Print Friendly, PDF & Email

Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) versprechen hohe Energieausbeuten und mehr Akzeptanz als ihre Pendants auf dem Lande (onshore). Bis zu 50 Windparks[ds_preview] sind vor der deutschen Nord- und Ostseeküste geplant und der Bau soll bald beginnen. Da zeigt sich, dass Methoden und Richtlinien fehlen, um die Fundamente unter den speziellen Bedingungen sicher zu bemessen. Weil mit zunehmender Schiefstellung der Gründung die Anlagen auszufallen drohen, legen sich Ingenieure mit Hochdruck für eine Lebensdauer-Prognose von OWEA ins Zeug.

Der Anteil erneuerbarer Energien am Jahres-Stromverbrauch der Bundesrepublik Deutschland soll bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent steigen. Dabei spielen Offshore-Windparks, die vor der deutschen Nord- und Ostseeküste errichtet werden sollen, eine zentrale Rolle. Für 17 Parks in der Nordsee sowie drei in der Ostsee gab das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bereits grünes Licht. Derzeit laufen Planungen für bis zu 50 Vorhaben verschiedener Betreiber. Die meisten dieser Projekte sollen in der Deutschen Bucht realisiert werden (siehe Abb. 2). Der überwiegende Teil der Parks wird in einer Pilotphase zunächst mit 80 Wind­ener­gieanlagen starten und später ausgebaut werden.

Der meist sandige Untergrund stellt, je nach Wassertiefe und Größe der Anlage, unterschiedliche Ansprüche an das Fundament (Gründung) einer Offshore-Windener­gieanlage (OWEA). Generell sind Flach- und Tiefgründungen zu unterscheiden. Flachgründungen (Abb. 3a), die nur wenig in den Meeresboden einbinden, werden mit zunehmender Wassertiefe unwirtschaftlicher, da das Fundament einer immer größeren Aufstandsfläche und Masse bedarf. Schürzen an den Rändern von Flachgründungen (siehe Abb. 3b), die eine Erosion des Meeresbodens an bzw. unterhalb der Gründung durch die Strömung verhindern, tragen bei entsprechender Länge auch Lasten ab. Größere Wassertiefen erfordern Tiefgründungen mit einem einzelnen gro­ßen Pfahl (Monopile-Gründung), meist ein Stahlrohr mit einem Durchmesser über 5 m (Abb. 3c) oder sog. Tripod- bzw. Jacket-Gründungen mit drei bzw. vier Pfählen (s. Abb. 3d und 3e). Es sind aber auch verschiedene Kombinationen dieser Gründungen denkbar.

Die Auslegung der OWEA-Gründungen in der Deutschen Bucht stellt die Geotechnik-Ingenieure vor schwerwiegende, bisher ungelöste Probleme. Die Belastung der Gründung setzt sich aus einem aerodynamischen (Wind auf Rotor und Turm) und einem hydromechanischen Anteil durch Strömung und Wellen zusammen und erfolgt zyklisch (Abb. 4). Während der erwünschten Mindest-Lebensdauer einer OWEA von 20 Jahren wirken Milliarden von Lastspielen mit unterschiedlicher Amplitude auf die Gründung ein. Stürme verursachen einige wenige Zyklen mit großen Amplituden, während sich der Regelbetrieb der Anlage durch sehr viele Zyklen mit kleinen bis mittleren Amplituden auszeichnet (hoch- bzw. polyzyklische Belastung). Durch die zyklische Belastung akkumulieren sich bleibende Verformungen im Boden, wodurch sich die Windenergieanlage zunehmend schief stellen kann. Für den Betrieb des Rotors darf ein bestimmter Grenzwert der Schiefstellung jedoch nicht überschritten werden. Damit ist die Schiefstellung infolge Bodenverformung ein Kriterium für die Lebensdauer der OWEA. Eine Gründung muss so ausgelegt werden, dass Schiefstellungen auch nach vielen Betriebsjahren unter einem bestimmten Grenzwert bleiben. Bisher existiert jedoch keine sichere Methode, mit der sich Langzeit-Verformungen der Gründung von Offshore-Windenergieanlagen prognostizieren lassen.

