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Einzelne Unfälle mit Nickel-Metallhydrid-Batterien haben dazu geführt, dass diese Batterien mit der kommenden Änderung des IMDG-Codes den Gefahrgutvorschriften unterliegen werden und an Bord von Seeschiffen entfernt von Wärmequellen gestaut werden müssen.

Nickel Metall-Hydrid Batterien

Nickel-Metallhydrid (NiMH) Batterien sind aufladbare Akkumulatoren, die ebenso wie handelsübliche Batterien in das[ds_preview] Batteriefach des mit Strom zu versorgenden Geräts eingesetzt werden. NiMH-Akkumulatoren haben, wie Nickel-Cadmium (NiCd) Akkumulatoren eine Nennspannung von 1,2 V. Sie haben die früher verwendeten NiCd-Akkumulatoren weitgehend vom Markt verdrängt, da sie ohne das giftige Schwermetall Cadmium konstruiert sind. Gemäß Richtlinie 2006/66/EG ist der Verkauf von NiCd-Akkus in Europa mit einzelnen Ausnahmen seit dem 26.09.2008 verboten.

Die Kathode von NiMH-Akkumulatoren besteht aus einer nickelhaltigen Metalllegierung, die beim Ladevorgang Wasserstoff-Ionen aufnimmt und sich in ein Metallhydrid umwandelt. Die Anode besteht aus Nickelhydroxid, das beim Ladevorgang zu Nickeloxidhydrat oxidiert wird. Zwischen beiden Elektroden befindet sich ein Elektrolyt aus 20 % Kalilauge mit einem pH-Wert von 14.

Die Hersteller von NiMH-Akkumulatoren empfehlen in ihren Sicherheitsdatenblättern die Lagerung bei Temperaturen von nicht mehr als 30 °C.

Zwischenfälle bei der Beförderung von NiMH-Batterien

Am 30.05.2005 ereignete sich an Bord des Schiffes »Punjab Senator« auf der Fahrt von Singapore nach Colombo ein schwerer Brand in einem Laderaum, der von der Schiffsbesatzung nur mit Mühe kontrolliert werden konnte. Beim Entladen der Ladung aus dem betroffenen Laderaum im Hafen von Colombo wurde festgestellt, dass der Brand von zwei Containern ausgegangen war, die vollständig mit NiMH-Batterien beladen waren. In einem dieser Container hatte offensichtlich eine Verpuffung stattgefunden, da eine Containerwand von der Rahmenkonstruktion abgetrennt und die Containertür aufgesprengt war. Der andere Container war vollständig ausgebrannt.

Die Container waren im Laderaum des Schiffes in unmittelbarer Nähe eines beheizten Schwerölsetztanks gestaut worden. Die Wandtemperatur dieses Setztanks hatte im Mittel 70 bis 80 °C betragen. Es muss davon ausgegangen werden, dass bei verschlossener Luke und nicht aktiver Belüftung die Ladung in diesen Containern nach einer bestimmten Zeit ebenfalls Temperaturbereiche über 70 °C erreicht hatte.

Die NiMH-Batterien der Ladung waren einzelhandelsgerecht in so genannte Blister (Pappe mit Kunststofffolie) verpackt, die sich wiederum in Kartons als Versandverpackung befanden.

Die Schiffsführung wusste nicht, was konkret in den betroffenen Containern befördert wurde. In der Ladeliste war lediglich die Angabe »Chemical Materials« enthalten. Es wurde auch keine besondere Stauanweisung in Form eines »special stowages requests« übermittelt.

