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Fruit Logistica 2010: Transport- und Logistikdienstleister setzen auf wieder anziehenden Überseehandel

Am Ende kam es doch dicker als erwartet. Als die Fruchthandelsbranche vor rund 13 Monaten zur Leitmesse in Berlin zusammenkam[ds_preview], da habe noch verhaltener Optimismus geherrscht, erinnert sich Mats Enqvist. Die Wirtschaftskrise würde dem Handel mit Produkten des täglichen Bedarfs nicht viel anhaben können. Im Jahresverlauf hätten sich dann aber die Einfuhren frischer Früchte in vielen Ländern doch zum Teil dramatisch verringert, so der Senior Vice President von LCL, der Reefer-Logistik-Tochter des japanischen Transportkonzerns NYK. »Ich kenne Kunden, bei denen die Mengen um 25 % gesunken sind«, sagt Enqvist.

Immerhin, das Schlimmste dürfte die Branche hinter sich haben. In vielen Bereichen berichten Transportdienstleister und Marktforscher von anziehenden Verkehrsmengen und deutlich steigenden Raten. »2010 wird aber noch kein leichtes Jahr werden«, befürchtet Enqvist nach den Gesprächen, die er mit Kunden auf der diesjährigen Fruit Logistica vergangenen Monat in Berlin führte.

Die diesjährigen Besucher- und Ausstel­lerzahlen deuten zumindest darauf hin, dass die Branche Morgenluft wittert. Die Zahl der Fachbesucher soll um 6 % auf 53.000, die der Aussteller noch einmal ganz leicht auf 2302 gestiegen sein.

Ein Bereich, in dem es schon wieder aufwärts zu gehen scheint, ist der Seetransport. »In der jetzigen Saison seit Oktober liegen die Buchungen aus Südafrika um 15–20 % über dem Vorjahresniveau«, sagt Chris Baard, Reefer Development Manager bei der Maersk-Tochtergesellschaft Damco. Trotzdem liegen die Frachtraten bislang etwas unter dem Niveau des Vorjahres, was Beobachter auf den geplanten Markteintritt eines neuen Carriers (MGB Shipping) zurückführen. Um der lästigen Konkurrenz von vornherein das Wasser abzugraben, seien die in dem Verkehr etablierten Reedereien (SAECS-Konsortium aus Maersk, Safmarine, MOL, DAL einerseits und MSC andererseits) bemüht, die Kunden mit leichten Preisnachlässen an sich zu binden, heißt es.

Die südafrikanischen Exporteure litten im Vorjahr vor allem unter einem Nachfragetief in Russland, wo die Fruchteinfuhr nach Jahren des Wachstums erstmals wieder abfiel. Im Hafen von St. Petersburg wurde insgesamt 32 % weniger Kühl- und Tiefkühlware quer über alle Segmente umgeschlagen. Mit Sorus und Sunway schlitterten zwei der drei größten Fruchtimporteure in die Insolvenz, was den Argwohn der handelsfinanzierenden Banken und auch der Lieferanten verstärkte. »Viele konnten nicht mehr nach Russland liefern, weil die Kunden von den Banken kein Geld bekamen. Ihnen war das Risiko einfach zu groß«, erinnert sich ein südafrikanischer Händler. Im Konsumverhalten der Russen fanden angesichts der Wirtschaftskrise massive Verlagerungen statt, die für die auf Umsatz ausgerichteten Exporteure Nachteile bedeuten. Die an Volumen interessierten Reedereien und Logistikdienstleister trifft es aber nicht so stark, denn die Russen essen nicht unbedingt weniger, sondern nur anders. So wird auf teurere Zitrusfrüchte, Äpfel und Birnen verzichtet, während der Verzehr der günstigeren Bananen stabil blieb. Alle sind nun gespannt, wie sich das Geschäft in der Hochsaison mit Südfrüchten im Frühjahr entwickelt. »Der Absatz in Russland wird sich halten, notfalls geht das über den Preis«, schätzt Paul Brys, Verkaufsmanager des südafrikanischen Händlers Capespan. Die Trends sind aktuell noch völlig unscharf, weil der absatzstarke Verkauf von Frucht und Gemüse an Marktständen auf der Straße bislang durch die eisigen Temperaturen stärker als sonst gedämpft wird.

