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Auf der Europort 2009 in Rotterdam gab ABB bekannt, dass für die Abgasturbolader der neuen Generation A 100 eine erste Produktions[ds_preview]- und Verkaufsfreigabe für den maritimen Einsatz erfolgt ist. Das betrifft zunächst die Hochdruck-Turbolader für langsamlaufende Zweitaktmotoren unter der Bezeichnung A 100-L (L = low speed). Die neuen Turbolader für mittelschnelllaufende Viertaktmotoren mit der Baureihenbezeichnun -A 100-M (M = medium speed), befinden sich noch in der Erprobung.

Abgesehen vom hohen Druckverhältnis zeichnet die neuen Turbolader ein besserer Wirkungsgrad im Vergleich zu ihren Vorläufern aus. Eine optionale variable Turbinengeometrie (VTG), neu bei ABB-Turboladern auf Dieselmotoren, führt zu einer optimalen Anpassung von Turbolader und Motor mit entsprechend verbesserten Ergebnissen bei Kraftstoffverbrauch und Emissionen sowie beim Ansprechverhalten eines Motors.

Zwei Turbolader vom Typ A 175-L mit VTG sind bereits im Einsatz. Einer davon wurde auf dem Containerschiff »Alexander Mærsk« nachgerüstet. Dieses Schiff läuft im Rahmen des dänischen Projektes »Grünes Schiff der Zukunft« als Versuchsträger. ABB ist Partner dieses Projektes, mit dem Lösungen für geringere Emissionen der Schiffe, unter anderem mit der Abgasrückführung bei Dieselmotoren, erarbeitet werden sollen. Die »Alexander Mærsk« ist ein 1998 gebautes Containerschiff mit einer Kapazität von 1.068 TEU. Es ist mit einem Siebenzylinder-Zweitaktmotor der Baureihe S 50 MC von MAN Diesel ausgerüstet, der eine Leistung von 10.010 kW bei einer Drehzahl von 127 min-1 abgeben kann. Damit erreicht das Schiff eine maximale Geschwindigkeit von 19 kn.

ABB hatte 2007, auf dem CIMAC Kongress in Wien, die neue Generation Abgasturbolader mit drei Baureihen angekündigt: A 100-L für langsamlaufende Zweitaktmotoren, A 100-M für mittelschnelllaufende Viertaktmotoren und A 100-H für schnelllaufende Dieselmotoren (vgl. HANSA 8/2008, Seite 36 f.). Neue und geänderte Umweltschutzbedingungen hatten die Entwicklung neuer Turbolader notwen­dig gemacht, da mit der Einführung bestimmter innermotorischer Maßnahmen zur Beherrschung der Abgasgrenzwerte höhere Verdichtungsverhältnisse erforderlich wurden. Andernfalls hätte man das Leistungsniveau vorhandener Motorkonstruktionen nicht halten können. Die erste Produktionsfreigabe erhielten 2008 Abgasturbolader der Baureihe A 100-H, die für den Einsatz auf schnelllaufenden stationären Gasmotoren bestimmt waren.

Das Thema variable Turbinengeometrie (VTG) spielte bei ABB in der Vergangenheit keine Rolle, wenn es um Dieselmotoren und deren Aufladung ging. Zwar hatte das Unternehmen diese Technik für seine Turbolader entwickelt, doch kam sie ausschließlich im Zusammenhang mit stationären Gasmotoren zum Einsatz. Auch bei den Turboladern der neuen Generation wird es keine serienmäßige Ausstattung mit VTG geben. Sie bleibt den Ladern für langsam-

laufende Zweitaktmotoren als Option vorbehalten. Wie zu hören war, hält ABB die VTG nicht für so wichtig wie andere Hersteller von Turboladern, sondern setzt bei bestimmten Anwendungen stärker auf Turboladerschaltung und auf zweistufige Aufladung zur Anpassung der Turbolader an den Motor.

Da die Frage, ob ein Turbolader mit oder ohne variable Turbinengeometrie benötigt wird, ist von den Einsatzbedingungen des Motors abhängig. Daher muss es das Bestreben des Turboladerherstellers sein, die für die VTG notwendigen Bauteile in einer Baugruppe zusammenzufassen, die stromaufwärts vor die Turbine gesetzt werden kann. Diese Baugruppe besteht bei ABB aus einer ringförmigen Konstruktion, auf der Turbinenschaufeln beweglich angeordnet sind, um die Anströmung der Turbine verändern zu können. Dazu werden die Schaufeln um ihre Achse gedreht.

