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Sie haben recht, Sex und Schifffahrt passen doch gar nicht zusammen, aber wie so oft ist die Überschrift nur im[ds_preview] übertragenden Sinne gemeint. Der Klassiker ist natürlich eine entsprechend aufgemachte Werbung, in der mit gewissen reizvollen Attributen auf ein Produkt hingewiesen wird, um dessen Absatz anzukurbeln. Zielrichtung solcher Kampagnen ist die menschliche Schwäche, dass halt manche besser sehen als denken können.

Es gibt aber im Kapitalmarkt auch Produkte, die ohne optisch reizvolle Attribute verkauft werden müssen, und dazu verfällt man werblich in eine bestimmte Form der wirtschaftlichen Verbalerotik, um im Sinne der Überschrift das Produkt auf den Markt zu bringen. Wenn es also gelingt, ein Produkt mit einer bisher nicht dagewesenen Story auszustatten, der zufolge anlagemäßig »im Himmel Jahrmarkt« ist, dann finden Kapitalanleger das sexy.

Wenn aber Kapitalanleger solchen Verlockungen im Zusammenhang mit Schiffsbeteiligungen erliegen, dann sind wir bei dem Motto »Sex sells« und haben damit auch den Brückenschlag vom Sex zur Schifffahrt. Die Herleitung war nicht ganz einfach, aber die Gratwanderung ist gelungen.

Viele Emissionshäuser hatten Ende 2007 und Anfang 2008 noch Emissionen mit Containerschiffen und Tankern im Markt. Im Verlauf des Jahres 2008 kam jedoch die ernüchternde Erkenntnis, dass der Absatz von Beteiligungen in diesen Segmenten auf Grund des Marktumfeldes zu stagnieren begann, und Ende des Jahres wurde er sogar deutlich rückläufig. Gegen diesen Trend brachte das Emissionshaus Nordcapital, Hamburg, erstmalig einen sogenannten Offshore-Fonds auf den Markt. Dies war nach Jahren mit Containerschiffen und Tankern eine Innovation mit einer guten Story um ein Marktsegment, das bisher keiner kannte.

Offshore-Fonds sind Beteiligungsangebote, in denen Plattform-Versorgungsschiffe (Plattform Supply Vessel, PSV) für die Öl- und Gasförderung auf See angeboten werden. Also eine ganz normale Schiffs­emission, wie sie seit vielen Jahren den Anlegern als Beteiligungsmöglichkeiten angeboten werden, nur eben mit einer ganz anderen, innovativen Vertriebsstory drum herum, die sich von der Masse abhebt und dadurch einfach sexy ist für Kapitalanleger. Es ist der Reiz des Neuen, der lockt.

Das Vertriebsargument für diese PSV liegt auf der Hand: der weltweit steigende Energiebedarf – schließlich haben Öl und Gas mit 60 % den größten Anteil an der weltweiten Energieversorgung. Der Anstieg der Gesamtenergienachfrage wird bis zum Jahr 2030 auf rund 45 % geschätzt, der entsprechende Anstieg der Nachfrage nach Öl und Gas auf rund 41 %.

Da die Exploration von neuen Öl- und Gasvorkommen verstärkt auf dem offenen Meer (offshore) betrieben wird und sich die Investitionen in diesem Bereich seit 2004 verdoppelt haben, werden solche PSV natürlich gebraucht. Mit steigender Anzahl von Ölbohrplattformen, die für diese Art der Exploration benötigt werden, steigt daher die Nachfrage nach solchen Schiffen, denn nur mit solchen Spezialschiffen ist die Versorgung der Plattformen gewährleistet. Diesen Argumenten kann sich der normale Anleger nicht verschließen, und so ist Nordcapital inzwischen mit der Platzierung des Offshore-Fonds 5 durch.

