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Am 3. März 2010 wurde vom Fachausschuss Schiffsmaschinen unter der Leitung von Dipl.-Ing. F. Deichmann im Kieler Yachtclub der Sprechtag »Innovative Schiffe« durchgeführt. Wie der Titel aussagt, ging es in den acht Vorträgen um Schiffe und Schiffsantriebe, die uns in die Zukunft führen sollen. Der erste Block beschäftigte sich in vier Vorträgen mit dem Thema Windantrieb oder Windzusatzantrieb. Der zweite Block behandelte die Themen Offshoretechnologien, Gas als Schiffsbrennstoff und den neuen Notschlepper »Nordsee«, der die »Oceanic« ablösen soll.

Dipl.-Ing. Peter Schenzle, Hamburg, referierte zum Thema: Windschiffe im 21. Jahrhundert? Die verschiedenen Ansätze heutiger Technik zum Windvortrieb von[ds_preview] Schiffen.

Peter Schenzle definierte die Transportleistung als Hauptaufgabe der Handelsschiffe und zeigte die Umwandlungsverluste der aktuellen Energiequellen (Brennstoff, Wind, Fotovoltaik) auf. Dabei schneiden die Kohlenstoff-Verbrennung und die Fotovoltaik sehr schlecht ab. Wind verursacht dagegen sehr geringe Umwandlungsverluste, ist auf See reichlich verfügbar und zum Schiffsvortrieb direkt nutzbar. Auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen von 5000 Jahren mit dem Segeln wurde dargestellt, dass sich das schwankende Angebot mit Wetter-Routing und Energiemanagement ausgleichen lässt. Mit dem windunterstützten Motorschiff oder dem motorunterstützten Windschiff lassen sich sogar Liniendienste darstellen, wenn man sich von den heutigen Geschwindigkeiten von 17–25 kn verabschiedet.

Ein breites Spektrum technischer Ansätze wie Tuchsegel, starre Flügel, Zugdrachen, Magnus-Rotoren und Wind-Turbinen zeigt interessante Eigenschaften und Vortriebs-Potentiale für unterschiedliche Betriebsweisen und Einsatzbedingungen. Anhand modernster Segler (America’s Cup) wurden die Grenzen der Gleitzahl von Tragflügeln dargestellt, das andere extreme Beispiel mit zusätzlicher Mechanik zeigte das Segeln gegen den Wind (Abb. 1 und 2).

Dipl.-Ing. Knut-Michael Buchalle

(S.M.I.L.E. GmbH, Heikendorf) trug vor zum Thema: Der Segelgütegrad und seine Bedeutung.

Der »Segelgütegrad« ist eine dimensionslose Kennzahl für ein Schiff mit Besegelung, der darauf beruht, dass die zusätzliche Vortriebskraft durch das Segel auch mit einem zusätzlichen Widerstand für das Schiff verbunden ist. In die Berechnung dieser Kennzahl fließen alle hydro- und aerodynamischen Aspekte des segelnden Schiffes ein. Es wurde bei dieser Betrachtung davon ausgegangen, dass das Schiff die Besegelung zur Unterstützung der Motorleistung einsetzt und die Reisegeschwindigkeiten damit konstant bleiben.

Für das im Rahmen des Vortrages vorgestellte Beispielschiff wurden in umfangreichen Modellversuchen hydrodynamische Basisdaten ermittelt, die mit analytisch ermittelten aerodynamischen Daten aus der Literatur ergänzt wurden. Auf Basis der Daten wurde in einem iterativen Berechnungsverfahren der Zustand des segelnden Schiffs für einen beliebigen Zustand ermittelt und der zugehörige Segelgütegrad bestimmt. Ein Nebenprodukt des Berechnungsganges ist das mögliche Einsparpotential des Schiffes mit Zusatzbesegelung (Abb. 3).

Dipl.-Ing. Stephan Brabeck, (SkySails GmbH & Co. KG, Hamburg) hielt den drittenVortrag zum Thema: Betriebserfahrungen mit dem SkySails-System.

Anhand von verschiedenen Fotos und Graphiken wurden kurz die Technologie und Stand der derzeitigen Entwicklung von SkySails vorgestellt. Die einzelnen Module auf der Brücke, dem Vorschiff und das Segel (Kite) mit Steuergondel wurden beschrieben und der Vorgang des Segelsetzens anhand eines Films gezeigt. Inzwischen sind vier Schiffe mit dem System ausgestattet und bieten eine erste Basis für Messdaten, die ausgewertet wurden, um die Ersparnisse zu ermitteln. Das Beispiel der »Theseus« zeigt bei der Geschwindigkeit von 6–10 kn Brennstoffeinsparungen von 20–30 % (Abb. 4 und 5).