Eine weitere negative Auswirkung der zyklischen Belastung einer Pfahlgründung ist die mögliche Abnahme der seitlichen Bodenspannungen auf den Pfahl (Entspannung des Bodens, Relaxation). Dies führt bei einer Monopile-Gründung, die ihre Lasten vorwiegend über die seitliche Bettung an den Boden abgibt, zu einem »weicheren« Verhalten gegenüber einer horizontalen Belastung (siehe Abb. 3). Die Folge sind größere, die Funktion der Windenergieanlage gefährdende Auslenkungen während der zyklischen Belastung. Bei Tripod- oder Jacketgründungen werden die Pfähle vorwiegend in ihrer Längsrichtung auf Zug bzw. Druck belastet. Von Modellversuchen an axial zyklisch belasteten Pfählen weiß man jedoch, dass die Tragfähigkeit dieser Pfähle, also ihre maximal aufnehmbare Kraft, durch die zyklische Belastung drastisch reduziert werden kann. Im schlimmsten Fall könnten auf Zug belastete Pfähle nach einer bestimmten Anzahl von Zyklen aus dem Boden herausgezogen werden.

Der Porenraum des Meeresbodens, das heißt der freie Raum zwischen den Sandkörnern, ist mit Wasser gesättigt. Bei einer Verdichtung des Sandes, wie sie infolge kleiner bis mittlerer Zyklen auftritt, wird ein Teil dieses Wassers aus dem Porenraum verdrängt. Wird ein wassergesättigter Boden jedoch schnell zyklisch belastet oder ist die Durchlässigkeit des Bodens gering, dann schränkt dies die Dränage des überschüssigen Porenwassers ein. Im Porenwasser baut sich zusätzlich zum hydrostatischen Druck ein sogenannter Porenwasser-überdruck auf. Dieser wirkt den Spannungen an den Kontaktstellen benachbarter Sandkörner entgegen, was die Steifigkeit und Festigkeit des Bodens verringert. Im Extremfall kann es zu einer »Verflüssigung« des Bodens kommen, wie man sie als Folge eines Erdbebens beobachtet. In diesem Fall verliert der Boden jegliche Steifigkeit und Festigkeit, er verhält sich wie eine Suspension. Gründungen verlieren in einem »verflüssigten« Boden ihre Tragfähigkeit. Bislang ist nicht geklärt, ob bei den in der Nordsee geplanten OWEA während stärkerer Stürme die Gefahr besteht, dass sich Porenwasserüberdrücke aufbauen oder es sogar zu einer »Verflüssigung« des Bodens kommen kann.

Aber auch positive Szenarien sind denkbar. Geht eine Schiefstellung der Anlage bei starkem Sturm mit einer Auflockerung des umgebenden Bodens einher, dann könnte ein sich anschließender Regelbetrieb mit Zyklen kleiner Amplituden auch einen Selbstheilungseffekt zur Folge haben: Der Boden könnte sich wieder verdichten, wodurch sich die Schiefstellung verringern würde.

Erfahrungen im Zusammenhang mit Offshore-Windparks in anderen Nordsee-Anrainerstaaten wie etwa Dänemark sind nicht ohne weiteres auf die Deutsche Bucht übertragbar, da die Anlagen in Wassertiefen unter 10 m errichtet werden. Die Wassertiefen in der Deutschen Bucht betragen bis zu 30 m. Eine größere Wassertiefe bedeutet einen größeren Abstand zwischen dem Angriffspunkt der Wind- bzw. Wellenbelastung und dem Meeresboden. Dadurch nimmt insbesondere die Biegemoment-Belastung auf die Gründung zu (siehe Abb. 4). Auch die wesentlich größeren Abmessungen der in der Deutschen Bucht geplanten OWEA führen zu größeren Belastungen der Gründung. Erfahrungen mit kleinen Gründungen dürfen nicht ohne nähere Untersuchungen auf größere Abmessungen (beispielsweise größere Pfahldurchmesser) übertragen werden. Konventionelle Offshore-Bauwerke wie Ölbohrplattformen sind zwar in größeren Wassertiefen gegründet, ihr Verhältnis von horizontalen zu vertikalen Lasten ist aber wesentlich kleiner als etwa bei den geplanten OWEA-Monopilegründungen. So können auch die Erfahrungen mit diesen Bauwerken nicht direkt auf die neuen Windenergieanlagen übertragen werden.

