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Piraterie ist auch heute noch eine Bedrohung für die Handelsschifffahrt. Die Bilanz des Jahres 2009 ist alarmierend: Weltweit mehr als 400 Zwischenfälle mit Piraten, über 1.000 Seeleute in der Gewalt von Entführern und acht Tote bei Kämpfen mit Piraten – Tendenz steigend.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung fand im April in Hamburg Schenefeld ein hochkarätig besetztes Fachsymposium zum Thema »Piraterie« mit zahlreichen[ds_preview] Experten aus der Handelsschifffahrt statt. Veranstalter des Expertenforums war die Interschalt maritime systems AG. Im »Maritime Education & Training Center« (MET), dem maritimen Schulungszentrum der Interschalt AG, diskutierten rund 50 Teilnehmer mit Sicherheitsexperten intensiv über die aktuellen Situation, Bedrohungsszenarien und zeitgemäße Methoden der Piraterieabwehr.

Carsten Engel, Leiter des MET: »Eine Antwort auf die zunehmende Bedrohung durch Piraten auf den weltweiten Schifffahrtsrouten zu finden, zählt zu den großen Herausforderungen unserer Branche. Durch das Fachsymposium wollen wir die allgemeine Diskussion intensivieren. Nicht zuletzt aufgrund der neuen weltweitgültigen Sicherheitsrichtlinien wird das Thema »Sicherheit« mehr und mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Wir merken schon heute: Die Nachfrage nach hochwertiger Aus- und Weiterbildung innerhalb der maritimen Branche wächst.«

Piraten gehen zunehmend organisiert vor

Die Zeiten einzelner Freibeuter, die relativ unvorbereitet und unkoordiniert Containerschiffe attackieren, sind dabei schon längst vorüber. Oberleutnant zur See Jan Läzer, Mitglied der Marineschutzkräfte in Eckernförde: »Die Piraten des 21. Jahrhunderts sind geschäftsmäßig organisiert und gehen zunehmend professionell vor. Sie sind gut informiert und machen sich vorrangig auf die Jagd nach leichter Beute.« Insbesondere Schiffe ohne Sicherungssysteme und mit Besatzungen, die nicht über entsprechende Ausbildungen verfügen, sehen sich damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Läzer stellte in seinem hintergrundreichen Vortrag zudem die aktuellen Herausforderungen der Bundesmarine am Horn von Afrika vor. Der Umgang mit dem Thema »Piraterie« sei im internationalen Vergleich insbesondere mit Blick auf die Methoden zur Konfliktlösung sehr unterschiedlich. Alle Aktionen der deutschen Marineverbände seien aber strikt an internationales und nationales Recht gebunden: »Die Bundesmarine bewegt sich vor Somalia nicht außerhalb des Rechtsraumes der Bundesrepublik Deutschland.«

Peter Maiwald, Spezialist der Reederei Beluga für Schiffsentführungen, erläuterte an mehreren Beispielen, wie die zunehmende Anzahl von Angriffen durch Piraten inzwischen das Tagesgeschäft einer Reederei beeinflusst. Derzeit beschäftigt die Beluga-Reederei rund 15 Mitarbeiter, die sich mit allen Aspekten rund um das Thema »Piraterie« beschäftigen. Einen Schwerpunkt der Arbeit stellt vornehmlich das Seegebiet vor Somalia dar. Maiwald unterstrich ebenfalls die zunehmende Professionalität der Piraten: »Inzwischen gibt es bei den Piraten für jede Aufgabe einen Spezialisten, sei es für die Verhandlungen oder für das Entern der Schiffe«. Diese Spezialisten würden unter den Piraten-Clans regelrecht ausgetauscht und rekrutiert, so Maiwald.

Lösegeld statt  Ware

Krisenberater Christopher Schramm vom Sicherheitsspezialisten SEC 4 Global Projects verwies in seinem Vortrag auf die zunehmende Zahl von Schiffsentführungen und erläuterte konkret den Ablauf derartiger Vorfälle. In vielen Fällen gelte das Interesse der Piraten gar nicht mehr der transportierten Ware, sondern hohen Lösegeldern. Die Piraten wissen genau: Jede Verzögerung im Transportprozess kostet viel Geld. Schiffsentführungen verliefen oft nach dem gleichen Muster. Es sei wichtig, diese Aktionsmuster zu kennen, um angemessen auf Forderungen der Piraten einzugehen, so Schramm weiter: »Die Entführer wollen Geld verdienen. Längere Verhandlungen gehören nach ihrer Ansicht untrennbar dazu.« Das werde allerdings nicht von allen nationalen Behörden so gesehen. Entsprechend schwierig sei es oftmals, hier einen gemeinsamen Konsens zu finden. Schramm weiter: »Erfahrenen Beratern kommt hier eine wichtige Brückenfunktion als Moderator der Deeskalation zu.«

Spezielle Trainings und Anti-Piraterie-Sicherungssysteme gewinnen an Bedeutung

Auf die Abwehrmöglichkeiten von Handelsschiffen gegen Überfälle durch Piraten ging Thomas Brandacher, ebenfalls Sicherheitsspezialist von SEC 4 Global Projects, ein. Sein Rat: »Alle Abwehrmaßnahmen an Bord eines Schiffes verschaffen einen Zeitvorteil. Kapitäne und Reeder müssen sich Gedanken machen und Modelle entwickeln, wie sie diesen Zeitvorteil nutzen, um sich dem Zugriff der Piraten zu entziehen.« Wenig hilfreich sei es, bei ersten Angriffen der Entführer die Maschinen auszuschalten. Brandacher: »Machen Sie es den Piraten von vornherein und weit sichtbar so schwer wie möglich, auf Ihr Schiff zu kommen.« Sein Fazit: Je besser ausgestattet das Schiff und je sichtbarer die Sicherheitstechnik, desto geringer das Angriffsrisiko.

Brandachers Zukunftsprognose wurde schließlich vom gesamten Fachpublikum geteilt: »Die Piraterie wird an Intensität deutlich zunehmen und das nicht nur am Horn von Afrika, sondern global. Moderne Sicherungssysteme werden damit innerhalb der Containerschifffahrt zu einem zentralen Erfolgsfaktor.« Die Reedereien seien dabei, sich darauf einzustellen. Nicht wenige hätten erkannt: Wer sich durch regelmäßige Schulungen und Trainings der Besatzungen sowie durch entsprechende bauliche Veränderungen an den Schiffen vorbereitet, reduziert das Risiko von Schäden durch Piraterie signifikant.  anja.oswald@interschalt.de