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Voraussetzung für die Geltendmachung der im Folgenden dargestellten Ansprüche ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Anspruch gemäß § 80 InsO vom Insolvenzverwalter geltend gemacht. Im Fall der Abweisung mangels Masse können die Gläubiger den Anspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Der Einfachheit halber sollen sogleich nur die Vorschriften zur GmbH erörtert werden; für andere Rechtsformen gilt weitgehend Ähnliches.

Haftung für Insolvenzverursachung gemäß § 64 S. 3 GmbHG

Von erheblicher Haftungsrelevanz für Geschäftsführer ist die Neufassung des § 64[ds_preview] GmbHG, mit der in § 64 S. 3 GmbHG eine Insolvenzverursachungshaftung eingeführt wurde. Der neue § 64 S. 3 GmbHG begründet eine Erstattungspflicht des Geschäftsführers – nicht der Gesellschafter – für Zahlungen an die Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führten. Dies gilt nicht, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit aus Sicht eines sorgfältigen Geschäftsführers nicht erkennbar war.

Die Erstattungspflicht des § 64 S. 3 ­GmbHG knüpft zwar an den Begriff der »Zahlungen« an, doch entgegen dem Wortlaut sind neben Geldleistungen auch sonstige Leistungen erfasst, die zu Lasten des Gesellschaftsvermögens gehen und der Gesellschaft im Ergebnis Liquidität entziehen. Doch die bloße Begründung von Verbindlichkeiten zu Lasten der Gesellschaft fällt nicht unter den Begriff der Zahlung i. S. d. § 64 S. 3 GmbHG, da dies nicht unmittelbar zur Zahlungsunfähigkeit führt. Auch Zahlungen, die zwar formal nicht an einen Gesellschafter, sondern an einen Dritten erfolgen, werden vom Zahlungsverbot des § 64 S. 3 GmbHG erfasst, so dass auch konzerninterne Zahlungen gegen § 64 S. 3 GmbHG verstoßen können.

Weitere Voraussetzung für die Insolvenzverursachungshaftung nach § 64 S. 3 ­GmbHG ist, dass die Gesellschaft unmittelbar durch diese Leistung an die Gesellschafter in den Zustand der Zahlungsunfähigkeit versetzt wird. Jedoch ist diese Haftung nicht uneingeschränkt und gilt nach § 64 S. 2 GmbHG nicht, wenn der Geschäftsführer unter Anwendung der Sorgfalt eines ordent­lichen Geschäftsmannes nicht erkennen konnte, dass die maßgebliche Zahlung an die Gesellschafter geeignet war, die Zahlungsunfähigkeit herbeizuführen. Für die Feststellung, ob durch die maßgebliche Zahlung Zahlungsunfähigkeit eintreten könnte, muss der Geschäftsführer im Vorfeld der Zahlung die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft bewerten und eine Prognose unter Berücksichtigung der Zahlung an die Gesellschafter erstellen. Dazu muss er sich zunächst ein Bild von der Liquidität der Gesellschaft im Zeitpunkt der Zahlung machen. Sodann ist die zukünftige Lage der Gesellschaft unter dem normalen Verlauf der Dinge und Berücksichtigung der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben zu bewerten. Hilfreich hierfür ist die Erstellung einer Solvenzprognose unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Fachausschusses Recht des Instituts der Wirtschaftsprüfer, die zur Prüfung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden.

Veranlasst der Liquidator Zahlungen an die Gesellschafter, die gegen § 64 S. 3 ­GmbHG verstoßen, so muss er diese Zahlung ungekürzt Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche an den Insolvenzverwalter erstatten. Anders als bei einem Schadensersatzanspruch kann der Geschäfts­führer nicht geltend machen, dass bei pflichtgemäßem Verhalten ein geringerer Schaden entstanden wäre. Die Ersatzpflicht besteht nur in dem Umfang, wie der Gesellschaft tatsächlich liquide Vermögensmittel entzogen worden sind.

Haftung für Insolvenzverschleppung gemäß § 64 S. 1 GmbHG

Nach § 64 S. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Ein Schaden der Gesellschaft ist nicht erforderlich, da durch § 64 S. 1 GmbHG die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger gewährleistet und das Gesellschaftsvermögen im Vorfeld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschützt werden soll.

Nach § 64 S. 1 GmbHG sind alle Geldzahlungen verboten, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet werden und nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Dabei ist es unerheblich, ob diese Zahlungen aus dem Barbestand, aus Kontoguthaben oder durch Lastschrift auf Grund einer (nicht rechtzeitig widerrufenen) Abbuchungsermächtigung geleistet wurden. Unzulässig sind auch Zahlungen von einem für die Gesellschaft geführten Treuhandkonto. Eine Zahlung in diesem Sinne ist auch bei einer Überweisung oder Einreichung eines Schecks auf ein Konto der Gesellschaft zu bejahen, wenn dadurch der Debetsaldo gemindert wird. Eine unzulässige Zahlung liegt nicht vor, wenn der Masse dadurch ein gleichwertiger Gegenwert zugeflossen ist, denn in diesem Fall liegt lediglich ein Aktiv­tausch vor und es kommt nicht zu einer Vermögensminderung. Der Anwendungsbereich des § 64 S. 1 GmbHG ist nicht auf Zahlungen beschränkt, sondern umfasst auch sonstige Leistungen, wie etwa die Lieferung von Sachen, die Übertragung von Rechten oder die Vornahme von Dienstleistungen.

Von der Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG betroffen sind Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung geleistet werden. Nicht in den Anwendungsbereich des § 64 S. 1 GmbHG fallen solche Zahlungen, die trotz Eintritt der Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind, § 64 S. 2 GmbHG. Hierbei handelt es sich um Zahlungen, die nicht zu einer Schmälerung des Vermögens führen, da eine vollwertige Gegenleistung besteht. Ferner zulässig sind Zahlungen, die zur Verhinderung des sofortigen Zusammenbruchs der Gesellschaft oder einer aussichtsreichen Sanierung erforderlich sind. Für Zahlung an die Sozialversicherungsträger hat der BGH jüngst seine bisherige Rechtsprechung teilweise aufgegeben. Bislang bestand die Problematik für einen Geschäftsführer darin, dass er sich nach Eintritt der Insolvenzreife in einer Pflichtenkollision befand: Einerseits ist er unter Strafandrohung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet (§ 266a StGB), andererseits machte er sich der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn er nach Eintritt der Krise Zahlungen leistete, die gegen das Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 ­GmbHG a. F. verstoßen. Der BGH hat nun seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, so dass nun die Leistung von Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht zur persönli­chen Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG führt.

Ferner sind die Haftungsrisiken gegenüber Gesellschaft, Gläubigern, Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern sowie die strafrechtlichen Risiken zu beachten.

Verfasser:

Dr. Malte Passarge

Römermann Rechtsanwälte AG, Hamburg

Dr. Malte Passarge