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Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Schifffahrt soll an dieser Stelle der Blick auf ein Thema gerichtet werden, dass bislang von eher untergeordnetem Interesse war. Doch aufgrund der jüngsten Änderungen im Insolvenzrecht durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) und der wirtschaftlichen Situation in der Schifffahrt ist es – nicht zuletzt zur Vermeidung der persönlichen Haftung der Geschäftsführung – besonders wichtig, sich den insolvenzrechtlichen Fragestellungen zu stellen. Daher soll mit diesem dreiteiligen Beitrag zunächst dargestellt werden, wann Insolvenz zu bejahen wäre. Diese Frage ist aufgrund der jüngsten Änderungen durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) nicht leicht zu beantworten. Im zweiten Teil soll die Haftung der Geschäftsführung erörtert werden. Abschließend werden im dritten Teil die Haftung von Aufsichtsräten und Gesellschaftern sowie Maßnahmen zur Beseitigung von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vorgestellt.

Neuerungen im Insolvenzrecht

Bislang waren Insolvenzantragspflicht und Insolvenzgründe in den Gesetzen der jeweiligen Gesellschaftsformen geregelt. Dies wurde jüngst[ds_preview] dahingehend geändert, dass die Insolvenzantragspflicht für alle Gesellschaftsformen in § 15a InsO geregelt ist. Nach § 15a InsO ist die Geschäftsleitung verpflichtet, im Fall der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, jedoch spätestens drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu beantragen. Kommt der Geschäftsführer dieser Pflicht nicht nach, so besteht die Gefahr, dass er gemäß § 64 S. 1 GmbHG für die nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit geleisteten Zahlungen persönlich haftet. Darüber droht die Strafbarkeit nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG.

Eröffnungsgründe

Ein Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag durch einen Gläubiger oder Eigenantrag durch den Schuldner hin eröffnet. Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO).

Zahlungsunfähigkeit

Gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, § 17 Abs. 2 S. 2 InsO.

Schwierig ist dabei oft die Abgrenzung von lediglich vorübergehenden Zahlungsstockungen und echter Zahlungsunfähigkeit. Einfache Zahlungsstockungen begründen keine Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO. Gleiches gilt, wenn der Schuldner die Forderung bestreitet oder lediglich zahlungsunwillig ist. Zahlungsstockung ist lediglich eine Illiquidität, die den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Diesen Zeitraum legt der BGH auf bis zu drei Wochen fest. Zahlungsunfähigkeit wird vom BGH bejaht, bei einer Liquiditätslücke in Höhe von mehr als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten. Dass heißt, wer nicht innerhalb von drei Wochen 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten begleichen kann, ist zahlungsunfähig. Die Prüfung der Zahlungsfähigkeit sollte anhand der Erstellung einer Solvenzprognose unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Fachausschuss Recht des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) erfolgen.

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Drohende Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich im Zeitpunkt der Fälligkeit der Verbindlichkeiten nicht in der Lage sein wird, diese Verbindlichkeiten zu begleichen. Dabei sind vorübergehende Zahlungsstockungen und geringfügige Liquiditätslücken nicht zu berücksichtigen. »Voraussichtlich« bedeutet überwiegende Wahrscheinlichkeit. Drohende Zahlungsunfähigkeit wäre bspw. dann zu bejahen, wenn der Schuldner bemerkt, dass er seine Gehälter nicht bezahlen kann, da eine Zahlung, mit der er gerechnet hat, nicht eingegangen ist. Ein auf die drohende Zahlungsunfähigkeit gestützter Antrag kann nicht von den Gläubigern, sondern nur von dem Schuldner selbst gestellt werden.

Überschuldung

Nach § 19 Abs. 2 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Die Überschuldungsprüfung erfolgt anhand einer zweistufigen Prüfung. In der ersten Stufe sind die Überlebenschancen des Unternehmens in einer Fortführungsprognose zu prüfen. In der zweiten Stufe sind Vermögen und Schulden des Unternehmens in einem stichtagsbezogenen Status gegenüberzustellen.

Die Bedeutung der Fortführungsprognose für die Überschuldungsprüfung hat sich durch das am 18.11.2008 in Kraft getretenen FMStG – bis zum 31.12.2013 befristet – erheblich gewandelt. Durch Art. 5 FMStG wurde § 19 Abs. 2 InsO dahingehend geändert, dass Überschuldung nunmehr vorliegt, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist überwiegend wahrscheinlich.

Führte bisher nach § 19 Abs. 2 InsO a.F. das Bestehen einer positiven Fortführungsprognose lediglich dazu, dass im Rahmen der Überschuldungsbilanz für die Bewertung der Aktiva statt der Liquidationswerte die Fortführungswerte maßgeblich waren, so ist nunmehr bereits bei Bejahung einer positiven Fortführungsprognose die Überschuldung per se ausgeschlossen. Eine weitergehende Ermittlung der Fähigkeit zur Deckung der Schulden durch einen Überschuldungstatus ist nicht mehr erforderlich. Auch bei Vorliegen einer negativen Überschuldungsbilanz muss damit kein Insolvenzantrag gestellt werden – sofern nur eine positive Fortführungsprognose besteht.

Fortführungsprognose

Im Rahmen der Fortführungsprognose ist zu prüfen, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung besteht. Für die Fortführungsprognose ist zunächst maßgeblich, ob die Fortführung der Gesellschaft überhaupt möglich ist. Dazu muss jedenfalls bei den Gesellschaftern Fortführungsbereitschaft bestehen. Ferner dürfen der Fortführung keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe entgegenstehen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind und ob die Fortführung objektiv Erfolg verspricht, ist aus der Sicht eines ordentlichen Geschäftsführers zu bewerten. Anschließend ist zu prüfen, ob die Finanzkraft des Unternehmens zumindest die mittelfristige Fortführung ermöglicht, Zahlungsfähigkeit bestehen bleibt und positive Betriebsergebnisse zu erwarten sind. Dies ist in einer dokumentierten Ertrags- und Finanzplanung der Gesellschaft niederzulegen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann die Fortführungsprognose nicht bejaht werden. Bei Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose ist die Überschuldung in jedem Fall ausgeschlossen. Rechnerische Überschuldung und negative Fortführungsprognose müssen also kumulativ vorliegen, um die Überschuldung i. S. d. § 19 InsO zu begründen.

Dr. Malte Passarge