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Maersk steigert Umschlag in Danzig und führt Direktdienst von Ecuador nach Russland ein / Häfen kämpfen um bessere Auslastung der Großschiffsliegeplätze

Die Konkurrenz im Containerverkehr zu den Ostseehäfen dürfte sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Durch den Aufbau von Direktverkehren[ds_preview] in die Region könnten die Karten unter den Linienreedereien neu gemischt werden: Wer die kritische Ladungsmenge für Großschiffsanläufe in der Ostsee zusammenkriegt, kann seine Stückkosten gegenüber heute um rund 20 % reduzieren und die Konkurrenz abhängen.

Zu diesem Ergebnis kommt die britische Beratungsfirma Ocean Shipping Consultants (OSC). Der Transport eines Vierzigfußcontainers aus Asien direkt nach Danzig würde die Reedereien bei Einsatz eines 6.800-TEU-Schiffes 1.185 € kosten gegenüber 1.469 € bei Umladung und Weiterbeförderung per Feederschiff ab Hamburg. Die Rechnung präsentierte OSC-Berater Steve Wray vergangenen Monat auf der Baltic-Container-Konferenz in Danzig. Um einen Direktdienst aufzuziehen, bräuchten die Carrier auf der Asien-Europa-Route mindestens 2.000 bis 2.500 Container lokale Ladung für den Ostseeraum. Bei dem üblichen Verhältnis von Zwanzigfuß- zu Vierzigfußkisten im Überseeverkehr entspräche das rund 4.800 TEU.

Als erster Carrier lässt Maersk die Schiffe seines AE10-Dienstes seit Jahresanfang bis nach Danzig durchfahren. Pro Anlauf würden am Tiefwasserhafen DCT Gdansk zwischen 2.000 und 3.000 Boxen umgeschlagen – ein Großteil davon Transhipment-Ladung für andere Ostseeanrainer. Zum genauen Anteil macht der Konzern bislang keine Angaben. Lokale Spediteure schätzen das Verhältnis von lokaler zu Transhipment-Ladung auf 40:60. Kritiker bezweifeln aber, dass das Konzept unter normalen Marktbedingungen aufgehen würde. Wären die Schiffskapazitäten so angespannt wie in den Boomjahren von 2004 bis 2008, würden die großen Schiffe bereits in den Nordseehäfen drehen. Durch das hohe Angebot an Neubautonnage hätten die Reeder aber Spielraum für verlängerte Hafenrotationen. Ansonsten müssten sie noch mehr Schiffe auflegen, heißt es. Dominik Landa, Operations Manager Eastern Central Europe bei Maersk, hält dagegen: »Das Konzept geht auf. Es könnte sogar bald Anläufe nur mit polnischer Ladung geben.« Er erwarte zudem, dass andere Linien »sich uns hier in Danzig anschließen werden«.

Zieht MSC nach?

Die einzige andere Reederei, die genug Ladung auf der Strecke in die Waagschale werfen kann, ist wohl die in Genf ansässige Mediterranean Shipping Co. (MSC), Nummer zwei im Konzert der globalen Carrier. Dass beide Konzerne keine Berührungsängste haben, ihre Ladung an denselben Umschlagplätzen zu bündeln, zeigt das Beispiel Bremerhaven, wo beide Firmen eigene Terminals an derselben Kaimauer betreiben. Nur lässt sich MSC nicht in die Karten schauen. Aus Branchenkreisen ist zu erfahren, dass die Schweizer über eine Tochterge­sellschaft bereits ein Terminal im litauischen Klaipeda erworben haben. Andererseits fährt das Unternehmen auch Danzigs Nachbarhafen Gdynia mit großen Feederschiffen von rund 4.000 TEU an. Schon kursieren Gerüchte in lokalen Hafenkreisen, dass MSC denselben Schachzug plant wie Maersk im vergangenen Jahr. Die Dänen hatten sich ebenfalls auf Gdynia konzentriert, bevor sie die Abfertigung nach Danzig verlagerten. Neben günstigen Umschlagraten soll ein neu eingeführter Hafengeldrabatt für große Schiffe in Danzig die letzten Vorbehalte bei Maersk ausgeräumt haben. Der dänische Branchenprimus hat jetzt noch einen draufgelegt und die Einführung eines Reefer-Container-Dienstes angekündigt, der von Ecuador bis nach St. Petersburg durchläuft. Der Loop wird mit sechs eisverstärkten 2.500-TEU-Schiffen betrieben.

