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Vorschläge zur Gestaltung von Manövrierunterlagen für Bodeneffektfahrzeuge und zur Änderung der Kollisionsverhütungsregeln

1 Manövrierunterlagen für Bodeneffektfahrzeuge

1.1 Allgmeines

Bodeneffektfahrzeuge (englisch: Wing-In-Ground Craft, WIG) bewegen sich, außer beim Ab[ds_preview]- und Anwassern, vorwiegend ohne Wasserkontakt oberhalb der Wasseroberfläche im Bereich des Bodeneffektes. Insofern gleichen WIG in diesem Betriebszustand eher Flugzeugen als Schiffen, so dass die ursprünglich für Wasser verdrängende Fahrzeuge entwickelten Manövrierunterlagen (»Brücken-Poster«) für den Schiffsführer eines WIG nur bedingt brauchbar sind. Daher werden nachfolgend Vorschläge zur möglichen Ergänzung von konventionellen Manövrierunterlagen gemacht, so dass diese auch für WIG brauchbar sind. Diese Vorschläge haben zunächst allgemein gültigen Charakter. Zur Vermeidung von Informationsüberflutung der Schiffsführung für den Gebrauch auf der Brücke sollte aus diesen eine auf das individuelle WIG abgestimmte Auswahl von notwendigen Manövrierkennwerten getroffen werden. Da sich bei den nachfolgenden Darstellungen der zu ermittelnden und zu dokumentierenden Manövrierkennwerte auf kein spezielles WIG bezogen wurde, sind diese lediglich als musterhafte Darstellungen zu verstehen und die Werte entbehren jeglicher Messgrundlage. In der Praxis können ferner mehrere Manövrierkennwerte auch in einer kombinierten Darstellung dokumentiert werden (in Anlehnung an Scharnow, [10] z. B. Drehkreisdurchmesser und Auslaufstrecke / Stoppstrecke oder Vertikaldarstellung des An- bzw. Abwasserns). Aus Gründen der Verdeutlichung wurde nachfolgend kein Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht.

1.2 Bewegung im Wasser verdrängenden Zustand

Für die Bewegung im Wasser verdrängenden Zustand werden in Anlehnung an die Manövrierunterlagen konventioneller Schiffe, deren Nutzung einem Schiffsführer konventioneller Schiffe bereits geläufig ist, für WIG die Ermittlung und Dokumentation folgender Manövrierkennwerte vorgeschlagen:

• Geschwindigkeit und in einer bestimmten Zeit zurück gelegte Distanz auf gerader Bahn bei den vorgesehenen Hauptfahrtstufen (jeweils konstante Fahrt), je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll« (siehe a));

• Drehkreise bei den vorgesehenen Hauptfahrtstufen (jeweils konstante Fahrt) und Hartruderlagen (nach Backbord und Steuerbord), mit Zeitbezug und Angabe der Schiffsvorausrichtung sowie des Längs- und Querversatzes, je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll« (siehe b));

• freier Auslauf und Stoppstrecke mit Mittschiffsruderlage bei den vorgesehenen Hauptfahrtstufen, mit Zeitbezug und Angabe des Längs- und Querversatzes sowie der Schiffsvorausrichtung, je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll« (siehe c)).

Die Darstellung der o. a. Manövrierkennwerte könnte beispielhaft aussehen wie in Tabelle 1 / Grafik 1 gezeigt.

1.3 Phase des Ab- bzw. Anwasserns

Während man bei den unter 2.2 genannten Manövrierkennwerten (Fahrtstufen, Drehkreisen, Auslauf- und Stoppstrecken) die bei konventionellen Fahrzeugen gewonnenen Erkenntnisse in geeigneter Form auf WIG übertragen kann, gibt es derartige Rückschlüsse für die Phasen des Ab- bzw. Anwasserns nicht, da diese Manöver nur bei WIG auftreten. Daher wird für die Bewegung in den Phasen des Ab- bzw. Anwasserns die Ermittlung und Dokumentation folgender Manövrierkennwerte vorgeschlagen:

Abwassern:

• aus der Ruhe bis zum Abwassern und Erreichen der Betriebshöhe auf gerader Bahn zurück gelegte Stecke mit hierfür vorgesehener Fahrtstufe (in der Regel »Voll Voraus«) mit Zeitbezug, je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll«, mit Angabe der Geschwindigkeit am Punkt des Abwasserns sowie beim Erreichen der Betriebshöhe (siehe d)),

Anwassern:

• mit Mittschiffsruderlage zurück gelegte freie Auslaufstrecke bzw. Stoppstrecke vom Verlassen der Betriebshöhe bei Betriebsgeschwindigkeit (in der Regel »Voll Voraus«) über das Aufsetzen bis zum Fahrzeugstillstand, mit Zeitbezug und jeweils mit Angabe des Längs- und Querversatzes sowie der Schiffsvorausrichtung, je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll« (siehe e)).