In den zur Verfügung stehenden wenigen Normen und Richtlinien finden sich entweder nur Empfehlungen für kleinere Pfahlabmessungen (Geotechnik-Normen, z.B. DIN 1054), oder sie behandeln die Gründung nur nebensächlich und konzentrieren sich vorwiegend auf Onshore-Anlagen, wie die Richtlinie des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBT). Die Voraussetzungen der für konventionelle Offshore-Bauwerke vorwiegend in den USA bzw. in den skandinavischen Ländern entwickelten Regelwerke treffen zumeist nicht zu. Es finden sich zwar Aussagen wie »die zyklische Belastung muss in angemessener Weise berücksichtigt werden«, doch Angaben zu möglichen Methoden oder einem angemessenen Untersuchungsaufwand fehlen. So bleibt der mit der Planung von OWEA befasste Ingenieur ratlos zurück.

Die mit fortschreitender Planung der neuen Windparks immer deutlicher werdenden Probleme förderten das Interesse möglicher Betreiber, Zertifizierer, Planer und der bauausführenden Industrie an der Forschung. Für uns hieß das, angestoßen vor allem durch den Zertifizierer Germanischer Lloyd, unsere Ergebnisse aus dem Sonderforschungsbereich 398 an der Ruhr-Universität Bochum zur Anwendung zu bringen.

Unser Ziel ist die Prognose der Langzeitverformungen, das heißt die Voraussage der Lebensdauer von OWEA-Gründungen mittels Computersimulation: Wie im Zeitraffer wollen wir auf diese Weise mehrere Jahrzehnte des Betriebs einer Anlage innerhalb weniger Stunden am Rechner abbilden. Wir nutzen dafür die Methode der Finiten Elemente und ein Materialmodell, das über die Beziehung zwischen Spannungen (Lasten) und Dehnungen (Verformungen) die wesentlichen Aspekte des Bodenverhaltens bei zyklischer Belastung beschreibt. Dafür führten wir sog. Elementversuche durch, bei denen ein »Bodenelement« (siehe Abb. 4) im Labor unter definierten Randbedingungen zyklisch belastet wird.

Von mehreren hundert Versuchen an unterschiedlichen Sanden führten wir die meisten mit 100.000 Zyklen bei einer Frequenz von 1 Hz durch. In einigen wenigen Versuchen lag die maximale Zyklenanzahl bei zwei Millionen. Wir variierten unter anderem die Amplitude der Zyklen, die Größe der Vorlastspannung (mittlerer Druck p = ( 1 + 2 3)/3, Verhältnis aus vertikaler zu horizontaler Vorlastspannung 1/ 3) sowie die Anfangslagerungsdichte der Sandproben (siehe Abb. 5).

Wenn zwei Proben bei gleichen Vorlastspannungen mit unterschiedlichen Amplituden zyklisch belastet wurden (Abb. 6a), trat bei größerer Amplitude auch eine wesentlich größere bleibende Stauchung (Setzung) der Probe auf. Die Versuche verdeutlichen auch den Einfluss der Lagerungs-

dichte der Sandkörner: Je lockerer die Probe, umso größere Verformungen stellten wir nach 100.000 Zyklen fest (siehe Abb. 6b: 0 %: sehr locker bis 100 %: sehr dicht).

Der Einfluss der Vorlastspannung unterscheidet sich je nachdem, ob wir den Mittelwert der Vorlastspannung (mittlerer Druck p, siehe Abb. 6c) oder den Unterschied zwischen der vertikalen und der horizontalen Vorlastspannung (Differenz 1 – 3 oder Verhältnis 1/ 3, siehe Abb. 6d) betrachten: Bei gleichem Verhältnis der Amplitude zum Mittelwert der Vorlastspannung zweier Versuche zeichnete sich nach einer bestimmten Zyklenanzahl auch eine ähnlich starke Stauchung der Proben ab (Abb. 6c: 15/50 u. 90/300 = 0,3). Erhöht man dagegen den Unterschied zwischen der vertikalen und der horizontalen Vorlastspannung bei konstantem mittleren Druck, dann nimmt auch die Verformung der Probe nach 100.000 Zyklen zu (Abb. 6d).

Für die Windenergieanlage heißt das, zyklische Belastungen lassen in den oberen Bodenschichten große Verformungen erwarten, da der Mittelwert der Vorlastspannung dort klein, aber der Unterschied zwischen der horizontalen und der vertikalen Vorlastspannung groß ist. Zudem sind die Amplituden in den oberen Bodenschichten ebenfalls größer als in den tiefer liegenden und die Lagerungsdichte des Sandes ist in der Regel geringer.

Bei den verschiedenen Sandarten zeigten sich in unseren Versuchen umso stärkere Verformungen infolge der zyklischen Belastung, je feinkörniger der Sand war. Der Nordsee-Sand ist in der Regel feinkörnig, was ebenfalls größere Verformungen erwarten lässt. Die in den Laborversuchen ermittelten relevanten Einflussfaktoren haben wir in unserem Materialmodell »Hochzyklisches Akkumulationsmodell« berücksichtigt.