David Surplus (»B9 Shipping«, Larne, Nordirland) sprach im vierten Vortrag über: B9 Ships: An Innovative use of Wind and Bio-Methane Power to End the Reliance on Fossil Fuels. Im Vordergrund dieser Präsentation standen die Aktivitäten dieser Gesellschaft zum nachhaltigen Transport und zu umweltfreundlicher Energieerzeugung in England und Irland (Abb. 6).

»B9 Shipping« wurde 1992 durch David und Norman Surplus gegründet und hat seinen Sitz in Larne, Nordirland. »B9 Shipping« plant und entwickelt Lösungen zur umweltfreundlichen Energienutzung an Land und im Schiffstransport. Neben der Windenergie wird an Biogasanlagen und Systemen zur Erzeugung von Energie aus Gezeiten- und Wellenkraftwerken gearbeitet.

Die vornehmlich nationalen Projekte zur nachhaltigen CO2-neutralen Stromerzeugung sehen viele kleine Biomasse-Kraftwerke vorwiegend an Englands Westküste vor. Dazu wurde die Aufbereitung und Nutzung von Biogas dargestellt. Die Biomasse basiert auf Holz, genannt wurde die Zahl von 4,8 Mio. t pro Jahr, die vornehmlich aus dem Ostseeraum importiert werden soll. Dazu sollen kleine Küstenschiffe (bis 4.000 tdw) eingesetzt werden, die als Segelschiffe mit dem Dyna-Rigg ausgestattet sind. Als Hilfsantrieb und zur Stromerzeugung sollen Gasmotoren eingesetzt werden, die als Brennstoff mit komprimiertem Biogas arbeiten, um den Gesamtkreislauf zu schließen (Abb. 7).

Unter dem Titel: Aktivitäten und Entwicklungen im Offshore-Bereich – Überblick über interessante Projekte stellte Dipl.-Ing. Michael vom Baur (MVB Euroconsult, Admannshagen) die derzeitige und zukünftige Offshore-Techniologie vor. Der Vortrag konzentrierte sich auf Offshore-Schiffe und schwimmende Strukturen und vermittelte einen umfassenden Überblick über Markttrends, Flotten, innovative technische Lösungsbeispiele und einige typische aktuelle Projekte (Abb. 8).

Innerhalb der maritimen Industrie und Forschung ist die Offshore-Technologie das technisch anspruchsvollste und wachstums­trächtigste Betätigungsfeld. Weltweit werden jährlich über US$ 25 Mrd. in die klassischen Öl- und Gasprojekte investiert. Die Gasverflüssigung spielt eine stark wachsende Rolle. Bei den zum Transport benötigten Flüssiggastankern ergeben sich interessante Entwicklungen beim Antrieb und bei den Gastanks. Die Vorhaben zur Exploration und Förderung verlagern sich zunehmend in größere Wassertiefen und in unwirtliche Regionen der Welt (z. B. Arktis) (Abb. 8).

Hinzu kommt in extrem stark steigendem Umfang die Offshore-Windkraft, für die derzeit eine völlig neue Installations- und Servicetechnologie entwickelt wird. Des Weiteren bleibt der Ausbau der Datenkommunikationskapazität über Seekabel eine wichtige Offshore-Aufgabe, die den Kabellegern vorbehalten ist (Abb. 9 und 10).

Dipl.-Ing. Benjamin Scholz (Germanischer Lloyd AG, Hamburg) referierte zum Theama: Die IMO-Richtlinie MSC.285(86) und die GL-Richtlinie für Gas als Schiffsbrennstoff – sicherheitstechnische Herausforderungen und Perspektiven.

Im Rahmen dieses Vortrages wurden technische Herausforderungen und Perspektiven für die Anordnung der Maschinenanlage sowie für die Gasversorgung an Bord aufgezeigt. Hinsichtlich der geplanten Umweltanforderungen und Reaktionen der Schiffbau- und Zuliefer-Industrie wird Gas als zukünftiger Schiffsbrennstoff für einige Bereiche immer interessanter. Sowohl für kurze Fahrtstrecken (Versorger, Fähren) wie auch als Alternative für den Landanschluss im Hafen (Abb. 11a und 11b).

