der beklagte Kapitalanleger weiter, dem Einzahlungsbegehren der Treuhänderin entgegen. Daher sei der beklagte Dachfonds – nach seiner eigenen Auffassung – nicht zur Einzahlung der Beteiligungs-

summe verpflichtet. Der Haftungsanspruch des Kapitalanlegers, so dessen Argumentation, sei insbesondere damit begründet, dass der Verkaufsprospekt die Angaben über die Entwicklung der Chartermärkte im Allgemeinen und die Angaben zu der (zukünftigen) Vercharterungssituation des Schiffes im Besonderen nicht zutreffend dargestellt habe.

Dieser Auffassung hat sich das Landgericht Hamburg nicht angeschlossen und den Kapitalanleger zur Einzahlung der gezeichneten Beteiligungssumme verurteilt. Letztlich konnte es dahinstehen, ob die Vercharterungssituation des Schiffes im Verkaufsprospekt zutreffend dargestellt war. Denn der Anspruch aus Prospekthaftung war bereits wegen Zeitablaufs ausgeschlossen. Das Landgericht Hamburg hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass ein Anspruch aus § 13 Verkaufsprospektgesetz in Verbindung mit § 44 Börsengesetz nur geltend gemacht werden kann, wenn der Erwerb der Beteiligung innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot dieser Beteiligung abgeschlossen worden ist. Im zu entscheidenden Fall war der Verkaufsprospekt bereits im Herbst 2007 veröffentlicht worden. Der beklagte Kapitalanleger hatte seine Beteiligung jedoch erst im Dezember 2008 und somit nach Ablauf dieser sechsmonatigen Frist gezeichnet. Die Frist von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Beteiligungsangebots war demnach abgelaufen und der Haftungsanspruch des Kapitalanlegers ausgeschlossen.

Der beklagte Kapitalanleger argumentierte gegen die Anwendbarkeit der sechsmonatigen Ausschlussfrist wie folgt: Die gesetzliche Frist von sechs Monaten sei – ungeachtet des klaren Gesetzeswortlauts – nur auf die Neuemission börsennotierter Wertpapiere anzuwenden. Solche Wertpapiere seien für wesentlich kürzere Zeiträume zum Erwerb angeboten (Wochen oder sogar nur Tage), weshalb der Ausschluss von Prospekthaftungsansprüchen nach sechs Monaten Rechtssicherheit für die Prospektverantwortlichen dieser börsennotierten Wertpapieren schaffen solle. Der Wortlaut des Gesetzes sei nach Ansicht des beklagten Kapitalanlegers so auszulegen, dass Ansprüche aus Prospekthaftung bei nicht börsennotierten Wertpapieren und Vermögensanlagen (also auch bei geschlossenen Schiffsfonds) nicht durch die gesetzliche Sechsmonatsfrist ausgeschlossen werden dürften. Dieser Argumentation hat sich das Landgericht Hamburg nicht angeschlossen. Vielmehr hat es – wie von der klagenden Treuhänderin im Prozess vertreten – eine Auslegung des eindeutigen Gesetzeswortlauts abgelehnt.

Der Gesetzgeber hat bei der Implementierung der sechsmonatigen Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus § 13 Verkaufsprospektgesetz in Verbindung mit § 44 Börsengesetz den Wortlaut des Gesetzes unmissverständlich gewählt. Eine weitergehende Auslegung des Wortlauts ist gerade deshalb nicht zulässig. Prospekthaftungsansprüche können danach nur die Anleger erheben, die ihre Beteiligung innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Prospektveröffentlichung gezeichnet haben. Es handelt sich bei dieser Frist um einen Ausschluss der Prospekthaftung auf Tatbestandsebene, mit der Rechtssicherheit und eine Überschaubarkeit des Haftungszeitraums geschaffen werden soll.

Noch im Jahre 2009 wurde die Rechtsposition von Kapitalanlegern durch den Erlass des Schuldverschreibungsgesetzes, das am 31. Juli 2009 in Kraft getreten ist, modifiziert. Der Gesetzgeber hat in diesem Zuge das Verkaufsprospektgesetz nicht geändert. Dadurch wird nach Meinung des Landgerichts Hamburg der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers deutlich: Die sechsmonatige Frist zur Geltendmachung von Haftungsansprüchen aus dem Verkaufsprospektgesetz ist auch auf Verkaufsprospekte anzuwenden, mit denen keine börsengehandelten Wertpapiere angeboten werden. Hätte es sich um eine unbewusste Gesetzeslücke gehandelt, wie von dem beklagten Kapitalanleger vertreten, wäre sie vom Gesetzgeber mit Erlass des Schuldverschreibungsgesetzes behoben worden. Somit gilt die sechsmonatige Ausschlussfrist auch für Verkaufsprospekte, mit denen Beteiligungen an geschlossenen Schiffsfonds angeboten werden.

Bedeutung für zukünftige Haftungsansprüche

Die dargestellte Auffassung des Landgerichts Hamburg dürfte Kapitalanlegern, die einen Anspruch aus Prospekthaftung aus dem Verkaufsprospekt ihrer Schiffsbeteiligung geltend machen wollen, erhebliche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung solcher Ansprüche bereiten. Die Position der Initiatoren von Schiffsfonds wird durch die Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg klar gestärkt.

Schwachpunkt der Gesetzeslage

Jedoch lässt die Gesetzeslage einen Schwachpunkt erkennen: Ein Initiator könnte die Sechsmonatsfrist bewusst in Gang setzen, ohne jedoch mit dem Vertrieb zu beginnen. Der Vertrieb soll erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist intensiv betrieben werden, wodurch eventuelle Ansprüche aus Prospekthaftung bewusst umgangen werden könnten.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gestattet dem Initiator die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nach § 8i Verkaufsprospektgesetz, wenn dieser die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Ob der Initiator von dieser Erlaubnis nach Erteilung Gebrauch macht, bleibt ihm überlassen; er ist jedenfalls nicht zur Veröffentlichung verpflichtet. Die rechtlichen Interessen der Öffentlichkeit sind erst betroffen und schützenswert, wenn der Verkaufsprospekt auch tatsächlich veröffent­licht wird. Nach § 9 Verkaufsprospektgesetz gilt ein Verkaufsprospekt als veröffentlicht, wenn ein Kapitalanleger Kenntnis von dem Verkaufsprospekt nehmen kann. Der Wortlaut des Gesetzes ist auch an dieser Stelle eindeutig.

Der Kapitalanleger, der einen Anspruch aus Prospekthaftung innerhalb der Sechsmonatsfrist geltend machen will, müsste darlegen, dass er keine Gelegenheit gehabt hat, von dem Verkaufsprospekt Kenntnis zu erlangen, weil der Verkaufsprospekt faktisch nicht veröffentlicht worden ist. Wenn sich der Initiator des Schiffsfonds an die gesetzlichen Formalien zur Veröffentlichung des Verkaufsprospektes hält – Bekanntmachung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bzw. Bereithaltung zur kostenlosen Ausgabe bei der im Verkaufsprospekt benannten Zahlstelle – wird die Beweisführung des Kapitalanlegers jedoch schwierig werden. Nach der dargestellten Entscheidung des Landgerichts Hamburg ist die strikte Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zur Veröffentlichung von Verkaufsprospekten nicht unwahrscheinlich.
Christian Finnern