Unser Finite-Elemente-Modell einer OWEA-Monopilegründung für die Computersimulation entspricht einem realen Bauprojekt (siehe Abb. 7). Die Gründung besteht aus einem Stahlrohr mit einem Durchmesser von etwa 5 m, dessen Wandstärke 4,5 cm beträgt. Das Rohr wird bis zu einer Tiefe von 30 m in den Meeresboden gerammt. Das Modell bildet den Pfahl bis 1 m oberhalb des Meeresbodens ab. Am Kopf des Pfahls wird die Belastung als Horizontalkraft (H), Vertikalkraft (V) und Biegemoment (M) berücksichtigt. Eine Richtungsänderung der zyklischen Belastung haben wir bisher nicht in das Modell einbezogen. Da die Symmetrie des Systems ausgenutzt werden konnte, reichte es aus, nur eine Hälfte der Gründung zu modellieren. Das Modell bildet den Boden bis zu 20 m um den Pfahlmantel und unterhalb des Pfahlfußes ab (siehe Abb. 7). In den Computersimulationen berücksichtigen wir ebenfalls ein Profil der Lagerungsdichte des Bodens. Es wurde anhand von Druck- und Rammsondierungen rekonstruiert, die offshore von einem Schiff durchgeführt wurden. Schließlich lagen uns auch Angaben zur Sandart aus Bohrproben vor, die bei der Baugrunderkundung gewonnen wurden. Dabei handelt es sich um einen feinen bis mittelgroben Sand mit Beimischungen von Grobsand und Feinkies, die mit der Tiefe variieren. Für die Computersimulationen verwenden wir Materialparameter eines ähnlichen Sandes, den wir in unseren Laborversuchen getestet haben.

Das Ergebnis einer Computersimulation der OWEA, in der eine Millionen Zyklen mit einer Biegemoment-Belastung berechnet wurden, zeigt Abb. 8: Die bleibende horizontale Verschiebung und damit die Schiefstellung des Pfahls nimmt mit zunehmender Tiefe unterhalb des Meeresbodens ab, jedoch mit zunehmender Zyklenanzahl zu. Die Ergebnisse bestätigen, dass die gewählte Methode prinzipiell für eine Prognose von Langzeitverformungen bei OWEA-Gründungen geeignet ist. Mit einer für die geplanten Windenergieanlagen realistischen Belastung – hierzu laufen derzeit andere Forschungsvorhaben – und der Vorgabe eines Grenzwertes der Schiefstellung kann die Lebensdauer der OWEA vorhergesagt werden. Durch Variation der Gründungsgeometrie (Pfahldurchmesser und-einbindetiefe) ließe sich eine Anlage dann auch für eine vorgegebene Lebensdauer auslegen.

Derzeit wird die Methode sukzessive verbessert. Da die Zyklenanzahl bei OWEA-Gründungen wesentlich größer ist als die bisher im Labor getesteten zwei Millionen Lastspiele, führen wir Langzeitversuche mit weit größeren Zyklenanzahlen durch. Die Computersimulation wird zukünftig auch Richtungswechsel von Wind- und Wellenbelastung berücksichtigen. Zudem werden wir in der Computersimulation den sogenannten Kolkschutz abbilden. Das ist eine Schüttung von grobem Material (Kies, Schotter, Steine) in Höhe des Meeresbodens, der die Ausspülung des feinen Sandes um den Pfahl verhindern soll. Um die Materialparameter dafür zu gewinnen, testen wir ein ähnlich grobes Material in Groß-Tri­axialversuchen.

Parallel zu den Laborversuchen führen wir mit einer im Maßstab 1:100 verkleinerten Windenergieanlage Modellversuche durch. Dabei wird die Modell-Anlage in einem Behälter mit wassergesättigtem Sand zyklisch belastet. Wir hoffen, dass diese Modellversuche unsere Computersimulationen bestätigen. Dann können in weiteren Computerberechnungen die Geometrie der Gründung, die Bodenparameter und die Belastung variiert werden. Auf Basis dieser Parameterstudien lassen sich schließlich Diagramme für die Praxis entwickeln, die eine einfache Abschätzung der Lebensdauer einer OWEA ermöglichen.


Dr.-Ing. Torsten Wichtmann, Dr.-Ing. Andrzej Niemunis