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In der Ausgabe 3/2010 der HANSA hat Rechtsanwalt Finnern das o.g. Urteil des LG Hamburg zur Frage eines Anspruchs[ds_preview] aus Prospekthaftung vorgestellt und die sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten für Initiatoren von Schiffsfonds erläutert. So richtig dieses Urteil des LG Hamburg angesichts der derzeit gültigen Rechtslage auch ist, so risikoreich sind dessen Folgen für den Vertrieb geschlossener Fonds.

Sachverhalt

Zur Erinnerung: Das LG hatte einen Anspruch des Anlegers gegen den Initiator eines Schiffsfonds aus Prospekthaftung mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Kapitalanleger einen Anspruch auf Prospekthaftung nach dem Verkaufsprospektgesetz nur dann geltend machen kann, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot der Schiffsbeteiligung seine eigene Anteile erworben hat. Bei Zeichnung außerhalb dieser Frist, so das LG Hamburg zutreffend, sei ein solcher Anspruch ausgeschlossen.

Dies folge aus § 13 Verkaufsprospektgesetz in Verbindung mit § 44 Börsengesetz.

Im zu entscheidenden Fall war der Verkaufsprospekt erstmals im Herbst 2007 veröffentlicht worden, der Anleger hatte die Beteiligung aber erst im Dezember 2008 und damit weit außerhalb der 6-Monatsfrist erworben.

Folgen für den Vertrieb

Diese Begrenzung der Haftungsfrist für Initiatoren und Emissionshäuser hat allerdings weitreichende negative Folgen für den Vertrieb geschlossener Fonds.

1. Beratungsvertrag

Bei dem Vertrieb einer Kapitalanlage – wie z. B. eines Schiffsfonds – kommt zwischen dem Berater und dem Anleger in aller Regel zumindest konkludent einen Beratungsvertrag zustande.

Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH dann, wenn, gleichgültig auf wessen Initiative, im Zusammenhang mit einer Anlageentscheidung tatsächlich eine Beratung stattfindet und insbesondere dann, wenn deutlich wird, dass der Beratene die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Beraters in Anspruch nehmen will (st. Rspr. des BGH, so in BGH, Urt. v. 04.03.1987, Az: IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, 118 f.; BGH, Urt. v. 06.07.1993, Az: XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128; BGH, 24.09.2002 – XI ZR 345/01, WM 2002, 2281, 2283). Eine Beratung setzt sich zusammen aus einem informatorischen Teil über anlagerelevante Informationen und einem empfehlenden Teil, bei dem die mitgeteilten Tatsachen vor dem Hintergrund der finanziellen Ziele und persönlichen Anlagesituation des Kunden fachmännisch interpretiert werden (BGH, Urt. v. 25.11.1981, Az: IVa ZR 286/80, WM 1982, 90, 90).

2. Pflichtenumfang

Der Beratungsvertrag verpflichtet zu richtiger und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluss des Interessenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.1993, Az: XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 129). Der jeweils individuell unterschiedliche Inhalt und Umfang der Beratungspflicht ergibt sich aus einer Reihe von Faktoren, die sich einerseits auf die Person des Anlageinteressenten und andererseits auf das Anlageobjekt beziehen. Der Berater schuldet dem Kunden insoweit eine »anlegergerechte« und »anlagegerechte« Beratung (BGH, Urt. v. 06.07.1993, Az: XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128).

»Anlegergerecht« handelt ein Berater nur, wenn bei der Beratung der Wissensstand des Anlegers über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und die Risikobereitschaft und fähigkeit des Kunden sowie dessen Anlageziele ausreichend berücksichtigt werden. Insofern ergeben sich Inhalt und Umfang der Beratungspflicht beispielsweise daraus, ob der Kunde kurz- oder langfristig investieren will, ob er eine sichere oder spekulative Geldanlage wünscht oder ob er Steuervorteile sucht. Die Kenntnis dieser Umstände kann aus langjährigen Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden resultieren. Verfügt der Berater jedoch nicht über ein entsprechendes Wissen, muss er den Informationsstand und das Anlageziel des Kunden erfragen.