In wichtigen Anbauländern wie Chile rechnet man dieses Jahr mit stabilen Geschäften. »Unser Volumen liegt jährlich bei rund 2,4 Mio. Tonnen, das werden wir auch dieses Jahr halten können«, sagt Christian Carvajal, Marketing Manager des chilenischen Exportverbandes ASOEX. Das US-Landwirtschaftsministerium geht von weiteren Zuwächsen in diesem Jahr beim Handel mit Äpfeln sowie einem unverändert hohen Exportangebot von Trauben aus. Durchwachsener liest sich die aktuelle Prognose des internationalen Obsthandelsverbands WAPA. Die in Brüssel ansässige Organisation rechnet mit einem leichten Plus auf 1,315 Mio. t bei den Apfelexporten aus der südlichen Hemisphäre, die Birnenexporte dürften den Angaben zufolge aber um 9 % auf 700.000 t sinken. Auch die zum Teil erheblich gestiegenen eigenen Vorräte in Europa und den USA machen es den Exporteuren von der Südhalbkugel schwerer.

Auch führen die Turbulenzen der Weltwirtschaft zu merklichen Marktanteilsverschiebungen. Während billigere, chinesische Früchte international auf dem Vormarsch sind, nahm der Export aus Brasilien angesichts des Höhenflugs der Landeswährung Real vergangenes Jahr um 12 % ab. »Wir würden uns wünschen, dass der Real wieder nachgibt, aber die makroökonomischen Faktoren werden sich dieses Jahr wohl kaum ändern«, sagt Carla Castro Salomao, Koordinatorin beim brasilianischen Fruchtinstitut IBRAF. Dieses Jahr wolle man verstärkt neue Märkte wie Kanada, die Vereinigten Arabischen Emirate und Asien beackern. Zudem sollen neben Trauben, Melonen und Mangos neue exotische Biofrüchte in den Export gegeben werden.

Auch in anderen Märkten geht der Trend zur Diversifizierung weiter, wodurch sich natürlich auch die logistischen Anforderungen auffächern. Die höherwertigen goldenen Kiwis aus Neuseeland, deren Marktanteil seit Jahren steigt, erfordern zum Beispiel höhere Temperaturen im Lager und im Seetransport als ihre grünen Schwestern. Dafür eröffnen sich durch die teurere Ware auch Chancen für neue Mehrwertdienste. Nach Angaben von Jean-Louis Warnimont, Marketing Manager Europe bei Zespri, hat der Kiwivermarkter aus Neuseeland damit begonnen, die Temperaturführung in Schiffen und Containern per Satellitenfunk zu überwachen, um Qualitätsprobleme vor Auslieferung der Ware feststellen zu können.

Die Container-Reedereien zeigen sich weiterhin sehr erfinderisch, um Produkte, die zuvor höchstens geflogen werden konnten oder traditionell auf der Straße befördert wurden, einzufangen. So baut die Hamburger Shortsea-Reederei OPDR zum Beispiel ihren Marktanteil im europäischen Nord-Süd-Verkehr mit frischer Ware aus. Auf der vergangenen Oktober neu aufgemachten Strecke vom südspanischen Motril nach Nordwesteuropa werden nach eigenen Angaben jede Woche 50 bis 60 High-Cube-Vierzigfußcontainer gebucht. »Man muss pünktlich wie ein Bus fahren, darauf legen die spanischen Farmer allerhöchsten Wert«, so OPDR-Geschäftsführer Thomas Brügmann. Mit ihren kleinen 700-teu-Containerschiffen kann die Firma kleine Häfen in Nähe der Plantagen direkt bedienen und weitgehend auf Transhipment verzichten. Auch biete der Container gegenüber dem Lkw-Trailer logistische Vorteile, weil die Importeure und Handelsketten den Hafen als Puffer verwenden könnten. Der Lkw muss sofort an der Rampe bedient werden, wenn er ankommt. »Den Kühlcontainer können die Kunden außerhalb der Spitzenzeiten abrufen, wenn es ihnen passt«, so Brügmann. Die Transitzeiten von vier bis sechs Tagen nach Nordwesteuropa seien voll ausreichend, um sich einen festen Anteil an den Warenströmen zu sichern.

Die weltgrößte Linienreederei Maersk greift derweil verstärkt im Bananenmarkt an. Mit ihren Diensten aus Zentralamerika heraus, graben die Dänen den konventionellen Kühlschiffsreedern zunehmend Marktanteile ab. So wie Hamburg Süd investiert Maersk stark in Controlled-Atmosphere-Container für den Transport von hochsensiblen Früchten. Mit ihrem neuen Starcare-Container will die Reederei neue Transportrouten für Bananen erschließen. Bislang konnten die Plantagen aufgrund des Reifeprozesses im Transit keine allzu weit entfernten Märkte bedienen. Mit Starcare ließen sich die Früchte in Schlaf versetzen und bis zu 50 Tage auf die Reise schicken, ohne dass die Qualität leidet, heißt es. Damit könnten zum Beispiel Exporteure in Ecuador leichter die Wachstumsmärkte am Persischen Golf bedienen. Und nicht nur mit Bananen. Maersk hat schon angkündigt, dass das System auch für den Langstreckentransport von Avocados und anderen Produkten angepasst werden soll.