Mit der Entwicklung einer internationalen Richtlinie für Gas als Schiffsbrennstoff (IGF-Code) wurde das Marine Safety Committee (MSC) der IMO betraut, da gemäß den geltenden SOLAS-Vorschriften derzeitig nur Brennstoffe mit einem Flammpunkt über 60 °C zugelassen sind. Die Interim Guideline MSC.285(86), welche im Juni 2009 verabschiedet wurde, legt die internationalen Sicherheitsstandards für Gas als Schiffsbrennstoff bis zum Inkrafttreten des Codes fest. Das Ziel der MSC.285(86) Richtlinie ist die Bereitstellung von Anforderungen hinsichtlich Anordnung und Installation von mit Gas betriebenen Antriebs- und Hilfsmaschinen. Die GL-Richtlinie basiert auf der Interim Guideline und gibt darüber hinaus zusätzliche Empfehlungen.

Der Vortrag von Dipl.-Ing. Carsten-S. Wibel (Bugsier-, Reederei- und Bergungs-Gesellschaft mbH & Co. KG) lautete: Notschlepper »Nordsee« – innovative Schiffstechnik für die Sicherheit der deutschen Küste.

Auf der Wolgaster Peene-Werft entsteht zur Zeit im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz der weltweit modernste Notschlepper. Die AG Küstenschutz ist ein Zusammenschluss der drei führenden deutschen Schlepp- und Bergungsreedereien Bugsier-Reederei, (Hamburg), Fairplay Tow­age (Hamburg) und URAG (Bremen) sowie der Wiking Helikopter (Sande) (Abb. 12).

Im Januar 2011 tritt der Notschlepper eine zehnjährige Charter der Bundesregierung an, um den bewährten Bergungsschlepper »Oceanic« (Bauj. 1975, Bauwerft Schichau Unterweser A.G.) abzulösen. Zusätzlich zu den Leistungsanforderungen von 200 t Pfahlzug und 19,5 kn Geschwindigkeit ist der Notschlepper für den »Einsatz in gefährlicher Atmosphäre« geeignet. Eine von der Umgebung unabhängige Luftversorgung schützt Besatzung und Schiff vor zündfähigen oder für die Gesundheit gefährlichen Gasen, die bei einem Havaristen austreten können.

Schwerpunkt des Vortrages war die mit der Fa. Berg Propulsion (Göteborg / Bremen) geschaffene Lösung, die geforderte Schleppleistung und Geschwindigkeit bei einem auf 6 m begrenzten Tiefgang zu erreichen. Von der Fa. Heat Nord (Bargeshagen) wurde ein Kastenkühler und das »Thermal Antifouling System« (TAS) entwickelt, um die Kühlflächen trotz langer Wartezeiten zwischen den Einsätzen vor hohem Bewuchs zu schützen (Abb. 13).

Dipl.-Ing. Eckhart Osterloff (MTU Friedrichshafen GmbH, Hamburg) hielt abschließend den Vortrag: MTU 20V8000, der Weg zum Gasschutzmotor für den Notschlepper.

Die Serie 8000, die größte und leistungsstärkste Baureihe der MTU, wurde um eine neue Anwendung erweitert, den »Gasschutzmotor«. Hierbei handelt es sich um einen Motor, der für den Betrieb in gefährlicher und leicht entflammbarer Atmosphäre – dem sogenannten Gasschutzbetrieb – geeignet und zugelassen ist. Entwickelt wurde dieser Motor für den im vorherigen Vortrag angesprochenen, auf der Peene-Werft im Bau befindlichen Notschlepper für die Nordsee.

Um die Zulassung des Motors für den Betrieb mit durch Fremdgase kontaminierter Verbrennungsluft erfolgeich zu realisieren, sind Flammsperren, Schnellschlussklappen und Sensoren vorgesehen und es wurde eine umfangreiche Elektronikanpassung durchgeführt. Komponenten des Motors wie Flammsperren und Ansaugtrakt wurden bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) auf Eignung geprüft. Anschließend wurde in umfangreichen Motortestläufen die Gasschutzbetriebseignung entwickelt. Hierbei wurde, wie bei einer echten Gefahrensituation, dem Motor über den Ansaugkanal brennbares Gas zugeführt. Zum Abschluss wurden bei einer Abnahmeprüfung die Anforderungen des Germanischen Lloyd (GL) für den Gasschutzbetrieb erfolgreich nachgewiesen.


K.-H. Hochhaus