Die genannten Manövrierkennwerte könnten wie in Grafik 3 gezeigt dargestellt werden:

Die freien Auslauf- bzw. die Stoppstrecken beim Anwassern in der Horizontaldarstellung gleichen prinzipiell der Abbildung unter c), nur dass zusätzlich der Punkt des Anwasserns (h = 0) in der Darstellung ergänzt werden sollte.

1.4 Betrieb im Bodeneffekt

Der Betriebszustand »Bodeneffekt« kommt ebenfalls bei konventionellen Fahrzeugen nicht vor, so dass auch die nachfolgenden Vorschläge Neuigkeitscharakter haben. Es wird vorgeschlagen, im Bodeneffekt folgende Manövrierkennwerte zu ermitteln und zu dokumentieren:

• Geschwindigkeit und in einer bestimmten Zeit auf gerader Bahn zurück gelegte Distanz bei den in Vorausrichtung für den Betrieb im Bodeneffekt vorgesehenen und physikalisch möglichen Hauptfahrtstufen (jeweils konstante Fahrt), je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll« ohne Höhenänderung. Die Darstellung ähnelt der unter a) angegebenen, wobei natürlich nur in Vorausrichtung für den Betrieb im Bodeneffekt vorgesehene und physikalisch mögliche Hauptfahrtstufen betrachtet werden.

• Drehkreise bei den in Vorausrichtung für den Betrieb im Bodeneffekt vorgesehenen und physikalisch möglichen Hauptfahrtstufen (jeweils konstante Fahrt) und Hartruderlagen (nach Backbord und Steuerbord) mit Zeitbezug und Angabe der Schiffsvorausrichtung, je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll« ohne Höhenänderung. Die Darstellung sollte in Anlehnung an jene unter b) genannte ausgeführt werden.

• Geschwindigkeit und in einer bestimmten Zeit auf gerader Bahn zurück gelegte Distanz bei den in Vorausrichtung für den Betrieb im Bodeneffekt vorgesehenen und physikalisch möglichen Hauptfahrtstufen (jeweils konstante Fahrt), je einmal für den Beladungszustand »Ballast« und »Voll«, einmal mit Höhenänderung von normaler Betriebshöhe auf Maximalhöhe (jedoch max. 30 m) und einmal mit Höhenänderung von der Maximalhöhe auf normale Betriebshöhe (siehe f)).

Eine entsprechende Darstellung könnte wie in Tabelle 2 aufgeführt gewählt werden.

2 Vorschläge zur Änderung der Kollisionsverhütungsregeln

2.1 Sachstand

Mit Entschließung A.910(22) verabschiedete die Internationale Seeschiffahrts-Organisation (IMO) am 29.11.2001 Änderungen zu den Kollisionsverhütungsregeln (COLREG), die nach Ratifizierung durch die COLREG-Vertragsstaaten am 29.11.2003 in Kraft traten (siehe [1]). Durch diese Änderungen wurden WIG als Fahrzeugkategorie definiert (Regel 3), eine spezielle Ausweichpflicht für WIG im Fall von Start von und Landung auf der Wasseroberfläche (Regel 18) und die zusätzliche Lichterführung (Regel 23) fest gelegt. Erläuternde Ausführungen hierzu siehe auch von BOGDANOV, [2] und [3]. Gemäß dieser neuen Rechtslage ist ein WIG nach Regel 18 verpflichtet, beim Start von, der Landung auf sowie beim Flug über der Wasseroberfläche sich frei von allen anderen Fahrzeugen zu halten und deren Navigation nicht zu behindern. Im Falle der Navigation eines WIG auf dem Wasser gelten für WIG die Fahr- und Ausweichregeln für Maschinenfahrzeuge. Damit sind die eigenen 1996 angestellten Überlegungen zur möglichen Änderung der Fahr- und Ausweichregeln (siehe [5]) überholt.