Das empfohlene Anlageobjekt muss diesen individuellen Kriterien Rechnung tragen. Für eine »anlagegerechte« (= objektgerechte) Beratung ist eine umfassende, wahrheitsgemäße, sorgfältige und vollständige Information über alle anlagerelevanten Tatsachen einschließlich (etwaiger Verlust-) Risiken erforderlich (BGH, Urt. v. 06.07.1993, Az: XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f.).

Über die Informationsmitteilung hinaus wird vom Berater auch eine fachmännische Interpretation und Beurteilung dieser Tatsachen vor dem Hintergrund der finanziellen Ziele und persönlichen Anlagesituation des Kunden erwartet (BGH, Urt. v. 25.11.1981, Az: IVa ZR 286/80, WM 1982, 90, 90). Die Schlussfolgerungen, Prognosen und Werturteile haben schließlich in einer, dem Kunden klaren und verständlichen Verhaltensempfehlung zu münden.

Der Berater schuldet demnach eine Aufklärung über alle dem jeweiligen Produkt innewohnenden wesentlichen Risiken, also nicht nur über ganz naheliegende Gefahren.

3. Folgen aus dem LG Urteil

Der Gesetzgeber hat dem Initiator eines Fonds eine kurze 6-Monatsfrist beginnend mit öffentlichem Vertrieb des Produktes auferlegt, innerhalb derer dieser für Prospektfehler gegenüber dem Anleger haftet. Grundsätzlich ist ein wesentlicher Bestandteil eines geschlossenen Fonds also auch die (zeitlich befristete) Haftung des Initiators für dieses Produkt.

Ist diese Frist aber nun abgelaufen – wie in dem vom LG Hamburg entschiedenen Fall – entfällt ein für den Anleger geschaffener Sicherungsmechanismus. Prospekthaftungsansprüche gegen den Initiator lassen sich nicht mehr durchsetzen.

Befinden sich derartige Fonds aber – wie sehr häufig – noch im Vertrieb, nach dem die 6-Monatsfrist nach erster Veröffentlichung des Verkaufsprospektes bereits abgelaufen ist, manifestiert sich für den Anleger ein höheres Risiko, da ihm ein möglicher Anspruch auf Schadensersatz schon zum Zeitpunkt der Zeichnung endgültig abgeschnitten ist. Dann muss der Berater den Kunden auch auf dieses zusätzliche Risiko hinweisen, wenn er Anlegern außerhalb der 6-Monatsfrist eine solche Beteiligung empfiehlt.

Ähnlich wie eine fehlende »Herstellergarantie« beim Autokauf ein mögliches Entscheidungskriterium ist, ist auch die fehlende Prospekthaftung zumindest eine »anlagerelevante Tatsache« im Sinne der BGH-Rechtsprechung. Berater sind daher selbst gut beraten, wenn sie sich über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verkaufsprospektes genau informieren und nach Ablauf der 6-Monatsfrist den Vertrieb dieses Produktes entweder einstellen oder den Anleger konkret auf dieses zusätzliche Risiko hinweisen.

Fazit

Die Risiken einer fehlgeschlagenen Fondsbeteiligung treffen teilweise mithin im besonderen Maße den Vertrieb von Fondsprodukten. Während der Initiator nach sechs Monaten ruhig schlafen kann, muss der Berater drei Jahre eine Haftung befürchten, sollte er über »anlagerelevante Tatsachen« der Beteiligung nicht vollständig aufgeklärt haben. Diese Frist beginnt aber erst, wenn der Kunde von den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt – und das kann wiederum erst Jahre nach dem Erwerb der Fondsbeteiligung liegen.

Eine derartige Ungleichbehandlung zwischen Initiator und Vertrieb ist nicht gerechtfertigt. Auch im Sinne eines wirkungsvollen Anlegerschutzes bedarf es daher dringend der Korrekturen der kurzen Prospekthaftungsfristen.

Jens-Peter Gieschen