Auf Grund der Entwicklung in diesem Segment der Spezialschiffe kam es, wie so oft, zu Bedarfsplanungen, die möglicherweise am Markt vorbeigingen. So wurden nämlich bei den Werften Stückzahlen an PSV geordert, die in einer schlechten Korrelation zu ihrem Bedarf stehen. Aber kennen wir dieses Problem nicht zur Genüge? Na klar, Containerschiffe und Tanker wurden wegen ihrer Story und der Nachfrageeinschätzungen ebenfalls bis zum Abwinken geordert, und die gegenwärtige Situation in diesen Schifffahrtsbereichen ist hinlänglich bekannt.

Die Informationen an die Anleger des Offshore-Fonds 2 z. B. ähneln den Informationsschreiben im Bereich Container und Tanker leider sehr. Da heißt es, dass die Ausschüttung nicht in der geplanten Höhe vorgenommen werden kann, weil der US-Dollarkurs im Jahr 2010 deutlich schwächer angenommen wird als im Prospekt kalkuliert. (Dieses Argument verstehe ich nicht ganz, weil der US-Dollar im Prospekt mit 1,25 zum Euro kalkuliert ist und mit einem entsprechenden Währungsmanagement bei den derzeitigen Kursen viel gewonnen werden kann.)

Weiter heißt es: Gleichzeitig sind die Schiffsbetriebskosten erhöht, was aber mit Zins­einsparungen teilweise kompensiert werden kann. Aus diesem Grund plant die Geschäftsführung eine leicht reduzierte Auszahlung gegenüber den prospektierten Werten. Die Auszahlung soll in zwei Tranchen erfolgen, wobei der zweite Teilbetrag von der wirtschaftlichen Entwicklung des Fonds und von der grundsätzlichen Zustimmung der finanzierenden Bank abhängig ist. Willkommen im Alltag der Schiffsbeteiligungen, den wir alle gerade leben.

In der Information an die Anleger des Offshore-Fonds 4 heißt es, dass auf Grund der stark gefallenen Ölpreise die Situation eingetreten ist, dass die Ölfirmen verschiedene Aktivitäten und Investitionen zurückgestellt haben. Gleichzeitig drängen die erwarteten PSV-Neubauablieferungen in den Markt. Dies hat – speziell in der Nordsee – zu einem Überangebot an PSV und damit zu einer Belastung des Charterratenniveaus geführt, doch die Anzeichen mehren sich, dass die Talsohle durchschritten ist. Auch hier hat die Realität den Reiz der Vertriebsstory überholt.

Aber nicht nur diese Vertriebsstory ist auffällig. Auch ein ganz anderes Angebot im Kapitalanlagemarkt der Schiffsbeteiligungen erfreut sich regen Interesses, insbesondere in der Presse. Der Schiffsfonds »ML Schiffsinvest 1« aus dem Hause Lange Vermögensberatung GmbH, München, gerät zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik. Schenkt man den kritischen Stimmen Glauben, dann ist die werbliche Aussage in den Mailings aus dem Hause Lange, mit denen viele Kapitalanleger derzeit beglückt werden, doppeldeutig zu verstehen. Es heißt in dem Schreiben: »Der ML Schiffsinvest 1 ist der aussichtsreichste (Schiffs-)Fonds, den ich in meiner Laufbahn habe anbieten können.« Aussichtsreich – für wen?

Die grundsätzliche Idee des Beteiligungsangebotes basiert darauf, sich an bereits notleidenden Schiffsgesellschaften zu beteiligen, um so den Bestand der Gesellschaft zu sichern. Darüber hinaus kann sich die Fondsgesellschaft an neu zu gründenden Schiffsgesellschaften beteiligen und Seeschiffe im Ganzen erwerben. Der Fonds bietet die Chance zur Investition in den Schiffsmarkt zu historisch niedrigen Kaufpreisen, und durch die breite Risikostreuung und ein hohes Renditepotenzial bei kurzer Laufzeit sind die Renditechancen für den Anleger sehr hoch. Soweit die Theorie. Sicherlich auch eine »sexy« Story im Vertrieb, doch auch hier überrollt den interessierten Kapitalanleger die Realität, allerdings mit wesentlich größerer Wucht.