OSC-Berater Steve Wray gibt zu, dass der erste Großschiffsdienst nach Polen deutlich früher als von allen Experten erwartet eingeführt wurde. Nach dem dramatischen Einbruch im vergangenen Jahr werde es wohl bis 2013 dauern, bis mehrere andere Reeder ausreichend Volumen für einen Direktverkehr einbuchen können. »Die Einrichtung eines Hubs wird schon bald erforderlich sein«, sagte Wray, der Danzig gute Chancen einräumt. »Es gibt keinen Grund, warum Danzig nicht Hamburgs Vorherrschaft brechen könnte.« Der Großteil der polnischen Importe wird immer noch über Hamburg geroutet.

Danuta Bilat, Vertriebsleiterin des Terminalbetreibers DCT Gdansk SA, meint, dass Maersks Direktdienst aus Asien Bestand haben werde, auch wenn sich das Marktumfeld wieder ändert. »Maersk hat eine Lawine ins Rollen gebracht, die nicht aufzuhalten sein wird. Es wird bald weitere Dienste geben«, sagt sie. Das rund 200 Mio. € teure Terminal, das von britischen Investoren entwickelt wurde und heute einem Fonds der Investmentbank Macquarie gehört, will seinen Umschlag durch Maersk dieses Jahr von rund 160.000 auf 450.000 TEU steigern. Durch relativ geringe Investitionen in mehr Geräte könne die Anlage binnen kurzer Zeit auf eine Jahreskapazität von 1 Mio. TEU erweitert werden, so Bilat.

Transhipment-Markt begrenzt

Ob sich die Investitionen in Danzig wie auch in anderen Häfen in einem überschaubaren Zeitraum amortisieren, muss dennoch mit einem Fragezeichen versehen werden. »Das gesamte Transhipmentvolumen für die Ostsee dürfte sich kaum auf 1 Mio. TEU belaufen. Das könnte jeder von uns auch einzeln schaffen«, sagt Bjarne Mathiesen, Hafendirektor in Aarhus. Der dänische Hafen am Eingang zur Ostsee steht selbst schon seit längerer Zeit im Fahrplan des AE10-Dienstes von Maersk und hatte sich Hoffnungen auf einen Drehscheiben­status für die Ostsee gemacht. Ohne Erfolg. »Eines Morgens wachten wir auf und stellten überrascht fest, dass die Schiffe jetzt bis Danzig durchfahren«, so Mathiesen. Die Transitzeit aus Asien hat sich für Aarhus dadurch so stark ausgedehnt, dass für Importladung eigentlich kein Anreiz mehr besteht. Im Export sieht Mathiesen dafür weiterhin Potenzial.

Dabei hatte Aarhus erst 2006 vier Großcontainerbrücken für Superpostpanamaxschiffe angeschafft, in der Hoffnung, dass Maersk mehr Ladung bringen werde. Eine sinnvolle Auslastung der Brücken ist aber nicht möglich, solange nur einmal pro Woche entsprechend große Frachter abgefertigt werden. »Man kann das Gerät heute nur verlustbringend einsetzen. Wenn wir die Preise verlangen würden, die wir brauchen, wären wir gleich aus dem Geschäft«, verdeutlicht Mathiesen. Und das dürfte allen anderen Häfen in der Ostsee, die vergleichbare Investitionen gestemmt haben, genauso gehen. Dadurch lassen sich weitere neue Aspiranten aber offenbar nicht abschrecken. Auch Stockholm hegt zusammen mit dem Umschlagkonzern Hutchison Ports Holding Pläne für einen Hub-Hafen, genauso wie Tallinn oder auch Ust-Luga in der Nähe von St. Petersburg. Durchaus möglich, dass die Karten in den kommenden Jahren ganz neu gemischt werden. Zwar liegt Danzig geographisch im Mittelpunkt der Ostsee-Feederverkehre, doch der Schwerpunkt der Warenströme liegt weiter im Osten. Russland verfügt über das größte Marktpotenzial im Containerverkehr, und Moskau legt alles daran, den Umschlag so weit wie möglich in die heimischen Häfen zu verlagern. Im vergangenen Jahr brach der Verkehr um über 30 % ein. Bis 2020 könnte sich der Umschlag aber laut OSC auf 6,5 Mio. TEU verdreifachen.