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Für die Gesellschafter hat das neue Insolvenzrecht zu erheblichen Änderungen geführt. Zunächst wurde die rechtliche Bewertung von Gesellschafterdarlehen von dem[ds_preview] Vorliegen einer Krise abgekoppelt. Nach § 39 Nr. 5 InsO kommt es im Insolvenzverfahren zu einem generellen Rang-rücktritt von Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen. Diese Leistungen finden keine Berücksichtigung bei Überschuldung (§ 19 II 2 InsO), allerdings ist ein Rangrücktritt i. S. v. § 39 II InsO erforderlich. Die Befriedigung von Gesellschafterdarlehen im letzten Jahr vor Insolvenzantrag unterliegt der generellen Anfechtung nach § 135 InsO.

Antragspflicht

Anders als früher unterliegen die Gesellschafter und Mitglieder des Aufsichtsrats einer Insolvenzantragspflicht. Dies allerdings nicht grundsätzlich, sondern nur im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft und bei gleichzeitigem Vorliegen eines Insolvenzgrundes (§ 15a Abs. 3 InsO). Wird der erforderliche Antrag nicht gestellt, drohen persönliche Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO und die Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4, 5 InsO. Unklar ist allerdings gegenwärtig noch, wann Führungslosigkeit der Gesellschaft vorliegen soll. Mit der Einführung der § 15a InsO sollen die »Missbrauchs- und Bestatterfälle«, in denen die Geschäftsführer nicht ordnungsgemäß abberufen werden, sondern abtauchen oder planvoll untätig oder unerreichbar sind, vermieden werden. Die Haftungserweiterung dient also dem Gläubigerschutz und der Verhinderung von Insolvenzverschleppung.

Wann genau eine Gesellschaft führungs­los ist, ist bislang in der juristischen Lehre und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht dahingehend, dass keine Führungslosigkeit vorliegt, wenn ein Geschäftsführer z. B. wegen eines längeren Auslandsaufenthalts oder aufgrund von Krankheit nicht erreichbar ist. Teilweise wird auf das Ende der Organstellung abgestellt, wenn also der Geschäftsführer abberufen wurde, das Amt niedergelegt hat, die rechtliche Amtsfähigkeit nach § 6 ­GmbHG verloren hat oder verstorben ist. Führungslosigkeit soll nicht vorliegen, wenn der ordnungsgemäß bestellte Geschäftsführer abgetaucht, nicht handlungswillig oder unerreichbar ist. Folge dieser Ansicht ist, dass den Gläubigern der insolventen Gesellschaft der vom Gesetzgeber des MoMiG versprochene Schutz vor Missbrauch am »Ende des Lebens der GmbH« wieder entzogen wird; das MoMiG bliebe für diese Frage folgenlos und lediglich von theoretischem Interesse.

Demgegenüber wird im Interesse eines sinnvollen Gläubigerschutzes vertreten, dass Führungslosigkeit auch – bzw. vor allem – bei einem nachrichtenlosen Abtauchen des Geschäftsführers zu bejahen ist. Denn es ist bei lebensnaher Betrachtung nicht davon auszugehen, dass ein Geschäftsführer, der sich nachrichtenlos ins Ausland abgesetzt hat, mit unbekanntem Aufenthalt nicht erreichbar oder handlungsunwillig ist, seinen gegenüber Gesellschaft und Gläubigern bestehenden Pflichten weiter nachkommen will. Es ist auch nicht zu erwarten, dass der unredliche Geschäftsführer sein Amt ordentlich niederlegt mit den Worten: »Liebe Gesellschafter, habe die Konten in den letzten Tagen abgeräumt, bin in Rio und lege hiermit mein Amt als Geschäftsführer nieder«.

Zur Vermeidung der eigenen Haftung müssen daher Gesellschafter und Aufsichtsräte bei Unklarheiten hinsichtlich der – von ihnen einzusetzenden und zu überwachenden – Geschäftsführung ihrer Verantwortung entsprechen und einen nicht erreichbaren Geschäftsführer rasch abbestellen – oder aber einen zusätzlichen Geschäftsführer einsetzen.

Haftung für Insolvenzverschleppung gemäß § 64 S. 1 GmbHG

Die Verpflichtung zum Ersatz von Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, trifft nach neuester Rechtsprechung des BGH auch Aufsichtsräte, wenn diese nach Eintritt der Insolvenzreife nicht darauf hinwirken, dass der Vorstand einer AG rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt. Verstößt ein Aufsichtsrat schuldhaft gegen diese Pflicht, kann er der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Dies dürfte auch für eine GmbH mit Aufsichtsrat gelten.

Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1 InsO

Aufgrund der Erweiterung der Antragspflicht auf Gesellschafter und Aufsichtsräte unterliegen auch diese dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs. Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1, Abs. 3 InsO.

Der Umfang des Schadensersatzanspruches für Altgläubiger (also Gläubiger, die ihre Gläubigerstellung bis zum Zeitpunkt der Insolvenzreife erlangt haben) besteht im sogenannten Quotenschaden, also dem Betrag, um den sich die Insolvenzquote des Gläubigers durch die Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemindert hat. Unter den Schutz des § 15a Abs. 1 InsO fallen auch diejenigen, die erst nach Eintritt der Insolvenzreife Gläubiger der Gesellschaft geworden sind (Neugläubiger). Neugläubigern ist der Schaden zu ersetzen, den sie dadurch erlitten haben, dass der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt wurde und sie mit der insolvenzreifen Gesellschaft in Geschäftsverbindung getreten sind. Der Schaden besteht hier in den Leistungen, die im Vertrauen auf den Fortbestand der Gesellschaft erbracht wurden, also den Anschaffungs- oder Herstellungskosten einschließlich der Vertriebskosten der gelieferten Gegenstände, jedoch ohne Gewinnaufschlag.

Maßnahmen zur Beseitigung der Insolvenzreife

Die Wahl der richtigen Maßnahmen hängt immer von den besonderen Gegeben­heiten des jeweiligen Unternehmens und der Gesellschafter ab. Grundsätzlich kann die Zahlungsunfähigkeit durch Kapitalerhöhung, Gesellschafterdarlehen, Gläubigerverzichte und Tilgungsaussetzungen oder einen qualifizierten Rangrücktritt beseitigt werden.

Maßnahmen zur Haftungsvermeidung

Die Niederlegung des Amtes als Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife befreit nicht von der bis dahin entstandenen Ersatzpflicht. Das Vertretungsorgan muss sich das bisherige Handeln insoweit zurechnen lassen, da es verpflichtet war, bereits vor dem Ausscheiden den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen oder auf den Nachfolger entsprechend einzuwirken. Im Hinblick auf die Haftung gegenüber der Gesellschaft kann die Haftung des Geschäftsführers nur in gewissen Grenzen durch entsprechende Verzichtserklärungen oder Haftungsfreistellungserklärungen beseitigt oder reduziert werden. Wichtig ist eine Haftpflichtversicherung für den Geschäftsführer (sog. D&O-Versicherung). Da ein weitreichender Schutz vor insolvenzrechtlicher Haftung nicht zu erreichen ist, ist es umso wichtiger, die Zeichen einer Krise frühzeitig zu erkennen und die passenden Maßnahmen zu treffen.

Dr. Malte Passarge