Im Rahmen der Unfalluntersuchung durch die Bundesstelle für See-Unfalluntersuchung (BSU) wurden verschiedene Brandversuche mit NiMH-Batterien in Originalverpackungen durchgeführt. In diesen Versuchen wurde die Raumatmosphäre in einem Frachtcontainer nachgebildet. Die Raumatmosphäre wurde zunächst innerhalb von 3 Stunden auf 60 °C erhöht und ca. 20 Stunden auf diesem Niveau gehalten. In einer zweiten Phase wurde die Temperatur innerhalb von 3 Stunden auf 90 bis 100 °C erhöht und über ca. 21 Stunden auf diesem Niveau gehalten. Die Versuchsreihen haben eine Grenztemperatur von 85 bis 88 °C ergeben, bei der eine exotherme Reaktion der NiMH-Akkumulatoren beginnt. Infolge dieser Reaktion stieg die Temperatur in den Akkumulatoren selbständig weiter auf über 120 °C an. Dadurch kam es zum Ausgasen von Wasserstoff, wodurch ein explosives Wasserstoff/Luft-Gemisch entstand. Die BSU geht in ihrer Analyse davon aus, dass auch bei Temperaturen geringfügig unter 85 °C und entsprechend langer Wirkdauer diese exotherme Reaktion der Akkumulatoren eintritt. Bei dem untersuchten Unfall kann die besonders große Menge der in den Container geladenen Akkumulatoren die Reaktion zusätzlich begünstigt haben.

Neben jenem spektakulären Unfall auf der »Punjab Senator« sind auch Fälle bekannt geworden, in denen in Containern mit NiMH-Batterien ein Brand ausgebrochen ist, der allerdings wegen mangelnder Sauerstoffzufuhr von allein wieder verlöschte und daher auf den jeweiligen Schiffen nicht bemerkt wurde. Die Schäden wurden erst bei Entladung der betroffenen Container festgestellt.

Bei allen Zwischenfällen ist davon auszugehen, dass durch die Stauung der Container in der Nähe beheizter Brennstofftanks die NiMH-Batterien über einen längeren Zeitraum einer Temperatur von deutlich über 60 °C ausgesetzt waren und es dadurch zu einer selbständigen Erhitzung der Batterien und zur Freisetzung und Entzündung von Wasserstoff gekommen ist.

Diskussion der Problematik in den internationalen Gremien

NiMH-Batterien sind bisher nicht als Gefahrgut eingestuft. Aufgrund des Elektrolyten (Kalilauge) könnte zwar eine Einstufung unter »UN 3028 Batteries dry, containing potassium hydroxide« in Betracht kommen. Die dieser UN-Nr. zugeordnete Sondervorschrift 304 nimmt jedoch Kleinakkus wie NiMH- und NiCd-Akkus ausdrücklich von der Anwendung der Gefahrgutvorschriften aus. Aufgrund dieser Freistellung gibt es keine Möglichkeit, die Weitergabe bestimmter Informationen zu verlangen und spezielle Stauvorschriften (z. B. »entfernt von Wärme-

quellen«) vorzuschreiben. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass sich derartige Vorfälle aufgrund fehlender Information und ungeeigneter Stauung in der Nähe beheizter Tanks wiederholen. Die Bundesstelle für See-Unfalluntersuchung hat daher empfohlen, die Eintragung von NiMH-Batterien in den IMDG-Code durch die zuständigen Gremien überprüfen zu lassen.

Die deutsche Delegation hat deshalb beim Unterausschuss DSC der IMO in den Jahren 2006 und 2007 Vorschläge eingereicht, NiMH-Batterien in den IMDG Code aufzunehmen, mit dem Ziel, zum einen die Versender zu verpflichten, diese Batterien als Gefahrgut zu deklarieren, und zum anderen für die Beförderung mit Seeschiffen die Stauung »entfernt von Wärmequellen«vorzuschreiben. Der DSC-Unterausschuss war jedoch mehrheitlich der Ansicht, es handele sich um ein generelles Beförderungsproblem, und empfahl der deutschen Delegation, die diesbezüglichen Vorschläge dem UNECE Subcommittee of Experts on the Transport of Dangerous Goods (TDG) zu unterbreiten. Dort wurde die Notwendigkeit einer Regelung grundsätzlich anerkannt, jedoch konnte zunächst keine Einigung erzielt werden, ob diese Regelung über eine Änderung der Sondervorschrift 304 und somit eine Zuordnung der Batterien zu UN 3028 erfolgen sollte oder ob die Zuordnung der Batterien zu einer noch zu schaffenden UN-Nummer in der Gefahrklasse 9 der richtige Ansatz ist.