2.2 Anforderungen an die Kollisionsverhütungsregeln auf Grund von Bodeneffektfahrzeugen

Auf Grund der Pflicht von WIG, beim Betrieb im Bodeneffekt (einschließlich Start und Landung) den anderen Verkehrsteilnehmern auszuweichen, sowie sich im Falle des Betriebes im Wasser verdrängenden Zustand wie ein Maschinenfahrzeug zu verhalten, ergeben sich, weder aus der Sicht von WIG noch aus der Sicht von anderen Fahrzeugen, zusätzlichen Anforderungen an die Fahr- und Ausweichregeln. Stitt, [7] hat auf Grund der Einführung von AIS im Falle von verminderter Sicht (Regel 19) die Gleichstellung der erhaltenen AIS-Informationen mit denen von Radar vorgeschlagen. Wegen der Möglichkeit, AIS in begründeten Fällen abzustellen sowie der Tatsache, dass nicht alle Fahrzeuge mit AIS ausgerüstet sind (und auch künftig nicht sein müssen), wird diese Auffassung nicht geteilt. Auch Baldauf, Weissflog und Hartmann, [4] und [6], folgen Stitt, [7] an dieser Stelle nicht. Notwendige konkrete textlichen Änderungsvorschläge zu technischen Anforderungen an Positionslaternen von WIG finden sich in nachfolgendem Unterabschnitt 2.3. Nach jetziger Situation ist der Verkehr von WIG auf wenige Fahrzeuge weltweit beschränkt, so dass auch aus diesem Grund eine weitere Anpassung der Fahr- und Ausweichregeln nicht geboten erscheint. Sollte der Fall eintreten, das zwei oder mehrere WIG im gleichen Seeraum operieren, würde diese Tatsache allein keinen Änderungsbedarf der COLREG hinsichtlich der bestehenden Fahr- und Ausweichregeln begründen. Vielmehr ist in diesem Fall davon auszugehen, dass sich WIG untereinander wie konventionelle Maschinenfahrzeuge verhalten. Für den Fall, dass die Anzahl von WIG in der Zukunft steigen sollte, sind erneute Betrachtungen erforderlich.

2.3 Vorschläge zur Änderung der Kollisionsverhütungsregeln

Hinsichtlich Lichterführung von WIG sowie technischer Anforderungen an Positionslaternen von WIG werden auf Grund der im Rahmen dieser Arbeit fest gestellter Regelungslücken folgende Änderungen der COLREG vorgeschlagen:

Regel 20 (c): Am Ende sollte folgender Satz angefügt werden, der die Lichterführung eindeutig bestimmt:

»Das nach Regel 23 (c) für Bodeneffektfahrzeuge vorgeschriebene rote Rundum-Funkellicht muss von einem Bodeneffektfahrzeug bei Start, Landung und beim Betrieb im Bodeneffekt bei Tag und bei Nacht geführt werden.«

Regel 21 (f): Zur oberen Begrenzung der Taktrate des nach Regel 23 (c) für WIG geforderten Lichtes sollte folgender Satz angefügt werden:

»Das nach Regel 23 (c) für Bodeneffektfahrzeuge vorgeschriebene rote Rundum-Funkellicht darf nicht mehr als 180 regelmäßige Lichterscheinungen in der Minute abgeben.«

Regel 22: Zur Erhöhung der Mindesttragweite von Seitenlichtern und dem nach Regel 23 (c) geforderten roten Rundum-Funkellichtes von WIG sowie der konkreten Festlegung der in Regel 23 (c) für das genannte Licht geforderten hohen Intensität wird die Ergänzung der folgenden Buchstaben (d) und (e) vorgeschlagen:

»(d) Seitenlichter auf Bodeneffektfahrzeugen, unabhängig von deren Länge, 2 sm;

(e) das nach Regel 23 (c) geforderte rote Rundum-Funkellicht für Bodeneffektfahrzeuge, 6 sm.«

Durch die Einfügung der neuen Regel 23 (c) in COLREG sind die früheren eigenen Vorschläge hinsichtlich einer speziellen Tag- und Nachtkennzeichnung für WIG (siehe [5]) überholt.


Ingolf Eckert