Print Friendly, PDF & Email

Als Initialzündung für die Nutzung der Windenergie in der deutschen Nord- und Ostsee geht mit »alpha ventus« der erste deutsche Offshore-Windpark in Betrieb. Der Windpark stellt nicht nur einen Meilenstein für die Nutzung der Windenergie auf dem Meer dar, sondern ist gleichzeitig auch Gegenstand intensiver Forschungsaktivitäten. Die Forschungsinitiative RAVE (Research at alpha ventus) des Bundesumweltministeriums hat zum Ziel, die Nutzung der Offshore-Windenergie zu optimieren. Schließlich soll der Strom vom Meer in Zukunft einen wesentlichen Anteil an der deutschern Stromproduktion übernehmen.

»Die Offshore-Windenergie ist als ein Standbein der zukünftigen Energieversorgung unverzichtbar,« betont Prof. Jürgen Schmid, Leiter des Fraunhofer Instituts für[ds_preview] Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel, das die RAVE-Forschungsinitiative koordiniert. »Die RAVE-Initiative besteht aktuell aus 25 Einzelprojekten mit einem Gesamtbudget von 36 Mio. €, die sich in 15 wissenschaftliche Verbund-Forschungsprojekte und zwei übergeordnete Projekte mit Querschnittsaufgaben aufteilen. Das Gesamtkonsortium umfasst ca. 50 Institute und Firmen,« unterstreicht Dr. Joachim Kutscher vom Projektträger Jülich die Bedeutung der Initiative, die er im Auftrag des Bundesumweltministeriums betreut. »Die Offshore-Windenergie erfordert eine breit angelegte Zusammenarbeit zu einer Vielzahl von Forschungsthemen. Schwerpunkte sind die Senkung der Kosten, Ertragssteigerungen und Erhöhung der Verfügbarkeit von Windenergieanlagen, Technologien zur Integration der Offshore-Windenergie ins Stromnetz sowie die ökologische Begleitforschung«, erläutert Projekteiter Dr. Bernhard Lange vom Fraunhofer IWES.

»Die Ansätze zur Nutzung der Windenergie auf hoher See sind viel versprechend und aussichtsreich. Dennoch müssen wir die Erkenntnisse aus der praktischen Umsetzung in die Forschung und Entwicklung zurückkoppeln, denn Technik muss weiterentwickelt werden. Nur wenn wir unsere Kreativität gemeinsam in einen ständigen Verbesserungsprozess dieser vergleichsweise noch jungen Technologie einbringen, lassen sich die hochgesteckten Ziele an Erträgen, Zuverlässigkeit und Kosten für ›Strom vom Meer‹ erreichen,» erläutert Prof. Schmid.

Das Offshore Testfeld alpha ventus bietet dazu weltweit einmalige Möglichkeiten. Über 1.200 Messungen werden den Forschen ein genaues Bild der Anlagen unter allen Bedingungen liefern. Alle Messdaten werden in einem zentralen Forschungsarchiv bereitgestellt. Kein Wunder, dass der Andrang der Wissenschaftler groß ist. Damit ist ein bisher in Deutschland und auch weltweit einmaliges nationales Netzwerk der Windenergieforschung entstanden, dass sich international u. a. mit der Europäischen Technologieplattform Windenergie, der Europäischen Windenergie Akademie (EAWE) und IEA-Aktivitäten vernetzt hat.

Auf sicheren Füßen stehen

Wer schon einmal bei Sturm am Strand oder auf Deck eines Schiffes stand, kann sich gut vorstellen, welchen Kräften die bis zu 1.000 t schweren Windenergieanlagen in tobender See ausgesetzt sind. Im Offshore-Windpark alpha ventus werden je zur Hälfte zwei neu entwickelte Stahlfundamente eingesetzt. So genannte Tripods, einem gespreizten dreibeinigen Fuß, der auf dem Meeresgrund verankert wird und soge-nannte Jacket-Fundamente, bei denen möglichst viele gleichartige Teile zum Einsatz kommen. Darüber hinaus untersucht das Projekt RAVE-Gründungen Effekte von Wind, Wellen und Betrieb auf das Fundament. Das Projekt RAVE-Gigawind will durch ein ganzheitliches Dimensionierungskonzept die Tragstrukturen weiter verbessern und zu einem wirtschaftlichen Massenprodukt entwickeln. Hauptschwerpunkt des RAVE-Projekts Geology ist die Erfassung und Bewertung der Sedimentdynamik und die Einschätzung der potenziellen Bodenverflüssigung des oberen Meeresbodens im Bereich der Anlagen (Kolkbildung) und im gesamten Windpark als verlässliche Basis für die Planung von Offshore-Konstruktionen.