Gegen eine Regelung im Rahmen der UN 3028 sprach die Tatsache, dass diese UN-Nummer der Gefahrklasse 8 (ätzende Stoffe) zugeordnet ist, die Gefahr bei der Beförderung von NiMH-Batterien aber nicht in der Freisetzung des in geringen Mengen vorhandenen ätzenden Elektrolyten besteht, sondern in den chemischen Veränderungen innerhalb der Batterien durch Erwärmung und Selbsterhitzung. Gegen die Einstufung in die Gefahrklasse 9 unter einer noch zu schaffenden neuen UN-Nummer bestanden aber zunächst Einwände von Seiten der Batteriehersteller und einzelner Staaten, die die Position der Hersteller unterstützten. Diese Einwände konnten erst nach längeren Diskussionen, die sich bis ins Jahr 2009 erstreckten, ausgeräumt werden.

Schließlich beschloss das UN Subcommittee of Experts (TDG) auf seiner 35. Sitzung im Juni 2009, für NiMH-Batterien die neue UN 3496 einzurichten und die Gefahrklasse 9 zuzuordnen sowie die Batterien nur im Seeverkehr den Gefahrgutvorschriften zu unterstellen. Der DSC-Unterausschuss der IMO konnte daraufhin auf seiner 14. Sitzung im September 2009 die Aufnahme entsprechender Regelungen in das kommende Amendment 35 des IMDG-Codes beschließen. Allerdings gab die Delegation der Volksrepublik China zu Protokoll, dass China die Einstufung von NiMH-Batterien als Gefahrgut ablehnt, da nach chinesischer Auffassung nicht hinreichend nachgewiesen wurde, dass diese Batterien gefährliche Eigenschaften haben.

Neue Regelung im IMDG-Code Amdt. 35-10

Das 35. Amendment des IMDG Codes wird im Mai 2010 vom Maritime Safety Committee formal beschlossen werden. Das Sekretariat der IMO wird die aufgrund dieses Amendments geänderte Fassung des IMDG-Codes voraussichtlich im Oktober herausgeben. Die freiwillige Anwendung der Änderungen wird ab dem 1.1.2011 möglich sein, ab dem 1.1.2012 müssen sie zwingend angewendet werden.

Hinsichtlich der Beförderung von Nickel-Metallhydrid-Batterien wird das 35. Amend­ment folgende Bestimmungen enthalten:

• In der Gefahrgutliste wird der Eintrag »UN 3496 Batteries, Nickel-Metal Hydride, Klasse 9« hinzugefügt. Dem Eintrag ist die Sondervorschrift 963 zugeordnet.

• Die Sondervorschrift 963 enthält eine Freistellung für Nickel-Metallhydrid-Knopfzellen sowie für Batterien, die fest in Geräte eingebaut sind. Für andere Batterien sind die Vorschriften anzuwenden, wenn sie in einer Menge von mehr als 100 kg in eine Beförderungseinheit geladen sind. In diesem Fall finden allerdings nur die Vorschriften des IMDG-Codes in Abschnitt 5.4.1 (Beförderungsdokument) und Abschnitt 5.4.3 (Gefahrgutmanifest bzw. Stauplan) sowie die Stauvorschriften in Spalte 16 der Gefahrgutliste Anwendung. Weitere Vorschriften des IMDG-Codes sind nicht zu beachten.

• Die Stauvorschrift in Spalte 16 der Gefahrgutliste verlangt die Stauung »entfernt von Wärmequellen«.

Die nun erreichte Regelung ist ein Kompromiss, der erst nach schwierigen und langwierigen Diskussionen erzielt werden konnte. Sofern Versender, Spediteure und andere Beteiligte die neuen Vorschriften beachten, ist allerdings sichergestellt, dass Beförderer und Schiffsbesatzungen hinreichende Informationen über Container mit NiMH-Batterien erhalten und so auch dafür sorgen können, dass diese Container entfernt von Wärmequellen gestaut werden, um zukünftige Unfälle mit dieser Ladung zu verhindern.

Uwe Kraft