Fast 900 Radial-Turbolader mit VTG hat ABB in zwei verschiedenen Größen auf Gasmotoren erprobt, mehrere davon mit über 50.000 Betriebsstunden. Diese Felderprobung führte zu repräsentativen Ergebnissen. Dabei ging es vor allem um die Beherrschung des Verschleißes an den verschiedenen Bauteilen. Letztlich hat diese umfangreiche Erprobung laut ABB gezeigt, dass eine robuste und zuverlässige Konstruktion entstanden ist. Eine ähnliche Felderprobung, wenn auch nicht mit einer gleichgroßen Zahl an Turboladern, fand mit den Abgasturboladern in radialer Bauweise statt. Auch dabei zeigten sich gute Ergebnisse.

Der Einsatz von Abgasturboladern mit variabler Turbinengeometrie bietet bei Motoren mit wechselnder Last und einem großen Anteil an Betriebsstunden unter Leerlauf und Teillast beachtliche Vorteile beim Kraftstoffverbrauch. Die Zuführung von Spül- und Verbrennungsluft kann dem jeweiligen Lastpunkt optimal angepasst werde. Selbstverständlich ist dafür ein Motor mit elektronischer Steuerung Voraussetzung.

Um die Abgasgrenzwerte nach der für Neubauten ab 2016 zu erwartenden Regelung von IMO Stufe 3 einzuhalten, wird kein Motorenhersteller bei seinen Produkten ohne Abgasrückführung oder SCR-Anlagen auskommen, wenn die Emissionen in den küstennahen Bereichen einzuhalten sind. Das lässt sich unter anderem daraus erkennen, dass nach und nach bei einzelnen Herstellern derartige Maßnahmen bekannt werden, wenn auch nicht offiziell mit Zahlen gehandelt wird. Lediglich MAN Diesel bietet hier eine Ausnahme. Das Unternehmen veröffentlichte 2008 entsprechende Zahlen (vgl. HANSA 6/2009, Seite 39ff.). Eine weitere Maßnahme zur Reduzierung der Emissionen sind die Verfahren nach Miller oder Atkinson. Alle Maßnahmen haben zur Folge, dass bei sonst unveränderter Motorkonstruktion eine andere Aufladetechnik erforderlich wird, um die Leistungsabgabe eines Motors ebenfalls unverändert zu erhalten.

Zur Lösung der in diesem Zusammenhang entstehenden Aufgaben wird auf der Turboladerseite zu verschiedenen Maßnahmen gegriffen, um unter den gegebenen Bedingungen einen »sauberen« Verbrennungsvorgang zu gewährleisten. Die erste Maßnahme ist eine Anhebung des Druckverhältnisses, mit dem der Kompressor des Turboladers arbeiten kann. ABB hat das Druckverhältnis der Baureihen A 100-M und A 100-H für mittelschnell- und schnelllaufende Motoren auf maximal 5,8 festgelegt. Bei Zweitaktmotoren bleibt das Druckverhältnis unter 4,7.

Eine weitere Maßnahme ist die Turboladerschaltung. Dabei wird die Lieferung der benötigten Verbrennungsluftmenge drehzahl- bzw. lastabhängig auf mehrere Turbolader verteilt. Bislang kann bei dieser Technik nur die MTU Friedrichshafen auf umfangreiche Erfahrungen verweisen. Ein Problem der Turboladerschaltung sind die im Abgasstrom liegenden Schaltelemente, die bei unterschiedlichen Temperaturen zuverlässig arbeiten müssen. Das sind Klappen, die üblicherweise mit ausreichend großen Spalten ausgeführt werden. Die zwangsläufig damit verbundenen Lecks spielen im Motorbetrieb keine Rolle.

Mit der von ABB bevorzugten zweistufigen Aufladung kann der Aufwand für die variable Turbinengeometrie vermieden werden. Außerdem ist das Unternehmen der Auffassung, dass es kaum möglich sein wird, einen Motor mit VTG zufriedenstellend betreiben zu können, bei dem zwischen den Betriebsarten mit und ohne Abgasrückführung umgeschaltet werden muss und dessen rückgeführte Abgasmenge 25 % oder mehr beträgt. Nach ABB lässt sich die Aufgabenstellung einfacher zweistufig unter Verwendung eines Bypassventils lösen.


Hans-Jürgen Reuß