Neue Technologien und Optimierungspotentiale erschließen

Bevor der Bau von Offshore-Windparks auf breiter Front beginnt, gilt es die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Planung, dem Aufbau und dem Betrieb des Testfeldes alpha ventus in die Weiterentwicklung und Optimierung der Technologie einzubringen. Für die Rotorblätter geschieht dies im Projekt RAVE-REpower Rotorblatt, für die Wechselwirkungen im Gesamtsystem in RAVE-REpower Komponenten und für die Verbesserung ausgewählter Baugruppen in RAVE-Areva-Multi­brid M5000 Optimierung.

Im Projekt RAVE-OWEA werden Schlüsselaspekte für einen zuverlässigen Entwurf und Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen verifiziert. In RAVE-LIDAR werden der Einsatz moderner Windfeldmessverfahren (LIDAR – Light Detection and Ranging) an Offshore-Anlagen und mögliche Verbesserungen auf die Betriebsführung untersucht.

Letztlich wird das Monitoring-Projekt RAVE-Offshore WMEP wesentliche Betriebsdaten aufzeichnen und auswerten, um Punkte wie Einfluss der besonderen meteorologischen Bedingungen, Energieerträge bzw. Volllaststunden, Ausfallzeiten, Stromgestehungskosten, Verfügbarkeit, Instandhaltung und Netzanbindung bestimmen zu können.

Den Strom sicher an Land und zum Verbraucher bringen

Die Energie von Offshore-Windparks muss zunächst mit Seekabeln an Land geleitet werden. Darüber hinaus sind an Land leistungsstarke Verbindungen zu den großen Verbrauchszentren zu schaffen. Im Projekt RAVE-Netzintegration werden Strategien zur Integration von Offshore Wind-

energie in das deutschen Übertragungsnetz entwickelt, implementiert und demonstriert. Ziel ist es, Ausgleichsenergie und vorzuhaltende Regeleistung mit Hilfe von neu entwickelten Offshore-Windleistungsvorhersagesystemen unter Wahrung der hohen Verfügbarkeit und Sicherheit des Verbundnetzes zu reduzieren.

Mensch und Natur nicht aus den Augen verlieren

Ziel der ökologischen Begleitforschung im Projekt RAVE-Ökologie ist es, weitergehende Erkenntnisse der bau- und betriebsbedingten Auswirkungen auf die Meeresumwelt wie z. B. Benthos, Fische, Rastvögel, Zugvögel und marine Säugetiere zu gewinnen.

Im Projekt RAVE-Betriebsschall wird die Schallübertragung der verschiedenen Anlagen unter Wasser und unterschiedlichen Randbedingungen sowie die gesamte Schall-belastung für Meereslebewesen insbesondere Meeressäuger ermittelt. Das Projekt RAVE-Schallminderung untersucht die Reduktion von Baulärm während der Ramm­arbeiten durch das Einbringen von Luftblasenschleiern im Wasser.

Die Sicherheit von Windparks soll im Projekt RAVE-Sonar durch die technische Integration von Sonartranspondern in das Gesamtkonzept erhöht werden. Das Projekt RAVE-Akzeptanz untersucht die gesellschaftliche Zustimmung zur Offshore-Windenergie.

Daten von 1.200 Sensoren

Damit die Wissenschaftler der RAVE-Projekte ihre ambitionierten Forschungsziele erreichen können sind sie auf umfangreiche Messdaten angewiesen. Hierzu sind nicht nur in und an einem Teil der Offshore-Windenergieanlagen und Fundamenten spezielle Sensoren angebracht, sondern noch weitere diverse Messgeräte im Umfeld von alpha ventus sowie an den Umspannwerken auf See und an Land installiert. Hinzu kommen separate Beobachtungskampagnen der ökologischen Begleitforschung, z.B. von Schiffen und Flugzeugen. Insgesamt wurden von einem zentralen Messserviceprojekt für alle RAVE-Projekte über 1.200 Sensoren und Messgeräte geplant, montiert und gewartet. Zu diesen speziellen Messungen werden noch etwa 100 weitere, überwiegend meteorologische und ozeanographische Messdaten von der nur 400 m entfernten Forschungsplattform »FINO 1« in das RAVE-Datennetzwerk eingespeist. Zugang zu diesem weltweit einzigartigen Datenarchiv erhalten in einem speziellen Akkreditierungsverfahren nur registrierte Forscher der RAVE-Initiative.

Weitere Informationen: www.rave-offshore.de, www.bmu.de, www.erneuerbare-energien.de, www.alpha-ventus.de, www.offshore-stiftung.de