Wenn sich »Otto Normalanleger« mit dem Prospekt auseinandersetzt, wird ihm das Gefühl vermittelt, dass er ein richtig gutes Produkt erwirbt; wenn aber Profis im Vertrieb den Prospekt mehrfach ansehen müssen um zu verstehen, wie sich die Lange-Gruppe bedient und was der Anleger von den Gewinnen zu sehen bekommt, sollte man schon nachdenklich werden. Der Schlüssel zum Verständnis der Benachteiligung der Kapitalanleger liegt in der Gewinnverteilung unter den Kapitalgebern. Vom Gesamtvolumen des Fonds – dies sind € 50 Mio. – übernimmt die Lange-Gruppe € 1,2 Mio. Der Anteil der Lange-Gruppe ist voll ergebnisberechtigt. Vom Anlegerkapital in Höhe von € 48,8 Mio. sind jedoch nur 10 % ergebnisberechtigt, also € 4,8 Mio. Der Rest von € 44 Mio. gilt als nicht ergebnisberechtigte Rücklage.

Daraus ergibt sich eine erhebliche Schieflage in den Relationen der Ergebnisverteilung, mit der Folge, dass die Lange-Gruppe überproportional hohe Gewinnanteile realisiert, während sich der Anleger mit absolutem Mittelmaß begnügen muss. Das Ganze gipfelt am Ende der Laufzeit darin, dass von der zurückzuzahlenden, nicht ergebnisberechtigten Rücklage die Lange-Gruppe noch einmal 19,74 % der Rücklage als Vergütung erhält, immerhin rund € 8,7 Mio. Dazu heißt es in den Unterlagen weiter: »Weitere Provisionen im Sinne des § 4 Satz 1 Nr. 12 VermVerkProspV fallen nicht an.« Was für ein Glück für die Anleger, dass sie nicht auch noch Provisionen zu Beginn der Investition zahlen mussten.

Dem Laien sind diese Feinheiten nicht ersichtlich, und wenn nur ein Profi die Zusammenhänge erkennt, ist die öffentlich geübte Kritik an diesem Beteiligungsangebot absolut berechtigt. Dem Anleger wird suggeriert, es handle sich um eine faire Gewinnverteilung und ihm entstünden wegen nicht erhobener Vorkosten überproportionale Vorteile, doch letztlich bleibt dem Anleger nicht mehr als in jedem anderen durchschnittlichen Beteiligungsangebot. Ob das in der momentanen Marktsituation hilfreich ist für die Branche, möchte ich bezweifeln, auf jeden Fall ist diese Vertriebsstory total »unsexy«!

Eine Information bin ich noch schuldig. In meinem letzten Kommentar (HANSA 5/2010) habe ich darauf hingewiesen, dass der Finanzinvestor Clemens Vedder und ich ein Sanierungskonzept ausgearbeitet haben, das den in finanzielle Not geratenen Schiffsgesellschaften, den beteiligten Investoren und den Banken gleichermaßen hilft. Dieses Konzept haben wir bislang mit der HSH Nordbank, der Nord/LB und der Bremer Landesbank besprochen. Das Konzept stieß auf großes Interesse, aber leider hat sich bisher nur die HSH Nordbank mit einigen Rückfragen gemeldet, um das Konzept auf seine Realisierbarkeit zu prüfen. Es ist schade, dass die Entscheidungsfindung für eine einfach zu realisierende Idee so langwierig ist, weil zwischenzeitlich ein Schiff, auf das dieses Konzept hervorragend anzuwenden gewesen wäre, verkauft werden musste und dadurch Vermögensvernichtung betrieben wurde. Daher an dieser Stelle nochmals der Appell an die angesprochenen Banken, dieses Sanierungskonzept gemeinsam umzusetzen, um die Zeit zu gewinnen, die die Schifffahrt dringend für ihre wirtschaftliche Gesundung benötigt, und um keine weitere Vermögensvernichtung stattfinden zu lassen. www.mira-anlagen.de